Zusammenfassung: Die akute Pankreatitis ist ein
Entzündungsprozess der Bauchspeicheldrüse, der einmalig aber auch mehrfach auftreten
kann. Die Ursachen sind heterogen. Über 70% sind auf Alkoholkonsum oder
Gallensteine zurückzuführen. Man rechnet in den USA mit einem Häufigkeitsgipfel
zwischen 40 und 59 Jahren und mit über 200.000 Krankenhausaufnahmen/Jahr bei
steigender Tendenz (1). Die altersbezogene Inzidenz weltweit wird mit 16 für
Männer und mit 10,2 für Frauen pro 100.000 Einwohner angegeben (2). Die
Letalität liegt insgesamt < 5%, bei schwerem Verlauf ist sie aber
deutlich höher und der Krankenhausaufenthalt erheblich länger (3).
Therapeutisch haben sich in den letzten Jahren verschiedene Änderungen ergeben.
So ist man bei schwerer Pankreatitis sehr zurückhaltend geworden mit größeren
chirurgischen Eingriffen, die prophylaktische Gabe von Antibiotika wird nicht
mehr empfohlen und es wird jetzt - auch im Gegensatz zu früher - eine rasche
enterale Ernährung angestrebt.
Ursachen und Prävention: Im Gallengangsystem festsitzende Konkremente
mit Rückstau von Gallenflüssigkeit in den Pankreasgang sind eine häufige
Ursache der akuten Pankreatitis (s. Tab. 1; nach 4). Der Sphincter
Oddi ist die anatomische Enge, in der die meisten Steine stecken bleiben. Es
ist einleuchtend, dass solche Gallengangssteine möglichst schnell entfernt
werden sollten, weil sie die Pankreatitis weiter unterhalten. Außerdem besteht
durch die Stase der Gallenflüssigkeit die Gefahr der bakteriellen Infektion.
Durch eine ERC (endoskopische retrograde Cholangiographie) mit Papillotomie und
Ballondurchzug kann der Stein (manchmal mehrere Steine) meistens entfernt
werden. Ist die akute Situation überwunden, sollte eine Cholecystektomie
erfolgen, um erneuten Ereignissen vorzubeugen.
Alkohol
ist die zweithäufigste Ursache der akuten Pankreatitis. In der Regel tritt sie
nach langjährigem (> 5 Jahre) und übermäßigem Alkoholkonsum auf. Das
Risiko steigt mit der Menge des konsumierten Alkohols, was für einen direkten
toxischen Effekt spricht. Nur 5% aller Alkoholkranken aber entwickeln eine
Pankreatitis, so dass wohl weitere Faktoren, möglicherweise auch eine genetische
Prädisposition, eine Rolle spielen. Wie auch für andere Erkrankungen, ist die
Einschränkung eines übermäßigen Alkoholkonsums präventiv wirksam. Patienten,
die eine durch Alkohol verursachte Pankreatitis erlitten haben, sollten mehrere
professionelle psychotherapeutische Beratungen zur Reduktion des Alkoholkonsums
erhalten. Hierdurch kann die Rezidivquote, die zwischen 0,6% und 5,6% liegt
(5), gesenkt werden (6).
Eine exzessive Hypertriglyzeridämie
(Chylomikronämie) ist ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor für eine
Pankreatitis, besonders in der Schwangerschaft (7). Eine genauere Präzisierung,
welche dieser Patienten ein besonders hohes Risiko haben, eine Pankreatitis zu
entwickeln, ist zur Zeit nicht möglich. In der Regel tritt eine Pankreatitis
aber erst bei Triglyzerid-Konzentrationen im Serum > 1000-2000 mg/dl
auf (8). Deshalb sollten die Triglyzeridwerte durch Änderung des Lebensstils
und der Ernährung gesenkt werden.
Auch Arzneimittel können eine Pankreatitis auslösen
(s. Übersicht bei 20). Allerdings sollte man zunächst an die häufigeren
Ursachen denken (Gallensteine, übermäßiger Alkoholkonsum). Eine solche
Pankreatitis kann kurz nach Beginn einer medikamentösen Behandlung, aber auch
noch Monate oder gar Jahre später auftreten. Bei sehr wichtiger Therapie sollte
versucht werden, durch eine erneute Exposition den kausalen Zusammenhang mit
dem Arzneimittel zu klären. Bestimmte Patienten neigen eher zu
Arzneimittel-induzierten Pankreatitiden (s. Tab. 1).
Die ERCP (endoskopische retrograde
Cholangiopankreatikographie) ist die häufigste iatrogene Ursache einer
Pankreatitis. Das Risiko für diese Komplikation liegt insgesamt zwischen 5% und
20% und ist bei erfahrenen Untersuchern niedriger als bei unerfahrenen (9). Die
Indikation für diesen Eingriff muss wegen der Risiken streng gestellt werden.
