Im Mai 2009 hatten wir alte und neuere Therapieansätze
zur Behandlung der Chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD)
zusammengefasst (1) und die Empfehlungen der heute allgemein anerkannten Leitlinien
auch graphisch dargestellt (2). Danach gehören langwirksame Bronchodilatatoren zur
Standardtherapie schon bei moderater und inhalativ applizierte Kortikosteroide (ICS)
zusätzlich bei schwerer und sehr schwerer COPD. Auch der veraltete unspezifische
Phosphodiesterase-Hemmer (PDEH) Theophyllin wurde erwähnt und über erste
Erfahrungen mit dem spezifisch bronchial wirkenden PDEH-4 Roflumilast (Ro)
berichtet. PDEH-4 greifen in den Stoffwechsel des zyklischen Adenosinmonophosphats
(c-AMP) in glatten Muskel- und in Entzündungszellen ein und haben
bronchodilatatorische und antiinflammatorische Effekte. Ro wurde 2005 in erster
Linie wegen der erheblichen gastrointestinalen UAW nicht zugelassen (3). Der
Zulassungsantrag war zurückgezogen worden. Im April 2010 entschied die Food and
Drug Administration (FDA) in den USA erneut gegen Ro und machte die Zulassung
von zusätzlichen Informationen der Hersteller abhängig (4). Anders in Europa:
hier wurde Ro im September 2010 von der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) unter
dem Namen Daxas® „zur Dauertherapie bei erwachsenen Patienten mit
schwerer COPD und chronischer Bronchitis sowie häufigen Exazerbationen in der
Vergangenheit” zur Begleittherapie mit Bronchodilatatoren als perorale Arzneiform
zugelassen (5). Wie wurde dieses von den US-Behörden abweichende Urteil
begründet?
Die zwei Studien, die zur Zulassung führten, sind im
August 2009 im Lancet veröffentlicht worden (6, 7). Sie wurden von Nycomed,
dem Hersteller von Ro, unterstützt. Vier Autoren sind Mitarbeiter dieser Firma.
In der ersten Arbeit (6) wird über die Ergebnisse bei zwei verschiedenen
Patientengruppen (n = 1523 und n = 1568) berichtet, die
nach dem gleichen Prüfplan plazebokontrolliert und doppeltblind in insgesamt
467 Zentren in 18 Ländern 52 Wochen lang behandelt wurden. Die Gruppen
unterschieden sich nur durch die lokalen Besonderheiten in den einzelnen
Zentren. Die Ergebnisse in den beiden Studien sind sehr ähnlich und können hier
gemeinsam besprochen werden. Einschlusskriterien waren: COPD, Alter > 40
Jahre, Raucheranamnese oder aktives Rauchen. Eine Basisbehandlung mit kurz- und
langwirkenden Sympathikomimetika sowie kurz wirkenden Anticholinergika war während
der gesamten Studiendauer möglich, nicht aber Kortikosteroide. Die orale
Behandlung mit 500 µg/d Ro oder Plazebo begann nach einer vierwöchigen
Vorbeobachtungszeit. Primäre Endpunkte waren Änderungen der Sekundenkapazität (FEV1)
und Zahl der interkurrenten Exazerbationen, sekundäre waren unter anderem die Intensität
der Atemnot sowie die Konzentration des C-reaktiven Proteins als Parameter für
chronische Entzündung.
Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tab. 1
dargestellt. Über einen Zeitraum von 52 Wochen besserte sich das FEV1
als Parameter der Bronchialobstruktion unter Ro zwar signifikant, aber nur um
etwa 4%-5%. Man kann sehr bezweifeln, dass diese Besserung klinisch relevant
ist. Jedenfalls wird im Text der Arbeit darauf hingewiesen, dass sich die
Atemnot der Patienten nicht wesentlich besserte. Die erhoffte klinisch
relevante antientzündliche Wirkung von Ro war ebenfalls nicht nachweisbar. Die
Konzentration des C-reaktiven Proteins war nicht niedriger als unter Plazebo
und die Zahl der Exazerbationen ging von 1,37 auf nur 1,14 pro Patient und Jahr
zurück. Wichtigster Kritikpunkt dieser Arbeit ist die nicht erlaubte Therapie
mit Kortikosteroiden. Die COPD ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die in
der Regel auf Kortikosteroide gut anspricht. Da sie in dieser Studie nicht
zugelassen waren, sind viele dieser Patienten - gemessen an den Leitlinien (vgl.
1, 8) - unterversorgt. Die erhoffte klinisch relevante antientzündliche
