Zusammenfassung: Hinsichtlich Verhinderung
kardiovaskulärer Ereignisse war in der SEARCH-Studie die höhere Dosis von
80 mg/d Simvastatin der Standarddosis von 20 mg/d trotz stärkerer
Senkung des LDL-Cholesterins (LDL-C) nicht signifikant überlegen. Dagegen kommt
die Metaanalyse der Cholesterol Treatment Trialists bei Auswertung von 26
Studien mit insgesamt 170.000 Patienten zu dem Ergebnis, dass
Standarddosierungen von Statinen das relative Risiko kardiovaskulärer
Ereignisse, verglichen mit Plazebo - wie bekannt - signifikant verringern und
höhere Dosierungen nicht nur das LDL-C, sondern auch kardiovaskuläre Risiken
signifikant zusätzlich senken. Da vor allem Patienten mit hohem Gesamtrisiko
von einer Statintherapie profitieren, liegt es nahe, bei diesen Patienten die
Statindosis anzupassen (dem LDL-C und dem Risiko) und bei hoher Dosis
sorgfältig auf UAW zu achten. Bei Patienten mit gegebener Indikation für
Statine, aber mit nicht sehr hohem Risiko erscheint die Verordnung einer
Standarddosis vertretbar. Dieses Vorgehen ist logisch, aber bisher nicht durch
vergleichende Studien abgesichert.
Über die Indikation zur Therapie mit Statinen und die
angemessene Dosierung gibt es nach wie vor Diskussionen. Wir hatten 2005, gestützt
auf die damalige Nutzenbewertung der Statine durch das IQWiG, folgende Meinung
vertreten: „(es)... lässt sich nicht ableiten, dass das Ausmaß der LDL-C-Senkung
geeignet ist, den Nutzen hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte generell zu
belegen oder zu quantifizieren” (1). Das würde bedeuten, es lohnt sich nicht,
eine initial erreichte Senkung des LDL-C gegebenenfalls durch eine höhere Dosis
des Statins oder einen anderen Lipidsenker zu verstärken. Neuere große,
allerdings nicht endgültig beweisende Untersuchungen lassen vermuten, dass es Patienten
gibt, bei denen eine intensivere Senkung des LDL-C klinisch vorteilhaft sein
kann (2-4). Aber nach wie vor wird die optimale Dosierung kontrovers
diskutiert. Daher sind zwei im November vorigen Jahres im Lancet
veröffentlichte Studien und ein Editorial im gleichen Heft von großem Interesse
(5-7).
Die SEARCH-Studie (5) ist eine doppelt
verblindete, randomisierte, kontrollierte Untersuchung, in der 12.064 Patienten
mit Myokardinfarktanamnese entweder mit 20 mg/d oder mit 80 mg/d
Simvastatin behandelt und dann durchschnittlich 6,7 Jahre lang beobachtet
wurden. Patienten, die in der Run-in-Phase 20 mg/d Simvastatin nicht
vertrugen oder in der Einnahme nicht zuverlässig waren, schieden vor der
Randomisierung aus. In der Hochdosis-Gruppe sank das LDL-C deutlich stärker (um
0,35 mmol/l = 13,5 mg/dl im Gruppenvergleich), die kardiovaskulären
Ereignisse nahmen jedoch nicht signifikant im Vergleich mit der
Niedrigdosis-Gruppe ab. Für „Major coronary events” (primärer Endpunkt,
bestehend aus nicht-tödlichem Herzinfarkt, koronarer Revaskularisation und
kardial bedingtem Tod) fand sich ein nicht-signifikant niedrigeres relatives
Risiko (RR) von 0,96 (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,89-1,04;
p = 0,37) in der Hochdosis-Gruppe. Hinsichtlich tödlicher und
nicht-tödlicher Schlaganfälle betrug das RR 0,91 (95%-CI: 0,77-1,08;
p = 0,30). Für alle kardiovaskulären Ereignisse zusammen lag das RR
bei 0,94 (95%-CI: 0,88-1,01; p = 0,10). Auch die Letalität im
Beobachtungszeitraum war in beiden Gruppen nahezu identisch (16,0% in der
Hochdosis-Gruppe, 16,1% in der Niedrigdosis-Gruppe) und hinsichtlich der
Todesursachen fand sich ebenfalls kein signifikanter Unterschied.
Deutliche Unterschiede zeigten sich
allerdings bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Zeichen einer
Hepatopathie (Anstieg der GPT auf mindestens den zweifachen Normalwert) fanden