Therapie:
Indikation zur stationären Behandlung und Abschätzung der Prognose: Die akute Pankreatitis kann sehr unterschiedlich
verlaufen, von subklinisch bis zu akut lebensbedrohlich. Leider gibt es keinen
Marker, der die Schwere des Verlaufs sicher voraussagen kann. Amylase und
Lipase im Serum sind dafür nicht geeignet. Ein niedriges Serumkalzium ist
häufig ein Indiz für einen schweren Verlauf. Das CRP wird häufig als Verlaufsparameter
herangezogen und erlaubt im gewissen Rahmen eine prognostische Beurteilung
(10, 11). Nekrosen im Pankreas markieren sich im CT meist erst ab dem
dritten Erkrankungstag, so dass bildgebende Verfahren zu Beginn meist
ungeeignet sind zur Einschätzung des Verlaufs. Da mit keiner der genannten
Maßnahmen ausreichend sicher eine Prognose abzugeben ist, sollten Patienten mit
akuter Pankreatitis zunächst ein paar Tage stationär beobachtet werden. Die
schweren Verläufe der akuten Pankreatitis werden zunächst von einem
systemischen inflammatorischen Response Syndrom (Systemic Inflammatory Response Syndrome = SIRS)
bestimmt. Hierbei kommt es durch Ausschüttung von Entzündungsmediatoren zu
erheblichen Flüssigkeitsverschiebungen im Körper, die zu multiplem Organversagen,
besonders dem akuten progressiven Lungenversagen (Acute Respiratory Distress
Syndrome = ARDS) führen können. Solche Patienten sollten auf einer
Intensivstation betreut werden. Bei schwerem Verlauf kommt es meist ab der
zweiten Krankheitswoche zu Nekrosen im Pankreas mit Bildung von Pseudozysten.
Diese können sich durch Translokation von Bakterien aus dem Darm infizieren und
zur Sepsis führen. In dieser Phase kann es schwierig sein, ein SIRS von einer
Sepsis zu unterscheiden. Deshalb sollte bei Verdacht auf eine Infektion nach
einem Erreger im Blut oder im Punktat des nekrotischen Pankreasgewebes gesucht
werden. In machen Fällen kann auch die Messung des Procalcitonins bei der
Differenzierung von SIRS oder Sepsis weiterhelfen (bei bakteriellen Infektionen
erhöht). Wie bei anderen schwerkranken Patienten kann sich eine Pneumonie
entwickeln, insbesondere bei solchen, die länger beatmet werden müssen oder
nicht auf eine enterale Ernährung umgestellt werden können.
Allgemeine Aspekte: Wegen der starken Flüssigkeitsverschiebungen in den sogenannten 3. Raum
steht bei schwerer akuter Pankreatitis die Substitution von Flüssigkeit im
Vordergrund der akuten Maßnahmen. Hierfür werden großlumige Zugänge in großen
Venen gebraucht, damit eine Volumensteuerung über den zentralen Venendruck
(ZVD) möglich ist. Desweiteren benötigen die Patienten eine ausreichende
Schmerztherapie (in der Regel mit Opiaten) und müssen hinsichtlich der UAW gut
überwacht werden. Opiate werden normalerweise alle 2-4 Stunden verabreicht. Wenn
mit einer solchen Bolusgabe keine ausreichende Linderung erreicht wird, sollten
die Schmerzmittel mittels Pumpe kontinuierlich infundiert werden. Morphin wird
bei Pankreatitis meist nicht eingesetzt, weil man befürchtet, dass der
Sphincter Oddi aktiviert und der Druck im Ductus choledochus erhöht wird, was
den Abfluss der Galle und des Pankreassekrets behindern könnte. Diese
theoretische UAW konnte aber in klinischen Studien nicht bestätigt werden. Im
Rahmen der Flüssigkeitverschiebungen kann es zum hypovolämischen Schock mit
Organversagen kommen oder auch zum ARDS mit der Notwendigkeit der mechanischen
Beatmung. Möglicherweise kann durch Zufuhr von Sauerstoff über Nasensonde in
den ersten Tagen der schweren akuten Pankreatitis die Inzidenz eines ARDS verringert
werden. Bei unzureichender Schmerztherapie kann es zu krisenhaftem Anstieg des
Blutdrucks kommen. Außerdem können starke Schmerzen - aber leider auch Opiate
(vgl. 21) - die Peristaltik vermindern bis hin zu Ileussymptomen. Durch die
dabei entstehende Überblähung des Darms kann auch die Atmung mechanisch
beeinträchtigt werden. Ob Opioide in Kombination mit Opioid-Antagonisten (vgl.
21) günstiger sind, ist nicht systematisch untersucht. Die komplexe Situation
bei schwerer akuter Pankreatitis ist der Grund für die intensivmedizinische
Betreuung.