Wirkung von Ro war nicht nachweisbar: Die Konzentration des C-reaktiven
Proteins war nicht niedriger als unter Plazebo und die Zahl der Exazerbationen
ging von1,37 auf nur 1,14 pro Patient und Jahr zurück.
In der zweiten Arbeit zu Ro im selben Heft des Lancet
(7) von derselben Arbeitsgruppe und mit demselben Sponsor werden die Ergebnisse
zweier Untersuchungen berichtet, bei denen zur Basistherapie der Patienten auch
Salmeterol (Gruppe A) oder Tiotropium (Gruppe B) gehörte. Im Übrigen war der
Prüfplan, die Einschlusskriterien sowie die primären und sekundären Endpunkte
gleich, aber die Studie dauerte nur 24 Wochen. Auch hier waren Kortikosteroide
als Basistherapie nicht zugelassen. Tab. 2 zeigt die Ergebnisse. Die Kombinationsbehandlung
mit Tiotropium bzw. Salmeterol mit Ro führt im Vergleich mit der Kombination
mit Plazebo nach 24 Wochen zwar zu einer signifikant geringeren bronchialen
Obstruktion (FEV1), nicht aber zu einer relevanten Minderung von
Entzündungszeichen und Zahl der Exazerbationen.
Die häufigsten UAW von Ro sind in beiden referierten Arbeiten
Durchfall (8%) und Übelkeit (5%). Das Körpergewicht nimmt im Verlauf eines
Jahres daher deutlich ab. Psychische Auffälligkeiten werden nicht besonders
erwähnt. Die europäische Zulasssungsbehörde EMA weist allerdings nach
Auswertung anderer ihr vorliegenden Unterlagen darauf hin, dass unter der
Behandlung mit Ro Schlaflosigkeit, Angstzustände und Depressionen vorkommen und
auch die Suizidalität zunimmt (5). So wurden unter der Therapie insgesamt fünf
Suizide registriert, in den Kontroll-Gruppen dagegen keine. Die Behörde regt
weitere Untersuchungen dieses Phänomens für die Zeit nach der Zulassung an!
Daxas® kostet etwa 2 €/d, Theophyllin 0,25 €, Fluticason
1,27 €, Salmeterol 1,86 € und Tiotropiumbromid 2,02 €.
Nach den vorliegenden Untersuchungen vermindert Ro zwar
die Bronchialobstruktion, hat aber bestenfalls geringen Einfluss auf die
Entzündungsparameter und den klinischen Verlauf. Zur Basistherapie der
Vergleichsgruppe (Plazebo) waren Kortikosteroide nicht zugelassen. Ob also Ro
in der täglichen Praxis überhaupt zusätzlich wirksam ist, kann nicht beurteilt
werden, denn Kortikosteroide gehören zur Routinetherapie. Außerdem wurde in den
Studien die Wirksamkeit weder mit dem unspezifischen PDEH Theophyllin verglichen
noch mit anderen Arzneimitteln, die zur Standardtherapie der COPD angewandt
werden. Nach einem orientierenden Vergleich der Effektgröße in verschiedenen
Untersuchungen in den Unterlagen der FDA ist zu erwarten, dass Ro nicht
wirksamer ist als die Standardtherapeutika (9). Gegen die offenbar geringen positiven
Wirkungen sind die UAW abzuwägen. Ein Zusatznutzen gegenüber den empfohlenen
Arzneimitteln ist wohl nicht zu erkennen. Der Preis erscheint uns bei dieser
Sachlage unangemessen. Umso erstaunlicher ist, dass der Lancet die Ergebnisse der
Untersuchungen von Ro in zwei Publikationen druckt und auf der Titelseite des
Heftes einen Satz zitiert, der Ro als einen Hoffnungsträger bezeichnet (vgl. 10).
Fazit:
Roflumilast ist ein spezifischer Phosphodiesterase-Hemmer, der bei Patienten
mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, die nicht mit Kortikosteroiden
behandelt werden, die Sekundenkapazität (FEV1) zwar signifikant,
aber klinisch nicht relevant erhöht. Das C-reaktive Protein - als Marker der
Entzündung – wird nicht gesenkt. Gastrointestinale sowie psychische UAW sind zu
beachten. Der Preis ist vergleichsweise hoch.
Literatur
- AMB 2009, 43, 33.

- Hamm, H.: Internist 2006,47, 901.

- AMB 2005, 39,69b.

- Nycomed Presseerklärung 6.7.2010.
- EMA/EPAR 2010 CHMPassessment report 464905;

- Calverley, P.M.A., etal.: Lancet 2009, 374, 685
. Erratum: Lancet 2010, 376, 1146.
- Fabbri, L.M., et al.:Lancet 2009, 374, 695.

- Nationale VersorgungsleitlinieCOPD 2006 /2010;

- http://www.fda.gov/...

- AMB 2010, 44,83.

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