Dabigatran (Pradaxa®) wurde - erwartungsgemäß -
von der FDA zur Prophylaxe arterieller Embolien bei Vorhofflimmern (VHF)
zugelassen. Dies gaben der Hersteller Boehringer Ingelheim und die FDA
zeitgleich am 19. Oktober bekannt (1). Im September hatte das zuständige
Advisory Panel einstimmig (9 zu 0) die Zulassung des oralen
Thrombin-Antagonisten empfohlen. Auch in Europa, wo Dabigatran zur
orthopädischen perioperativen Thromboseprophylaxe bereits seit März 2008
vermarktet wird, ist mit einer raschen Zulassung durch die EMA zu rechnen.
Die Zulassung stützt sich im wesentlichen auf nur eine randomisierte
kontrollierte Studie (RE-LY), über die wir ausführlich berichtet haben (2). In
dieser Studie wurde Dabigatran bei 18.113 Patienten (Einschlusskriterien: VHF
und Risikofaktor entsprechend CHADS2-Score ≥ 1) in zwei Dosierungen
(110 mg vs. 150 mg zweimal täglich) untersucht und mit einer
konventionellen Antikoagulation durch Vitamin-K-Antagonisten (VKA) verglichen.
Unter der niedrigen Dabigatran-Dosierung wurde der primäre Endpunkt
(Schlaganfall oder andere arterielle Embolie) ähnlich häufig erreicht wie in
der VKA-Gruppe bei niedrigerer Blutungsrate. Unter der höheren Dabigatran-Dosis
wurde der primäre Endpunkt seltener erreicht bei etwa gleicher Blutungsrate.
Nicht-hämorrhagische UAW von Dabigatran umfassen
insbesondere dyspeptische und andere abdominelle Beschwerden (um 12% vs. 5,9%
unter Warfarin) und eine knapp signifikant höhere, wenn auch insgesamt niedrige
Rate von Myokardinfarkten (um 0,7%). Dabigatran (220 mg) kostet pro Tag
7,78 €, Phenprocoumon als Generikum (DDD) 0,20 € und Warfarin
(Coumadin®; DDD) 0,34 € (3).
Unklar bleibt vorerst die Dosierung bei Patienten mit
eingeschränkter Nierenfunktion. Dabigatran wird ersten Informationen zufolge in
den USA in zwei verschiedenen Stärken erhältlich sein (jeweils zweimal täglich
einzunehmen): 150 mg für Patienten mit normaler Nierenfunktion und 75 mg
für Patienten mit „schwerer” Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance
15-30 ml/min; 4). Letztere Dosierungsempfehlung ist jedoch nicht
durch klinische Daten belegt und daher unter Beobachtern umstritten. Eine
75 mg-Dosis wurde in der RE-LY-Studie nicht untersucht, und Patienten mit
„schwerer Niereninsuffizienz” (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min)
waren sogar ausgeschlossen. Die FDA-Zulassung der 75 mg-Dosierung für
diese Patientengruppe erfolgt offenbar im wesentlichen anhand
pharmakokinetischer Daten und möglicherweise auch in einer – allerdings nicht
ganz nachvollziehbaren – Analogie zur europäischen Zulassung: In der in Europa
zugelassenen Indikation (orthopädische perioperative Thromboseprophylaxe)
beträgt die Normaldosis 220 mg einmal täglich (zwei Tabletten zu
110 mg), während für Patienten mit „mäßiggradiger” Niereninsuffizienz
(Kreatinin-Clearance 30-50 ml/min) sowie für ältere Patienten (> 75
Jahre) eine Dosis von 150 mg einmal täglich (zwei Tabletten zu 75 mg)
empfohlen wird. Diese Angaben beruhen auf den Zulassungsstudien RE-MOBILIZE, RE-MODEL und
RE-NOVATE, die bei diesen beiden Subgruppen eine höhere Blutungsrate unter der
Normaldosis gezeigt hatten (5). Eine „schwere”
Niereninsuffizienz war bei diesen Studien aber ein Ausschlusskriterium und wird
auch als Kontraindikation angeführt.
Fazit: In den USA wurde Dabigatran (Pradaxa®), das
in Europa für die perioperative Thromboseprophylaxe bereits auf dem Markt ist,
nun zur oralen Antikoagulation bei Vorhofflimmern zugelassen. Für Patienten,
die Probleme mit der Einstellung der Gerinnung und/oder Blutungsrisiken oder
andere Unverträglichkeiten haben, kann Dabigatran wohl als Alternative zu
Vitamin-K-Antagonisten angesehen werden. In Anbetracht der häufigeren
nicht-hämorrhagischen UAW und der noch fehlenden Langzeitdaten empfehlen wir
jedoch eine zurückhaltende Indikation. Besondere Vorsicht ist angebracht bei
der nicht evidenzbasierten, reduzierten Dosierung bei schwerer
Niereninsuffizienz. Inwieweit die deutlich höheren Kosten durch das nicht
erforderliche Gerinnungsmonitoring amortisiert werden, bleibt abzuwarten.
Literatur
- http://www.fda.gov/NewsEvents/

- AMB2010, 44, 06b.

- Schwabe, U., undPaffrath, D.: Arzneiverordnungs-Report 2010. Springer Medizin Verlag,Heidelberg 2010.
- http://www.theheart.org/article/1138703.do#bib_1

- Friedman,R.J., et al. (RE-MOBILIZE, RE-MODEL, RE-NOVATE Steering Committees): ThrombosisResearch 2010, 126, 175.

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