Zusammenfassung: Ergebnisse einer
monozentrischen Studie (5) zeigen, dass nach Anlage eines koronaren Stents bei
41,7% der Patienten die Aggregation der Thrombozyten mit der Standardtherapie
(100 mg/d ASS plus 75 mg/d Clopidogrel) unzureichend gehemmt ist.
Jeder Dritte hat in einem Thrombozytenfunktionstest eine verminderte
Clopidogrel- und jeder Fünfte eine verminderte ASS-„Response”. Durch Steigerung
der Tagesdosen von ASS bzw. Clopidogrel lässt sich diese „Resistenz” zum Teil
überwinden. Alternativ kommt ein Wechsel auf einen anderen Adenosindiphosphat (ADP)-Rezeptor-Blocker in Betracht. Da mit der
Dosissteigerung sehr wahrscheinlich auch das UAW-Risiko steigt, raten wir
derzeit dazu, solange entsprechende Studien fehlen, Thrombozytenfunktionstests
nur bei klinischem Therapieversagen (Stent-Thrombose, Reinfarkte, „Target
lesion-Revaskularisation”) oder hohem Risiko für eine Stent-Thrombose (mehrere
benachbarte Drug eluting Stents, komplexe Interventionen) durchzuführen und die
plättchenhemmende Therapie nach diesen Testergebnissen auszurichten (s.
Abb. 1).
Einige Patienten, die nach Anlage
koronarer Stents eine duale Plättchenhemmung mit ASS plus einem
ADP-Rezeptor-Blocker (Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin) erhalten, sind gegen
eine oder sogar beide Wirkstoffklassen „resistent”. Resistent bedeutet, dass
bei einem Thrombozytenfunktionstest unter laufender Therapie mehr als 50% der
Thrombozyten noch funktionstüchtig sind und aggregieren (1). Diese Patienten
werden auch als „Low- oder „Non-Responder” bezeichnet.
Ein vermindertes In-vitro-Ansprechen auf
die Plättchenhemmung ist mit einer schlechteren Prognose von Patienten mit
Stent oder nach akutem Koronarsyndrom assoziiert. Nach einer Metaanalyse der
publizierten Studien zur „Aspirinresistenz” errechnet sich eine Odds Ratio von
3,78 (95%-CI: 2,34-6,11) für eine schlechtere kardiovaskuläre Prognose (2). In
einer Substudie der TRITON-TIMI 38-Studie (Vergleich von Clopidogrel plus ASS
vs. Prasugrel plus ASS bei akutem Koronarsyndrom und Stent) wurden die Seren
von 1744 Patienten auf ein genetisch bedingtes Minderansprechen auf Clopidogrel
untersucht (3). Diese Analyse ergab, dass die Merkmalträger
(Clopidogrel-„Low-Responder”) ebenfalls signifikant schlechter abschnitten,
sowohl hinsichtlich des kombinierten kardiovaskulären Endpunkts (12,1% vs. 8%)
als auch des Risikos, eine Stent-Thrombose zu erleiden (2,6% vs. 0,8%). Vor
diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht jeder Patient, der eine
duale Plättchenhemmung erhält, nicht nur auf eine „Low- oder No-Response” auf
ASS, sondern auch auf den ADP-Rezeptorblocker untersucht werden muss, um die
Therapie nach Maß zu schneidern. Bislang war dies aus zwei Gründen nicht
sinnvoll: zum einen, weil es keinen akzeptierten Goldstandard für
Thrombozytenfunktionstests gibt und zum anderen, weil unklar ist, wie mit einem
„Low-Responder” umzugehen ist.
Zu den Thrombozytenfunktionstests ist zu
bemerken, dass viele angeboten und verwendet werden, jedoch die Rate der
„Low-Responder” je nach verwendetem Test stark variiert (vgl. 4). So fand man
bei denselben Seren, die mit sechs verschiedenen Tests untersucht wurden, eine
„Aspirinresistenz” zwischen 6% und 60% (5). Die Validität der Tests ist also
sehr in Frage zu stellen. Wie wäre nun mit den „Low-Respondern” zu verfahren,
stünde ein guter Test zur Verfügung?
Eine prospektive monozentrische
Interventions-Studie aus Bochum könnte den Weg weisen (6). In dieser als
BOCLA-Plan bezeichneten Studie wurde ein fixer Algorithmus bei pathologischen Testergebnissen
geprüft. 504 Patienten (mittleres Alter 64,3 Jahre, 30,5% Frauen) erhielten
nach koronarer Stent-Implantation, wie allgemein üblich, eine Loading-Dosis
(500 mg ASS, 600 mg Clopidogrel) und danach eine Dauertherapie mit
täglich 100 mg ASS und 75 mg Clopidogrel. Nach 48, spätestens aber 72
Stunden, erfolgte eine Thrombozytenfunktionsdiagnostik mit der sog. Whole Blood
Aggregometry, die nach Angaben der Autoren billig ist und nur zehn Minuten
dauert. Hierbei wurden die Thrombozyten der Patienten mit ADP für die
„Clopidogrel-Response” und mit Arachidonsäure für die „ASS-Response”
stimuliert.
Bei 19,4% der Patienten wurde ein
