Die Zahl der Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz (CNI) und mit dialysepflichtigem Nierenversagen ist in den
letzten Jahren weltweit kontinuierlich gestiegen. Eine Reihe von Studien zeigte,
dass die medikamentöse Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS)
durch ACE-Hemmer (ACEH) oder Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) das
Fortschreiten der CNI deutlich verlangsamt (1-3). Eine kritische Durchsicht der
Literatur lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob diese günstigen Ergebnisse auch
für Patienten mit nicht-diabetischer Nephropathie, fehlender Proteinurie oder für
ältere Patienten mit generalisierter Arteriosklerose zutreffen (4, 5).
Eine Arbeitsgruppe aus England publizierte jetzt eine
prospektive Beobachtungsstudie, in der bei 52 Patienten mit fortgeschrittener
CNI im Stadium IV und V, d.h. einer errechneten glomerulären Filtrationsrate
(eGFR) von < 30 ml/min/1,73 m2, eine mindestens 12
Monate vorbestehende Medikation mit ACEH oder AT-II-RB abgesetzt wurde (6). Bei
Studienbeginn betrug die durchschnittliche eGFR 16,4 ± 1 ml/min,
die Proteinurie (Protein/Kreatinin-Ratio im Spoturin = PCR) 77 ± 20
mg/mmol und das mittlere Alter 73 Jahre. 46% der Patienten waren Diabetiker.
Zur kompensatorischen Behandlung einer arteriellen Hypertonie wurde Amlodipin
verordnet und die vorbestehende Furosemid-Dosis erhöht. Bei Patienten mit
symptomatischer Herzinsuffizienz wurde die RAAS-Blockade durch ein Nitrat und
Hydralazin sowie ein Schleifendiuretikum ersetzt.
12 Monate nach Beendigung der Medikation mit ACEH
oder AT-II-RB war die eGFR signifikant von 16,4 ± 1 auf
26,6 ± 2,2 ml/min/1,73 m² angestiegen. Das gleiche Ergebnis
zeigte sich bei getrennter Auswertung diabetischer und nicht-diabetischer
Patienten. 61,5% hatten einen Anstieg der eGFR von mindestens 25%. Diese
Verbesserung persistierte bei den meisten Patienten über 24 Monate. Bei 36,5%
der Patienten stieg die eGFR sogar um mehr als 50% an. In den 12 Monaten vor
Beendigung der RAAS-Blockade war der eGFR-Slope signifikant negativ: -0,39 ± 0,07.
Dieser ungünstige Verlauf kehrte sich 12 Monate nach Beendigung der RAAS-Blockade
um: +0,48 ± 0,1 (p = 0,0001).
Der mittlere arterielle Blutdruck (MAD) stieg von
90 ± 1,8 auf 94 ± 1,3 mm Hg an (p = 0,02).
Die Beendigung der RAAS-Blockade hatte keinen signifikanten Einfluss auf die
Proteinurie: PCR vorher 77 ± 20, nachher 121,6 ± 33,6 mg/mmol,
auch in der Subgruppe der Patienten mit Diabetes mellitus. Dies könnte ein
Hinweis darauf sein, dass der Einfluss von ACEH und AT-II-RB auf die
Proteinurie bei weit fortgeschrittener CNI gering ist. Die Ursache für die
Proteinurie in diesem Stadium ist vermutlich eine schwere Glomerulosklerose und
nicht, wie in früheren Stadien, hämodynamische Veränderungen und glomeruläre
Hypertonie, die durch eine RAAS-Blockade beeinflusst werden können.
Fazit: Bei
weit fortgeschrittener Niereninsuffizienz kann die Beendigung einer medikamentösen
Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems durch ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker
zu einer Verbesserung der Nierenfunktion führen. Diese kleine Beobachtungsstudie
sollte Anlass sein, die Verordnung von RAAS-Inhibitoren bei fortgeschrittener
Niereninsuffizienz systematisch zu untersuchen.
Literatur
- Casas, J.P., etal.: Lancet 2005, 366, 2026.

- Lewis, E.J., etal.: N. Engl. J. Med. 1993, 329, 1456
. Erratum: N. Engl. J. Med. 1993, 330, 152.
- AMB 2001, 35,73
; AMB 2002, 36, 01 ; AMB 2003, 37,13a ; AMB 2004, 38, 91 ; AMB 2008,42, 35. 
- Onuigbo, M.A.:QJM 2009, 102, 155.

- Onuigbo, M.A.,und Onuigbo, N.T.: Int. Urol. Nephrol. 2008, 40, 233.

- Ahmed, A.K., etal.: Nephrol. Dial. Transplant. 2010, 25, 3977.

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