Indikation zur ERCP: Bei Verdacht auf Cholangitis (Fieber, Leukozytose)
und auf eingeklemmten Gallenstein (Ikterus, Ultraschalluntersuchung) sollte
umgehend eine ERC mit Entfernung des Konkrements erfolgen (s.o.). Patienten
ohne Hinweis auf eine Cholangitis profitieren nach einer Metaanalyse von sieben
randomisierten Studien nicht durch eine frühe ERCP (12).
Ernährung: Patienten mit milder Pankreatitis
sollten mit der oralen Ernährung beginnen, wenn die Schmerzen nachlassen und
kein Erbrechen mehr besteht. Beim Kostaufbau muss auf Schmerzen, Übelkeit und
Erbrechen geachtet werden. Er sollte langsam und zunächst mit klaren
Flüssigkeiten beginnen. Bei diesen Entscheidungen sollten die Laborwerte und
auch bildgebende Verfahren keine entscheidende Rolle spielen.
Patienten mit schwerer Pankreatitis können häufig mehrere
Tage oder sogar wochenlang nicht essen. In einer Metaanalyse von sechs Studien
hat sich gezeigt, dass sich bei enteraler Ernährung über eine Sonde im
Vergleich zur venösen parenteralen Ernährung folgende Vorteile ergeben (13):
·
seltener infektiöse Komplikationen,
·
weniger chirurgische Interventionen erforderlich,
·
kürzerer Krankenhausaufenthalt,
·
geringere Kosten (2362 US-$ weniger pro Patient).
Hinsichtlich der Letalität ergab sich bei bisher noch
kleinen Patientenzahlen aber kein Vorteil. Trotzdem wurde das Prinzip des
frühen Kostaufbaus in die Empfehlungen der entsprechenden Fachgesellschaften aufgenommen.
In Großbritannien wird zur Zeit die Ernährung über eine nasogastrale Sonde
empfohlen, weil dies bei > 80% der Patienten ohne größere Probleme
gelingt (14). In den USA wird die nasojejunale Sonde bevorzugt, obwohl die
Platzierung dieser Sonde komplizierter ist und in der Regel endoskopisch
erfolgen muss. Dahinter steht die Absicht, die Pankreatitis-bedingten
entzündlichen Veränderungen im Bereich des Duodenums nicht mechanisch durch das
Ende der Sonde und/oder durch die Ernährungslösung zu verstärken. Es könnte
also günstiger sein, wenn die Sondenöffnung distal des Treitzschen Bandes
liegt. Bisherige Studien konnten diese Überlegung aber nicht stützen. Eine
größere Studie hierzu (SNAP = Study of Nutrition in Acute Pancreatitis)
wird zur Zeit vom National Institute of Health multizentrisch in den USA
durchgeführt (4). Patienten mit Ileussymptomen sollten parenteral ernährt
werden.
Antibiotika: Bei akuter Pankreatitis werden
Antibiotika zur Zeit nicht generell empfohlen, auch nicht beim Nachweis von
Nekrosen (15). Eine kürzlich publizierte Cochrane-Übersicht fand keine Vorteile
bei routinemäßiger Antibiotikabehandlung (16).
Patienten mit Cholangitis, infizierten Nekrosen oder
infizierten Pseudozysten sollten dagegen eine antibiotische Therapie erhalten.
Bei Verdacht auf Sepsis und Suche des Infektionsherds sollten Blutkulturen
entnommen und eine Rö-Aufnahme des Thorax wegen möglicher Pneumonie gemacht
werden. Werden infizierte Nekrosen oder infizierte Pseudozysten vermutet,
sollte vor der Antibiotikatherapie durch Nadelaspiration ein Erregernachweis
angestrebt werden. Imipenem, Meropenem, aber auch Chinolone oder Cefalosporine
der dritten Generation in Kombination mit Metronidazol sind die bevorzugten
Antibiotika in dieser Situation.
Interventionelle Behandlung infizierter Nekrosen und
Pseudozysten: Patienten mit infizierten Nekrosen und infizierten
Pseudozysten müssen gut überwacht werden und bei nicht ausreichendem Ansprechen
auf eine (möglichst gezielte) antibiotische Therapie chirurgisch oder endoskopisch/radiologisch
interventionell behandelt werden. In einer kürzlich publizierten
Multizenterstudie kam es unter minimal-chirurgischen Eingriffen oder
radiologisch-endoskopisch drainierten und gespülten Nekrosen zu weniger
Komplikationen als bei primär offener, großer chirurgischer Ausräumung der
Nekrosen (17, 18). Einige Fallberichte zeigen auch Erfolge bei
ausgewählten Patienten durch eine transgastrische Drainage der Nekrosen
(17, 19).
Literatur
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