vermindertes Ansprechen auf 100 mg ASS gefunden und bei 30,8% auf
75 mg Clopidogrel. 8,5% der Patienten sprachen auf beide Plättchenhemmer
schlecht an („doppelte Low-Response”). Risikofaktoren für eine „Low-Response”
waren unter anderem ein akutes Koronarsyndrom (OR: 1,94;
CI: 1,08-3,48; p = 0,03), Diabetes mellitus (OR: 1,78;
CI: 1,08-2,94; p = 0,03), eine erhöhte Konzentration des CRP und
erhöhte Thrombozytenwerte (p = 0,02).
Im Falle einer „Low-Response” wurde nach
einem festen Plan reagiert: Clopidogrel wurde erneut mit 600 mg „geloadet”
und dann die Erhaltungsdosis auf 150 mg/d verdoppelt. Bestand bei
Kontrollmessungen weiterhin eine Low Response, wurde auf einen anderen
ADP-Rezeptorblocker gewechselt: entweder auf Ticlopidin (Loading 500 mg,
Dauertherapie 250 mg/d) oder - nach der Zulassung – auf Prasugrel (Loading
60 mg, 10 oder 20 mg/d Erhaltungsdosis). Bestand weiterhin eine
unzureichende „Response”, wurde die Diagnose „Non-Responder” gestellt. Bei
diesen sollte pragmatisch mit 150 mg/d Clopidogrel weiterbehandelt werden.
Alle Patienten, die erhöhte Dosen eines ADP-Rezeptorblockers erhielten, durften
wegen der befürchteten höheren Blutungsgefahr die duale Plättchenhemmung nur
vier Wochen (Bare metal Stent) bzw. sechs Monate (Drug eluting Stent)
einnehmen.
Alle „ASS-Low-Responder” wurden erneut mit
500 mg ASS geloadet und erhielten dann 300 mg/d ASS und bei weiterbestehendem
ungenügendem Ansprechen 500 mg/d. Bestand danach weiterhin keine
ausreichende Hemmung, wurde die Diagnose „ASS Non-Responder” gestellt.
Ergebnisse: Ein vermindertes Ansprechen auf ASS konnte bei allen
Patienten durch eine Steigerung der Dosis überwunden werden, d.h. es wurden
also per Definition keine „ASS-Non-Responder” gefunden. Eine
Clopidogrel-Resistenz konnte dagegen bei 9,5% aller Patienten durch die
Verdopplung der Dosis nicht überwunden werden. Durch eine Umstellung von
Clopidogrel auf Ticlopidin gelang es jedoch, nochmals bei 3,9% der Patienten
die Thrombozyten ausreichend zu hemmen, so dass nur bei 5,6% der Patienten die
Diagnose „Non-Responder” gestellt wurde. Als nach seiner Zulassung Prasugrel
anstelle von Ticlopidin verordnet wurde, konnten die Thrombozyten aller
Patienten, die auf Clopidogrel nicht ansprachen, adäquat gehemmt werden. In
dieser Kohorte gab es keine „Non-Responder” mehr auf eine
ADP-Rezeptor-Blockade.
Kritisch sei angemerkt, dass den
Arzneimittelinteraktionen in dieser Studie zu wenig Beachtung geschenkt wurde.
So hatten immerhin 40% der „Clopidogrel Low-Responder” einen
Protonenpumpenhemmer als Dauermedikation, der die Aktivierung des Clopidogrels
behindert haben könnte. Man hätte vor einer Dosissteigerung zunächst die
problematische Komedikation absetzen müssen. Warum sollte man nun nicht gleich
alle Patienten mit höherer Dosis ASS und Prasugrel behandeln und auf die
Testung verzichten? Erstens, weil nicht jeder Patient so hohe Dosen benötigt
und zweitens, weil das Blutungsrisiko mit höherer Dosis steigt. Eine
maßgeschneiderte Therapie aus Sicherheits- und ökonomischen Überlegungen heraus
erscheint uns als der richtige Weg. Ob aus der von den Autoren vorgeschlagenen
Strategie „test and treat” bei der dualen Plättchenhemmung am Ende auch ein
klinischer Nutzen für die Patienten resultiert, müssen laufende randomisierte,
prospektive Studien zeigen (7). Solange sollte aus unserer Sicht nur bei Bedarf
getestet werden, etwa bei klinischem Therapieversagen oder hohem Risiko für
eine Stentthrombose (s. Abb. 1).
Literatur
- Smith, S.C., et al.: Circulation2006, 113, 156.

- Snoep, J.D, et al.: Arch.Intern. Med. 2007, 167, 1593.

- Mega, J.L., et al. (TRITON-TIMI 38 = TRial to assess Improvementin Therapeutic Outcomes by optimizing platelet InhibitioNwith prasugrel 38 - Thrombolysis In Myocardial Infarction38): N. Engl. J. Med. 2009, 360, 354.

- AMB 2002, 36, 62a
und AMB2006, 40, 16. 
- Lordkipanidzé, M., et al.: Eur.Heart J. 2007, 28, 1702.

- Neubauer, H., et al. (BOCLA-Plan = BOchum CLopidogreland Aspirin Plan): BMS Med. 2011, 9, 3.

- GRAVITAS = Gauging Responsiveness with AVerifynow assay-Impact on Thrombosis And Safety.

- Mani, H., et al.:Hämostaseologie 2010, 30, 217.

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