sich bei 4,3% der Patienten in der Hochdosis-, aber nur bei 2,9% in der
Niedrigdosis-Gruppe. Schwerere Lebererkrankungen traten allerdings in keiner
Gruppe auf. Am deutlichsten war der Unterschied hinsichtlich der durch das
Statin induzierten Myopathie. Hier lag das Risiko der Niedrigdosis-Gruppe mit
0,03% hochsignifikant unter dem der Hochdosis-Gruppe (1,4%). Die SEARCH-Studie (5) scheint also zu bestätigen,
dass die mit niedriger Statindosis und mäßiger Senkung des LDL-C erreichte
günstige Wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte durch eine höhere Dosierung und
stärkere LDL-C-Senkung nicht wesentlich verbessert werden kann.
Die Mega-Metaanalyse der Cholesterol Treatment
Trialists (CTT) kommt zu einem etwas anderen Ergebnis (6). Sie analysierte die
Behandlungsergebnisse von 170.000 Patienten in allen bisher vorliegenden
Studien. 21 waren plazebokontrolliert und fünf verglichen Standarddosis mit
Hochdosis. Die Arbeitsgruppe benutzt eine spezielle Methodik für Metaanalysen,
bei der die individuellen Patientendaten benutzt werden. So sind auch
Ergebnisse in Untergruppen auswertbar. Mit dieser Methode wurde bereits 2005
die erste Metaanalyse erstellt (7). Nun wurde eine Aktualisierung
veröffentlicht unter Berücksichtigung neuerer Untersuchungen (z.B. SEARCH,
s.o,). Aufgenommen wurden Studien (primäre und sekundäre Prävention) mit
mindestens 1000 Probanden und zweijähriger Behandlungsdauer. Letztlich waren
dies fünf Studien, die Statine hoch dosiert mit normal dosiert verglichen
(39.612 Probanden, mediane Beobachtungsdauer 5,1 Jahre) und 21 Studien, die
Statine vs. Plazebo untersuchten (129.526 Probanden, mediane Beobachtungsdauer
4,8 Jahre).
Betrachtet man alle kardiovaskulären Ereignisse
(definiert als koronare Ereignisse, koronare Revaskularisation oder
Schlaganfall) fand sich ein RR von 0,85 (95%-CI: 0,82-0,89) zu Gunsten der
Hochdosis. Auch das RR Statin vs. Plazebo war mit 0,78 (95%-CI: 0,76-0,81)
zu Gunsten des Verums. In beiden Vergleichen resultiert eine Number needed to
treat (NNT) von 125 für den kombinierten Endpunkt. Die Details sind in
Tab. 1a und 1b dargestellt, so z.B. auch, dass die koronare Letalität
unter der hohen Statindosis im Vergleich zur Standarddosis nicht signifikant
geringer war. Auch hinsichtlich der Gesamtletalität zeigte sich kein Vorteil
durch die Hochdosis-Behandlung.
Der wesentliche Vorteil von Metaanalysen mit
individuellen Patientendaten ist es, dass verlässliche Subgruppenanalysen
durchgeführt werden können, denn in allen Gruppen stehen ausreichend viele
Patienten zur Verfügung. Für die Zielgröße „alle großen vaskulären Ereignisse”
fand sich nahezu konstant eine Reduktion des RR von ca. 20% je 1 mmol/l (= 38,7
mg/dl) Senkung des LDL-C bei vielen Subgruppen (Geschlecht, Alter, Body Mass
Index, koronare Vorerkrankung, arterielle Hypertonie, Diabetes, Raucher, LDL-C-Konzentration).
Auch für Subgruppen mit unterschiedlichem Ausgangswert des LDL-C zeigte sich
ein gleicher Nutzen. Als unerwünschte Wirkung wird ausschließlich über
Myopathien berichtet, die bis zur Rhabdomyolyse fortschritten. Es zeigte sich
unter der Hochdosis eine statistisch signifikante Erhöhung um vier Fälle pro
10.000 (95%-CI: 0,08-7,92) gegenüber der Standarddosis. Für diese Erhöhung
seien vor allem zwei Studien verantwortlich, SEARCH (5) und A to Z trial (9):
In beiden wurde Simvastatin 80 mg/d gegen Simvastatin 20 mg/d
verglichen. Im Vergleich von Statin mit Plazebo fand sich keine statistisch
signifikante Häufung solcher UAW.
Diskussion:
In der SEARCH-Studie wurden mit 80 mg/d Simvastatin keine signifikant
günstigeren Effekte auf den primären Endpunkt „Major coronary events” gesehen
im Vergleich zu der Gruppe, die mit 20 mg/d behandelt wurde, aber
Myopathien waren bei Hochdosis häufiger. Die CTT-Metaanalyse zeigt bei
zusammenfassender Auswertung der vorhandenen Daten eine signifikante
Überlegenheit der höheren Statindosis bezüglich LDL-C-Senkung und der
vaskulären Endpunkte, nicht aber der kardialen oder der Gesamtletalität. Die
absoluten Risikodifferenzen liegen zwischen 0,8% und 0,2%, d.h. es müssen 125
bis 500 Patienten behandelt werden, um einem Patienten einen Endpunkt zu
ersparen (NNT). Ähnliche Risikoreduktionen werden übrigens auch erreicht durch
die normal dosierte Statintherapie im Vergleich zu Plazebo. Die CTT-Metaanalyse
wird auch kritisch kommentiert: Die eingeschlossenen Studien seien so
heterogen, dass sich eine Metaanalyse verbiete. Außerdem seien einige der
Studien fehlerhaft konzipiert, andere mit einer nicht transparenten Methodik in
die Metaanalyse integriert worden.
In den in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien
wurden alle Patienten ohne Berücksichtigung ihres Risikoprofils und der
aktuellen LDL-C-Werte behandelt. Hochrisikopatienten haben bei gleicher
relativer Risikoreduktion eine größere absolute Risikoreduktion, eine höhere
Dosis ist daher möglicherweise vorteilhaft. Die seit langem schwelende Frage,
ob die Dosierung an die sich ergebenden LDL-C-Konzentrationen angepasst werden
(„treat to target”) oder ob eine einmal festgesetzte Dosis unverändert gegeben
werden soll („fire and forget”) kann trotz des gewaltigen Zahlenmaterials immer
noch nicht beweisend beantwortet werden. Dazu wäre ein direkter Vergleich der
Methoden erforderlich. Aber eine intensivere Statintherapie bewirkt wahrscheinlich
eine - wenn auch geringe - zusätzliche Risikoreduktion. Es bleibt dabei
ungelöst, welche und wie viele Patienten von einer an Risiko und LDL-C-Konzentration
angepassten Dosierung tatsächlich profitieren, denn das wurde nicht untersucht.
Es ist ein Mangel der CCT-Studie, dass keine Untergruppen mit unterschiedlichen
Ausgangsrisiken und Dosierungsschemata gebildet worden sind. „Die Intensität
der Therapie muss sich nach dem Gesamtrisiko richten. Die relative
Risikoreduktion ändert sich nicht wesentlich mit dem Gesamtrisiko. Der
klinische Nutzen hängt mehr von der absoluten Risikoreduktion (bzw. NNT) ab als
von der relativen Risikoreduktion. Patienten mit einem deutlich erhöhten
kardiovaskulären Gesamtrisiko sollten eine lipidsenkende Therapie erhalten.” So
einfach und doch differenziert beantwortet der Autor des Editorials im gleichen
Heft des Lancet die Frage (8). Dieser Meinung schließen wir uns an. Ein erhöhtes
LDL-C allein ist nur selten ein Grund zur Behandlung. Auf das Gesamtrisiko
kommt es an.
Literatur
- AMB 2005, 39,70b
und Nutzenbewertung der Statine: www.iqwig.de 
- Cannon, C.P., et al. (PROVE IT-TIMI 22 = PRavastatinOr atorVastatin Evaluation and Infection Therapy- Thrombolysis In Myocardial Infarction 22):N. Engl. J. Med. 2004, 350, 1495.

- LaRosa, J.C., et al. (TNT = Treating to NewTargets): N. Engl. J. Med. 2005, 352, 1425.

- Pedersen, T.R., et al. (IDEAL = Incremental Decreasein End points through Aggressive Lipid lowering): JAMA2005, 294, 2437
. Erratum: JAMA 2005, 294,3092.
- SEARCH Collaborative Group (= Studyof the Effectiveness of Additional Reductions in Cholesteroland Homocysteine): Lancet 2010, 376, 1658.

- Baigent, C., et al. (CTT = CholesterolTreatment Trialists’ collaboration): Lancet 2010, 376,1670.

- Baigent, C., et al. (CTT = CholesterolTreatment Trialists' collaboration): Lancet 2005, 366,1267 16214597.

- Cheung, B.M., undLam, K.S.: Lancet 2010, 376, 1622.

- de Lemos, J.A., et al. (A to Z trial = Aggrastatto Zocor): JAMA 2004, 292, 1307.

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