Das mittlere Alter von Frauen bei Diagnose eines
Mammakarzinoms ist etwa 61 Jahre, aber 6% der Patientinnen sind jünger als 40
Jahre. Bei diesen jungen Frauen ist die Prognose des Karzinoms schlechter als
bei älteren Frauen, und meist folgt auf die Operation eine Chemo- und/oder Strahlentherapie.
Eine Chemotherapie im prämenopausalen Alter erhöht das Risiko für eine primäre
Ovarialinsuffizienz durch Zunahme der Apoptose von Oozyten in Primordialfollikeln
und Unterbrechung der Follikelreifung (1). Setzt bei einer Frau, die prätherapeutisch
regelmäßig menstruiert hat, innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer
Chemotherapie die Regelblutung nicht wieder ein, spricht das für eine durch die
Therapie induzierte vorzeitige Menopause. Bestätigt wird dieser Befund durch ein
permanent erhöhtes FSH im Blut und einen sehr niedrigen Wert des sogenannten
Anti-Müller-Hormons (AMH). Dieses zeigt die Zahl der noch vorhandenen Eizellen
an. Manchmal sind aber auch trotz Amenorrhö die Serum-Spiegel von Estradiol
noch im prämenopausalen Bereich und das FSH ist nicht erhöht, d.h. die
Amenorrhö ist hier nicht immer gleichbedeutend mit zu früher Menopause.
Haben Frauen dieser Altersgruppe bereits Kinder und
keinen weiteren Kinderwunsch, dann möchten viele dennoch eine vorzeitige
Menopause mit den damit oft verbundenen sexuellen Problemen vermeiden. Sind
noch keine Kinder da, dann ist das Problem der Chemotherapie-induzierten Infertilität
vordringlich. Dies sollte rechtzeitig und ausführlich vor jeder Chemotherapie
mit den Frauen besprochen und eventuell Methoden zur Vermeidung der
Infertilität aufgezeigt werden.
Eine Methode, die Aussicht auf Nachwuchs zu
verbessern, ist die prätherapeutische laparoskopische Entnahme von Oozyten nach
Hormonstimulation der Ovarien. Die Oozyten oder die Embryonen nach In-vitro-Fertilisation
(IVF) können dann kryokonserviert werden. Diese Methode mit späterer
Einpflanzung in den Uterus ist relativ erfolgreich (2). Sie verzögert aber den Beginn
der Chemotherapie und ist nicht immer durchzuführen. Embryonen nach IVF können
nur konserviert werden, wenn die Patientin einen männlichen Partner hat.
Eine andere versuchte Methode ist die Unterdrückung
der Ovarfunktion während der Chemotherapie durch kontinuierliche Verabreichung
von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Analoga. Hierdurch wird die normalerweise
pulsatile Inkretion von FSH und LH durch die Hypophyse und somit auch die
Ovarialfunktion unterdrückt. Es bestand die Hoffnung, dass die Ovarien während
dieser „Ruhigstellung” weniger durch die Chemotherapie geschädigt werden. Der
Wirkmechanismus ist jedoch nicht klar. Mehrere Vergleichsstudien von
Chemotherapie versus Chemotherapie plus Goserelin oder Triptorelin
(GnRH-Analoga) zeigten widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich Erhaltung der
Ovarialfunktion bzw. Fertilität. Werden nur randomisierte Studien
berücksichtigt, scheint die GnRH-Therapie nützlich zu sein. Die Ergebnisse sind
aber laut einem systematischen Review statistisch nicht signifikant (3).
Im JAMA veröffentlichten L. Del Mastro et al. aus
Italien kürzlich die Ergebnisse der in 16 Behandlungszentren durchgeführten
PROMISE-GIM-6-Studie, in die 281 Frauen mit Brustkrebs ohne Metastasen im
Stadium I bis III zwischen Oktober 2003 und Januar 2008 eingeschlossen wurden (4).
Alter: 18 bis 45 Jahre, mittleres Alter 39 Jahre, 66% älter als 40 Jahre. Bei
ca. 80% der Frauen waren die Tumore Estrogen- und/oder Gestagen-Rezeptor-positiv.
Die meisten dieser Frauen wurden nach Operation und Chemotherapie fünf Jahre lang
mit Tamoxifen, einem Estrogen-Rezeptor-Antagonisten, behandelt. Bei ca. 20% waren
die Tumore Hormonrezeptor-negativ, so dass keine auf die Mamma zielende antihormonelle
Therapie erfolgte.
Alle Frauen wurden zentral in zwei Gruppen
randomisiert: Gruppe 1: nur Chemotherapie (median 16 Wochen lang, 6-8
Zyklen, überwiegend Anthrazyklin- oder Taxan-basiert). Gruppe 2: gleiche Chemotherapie
und zusätzlich während der gesamten Chemotherapie alle vier Wochen 3,75 mg
Triptorelin (GnRH-Analogon; Decapeptyl®, Pamorelin®,
Salvacyl®) i.m., beginnend eine Woche vor Chemotherapie. Frauen mit
Rezeptor-positiven Brusttumoren, die nach Beendigung der Chemotherapie unter
Tamoxifen spontan zu menstruieren begannen, erhielten weitere zwei Jahre lang erneut
Triptorelin-Injektionen, vermutlich, um das Ovar vor möglichen toxischen
Wirkungen von Tamoxifen zu schützen. Mit anderen Worten: eine komplizierte
Studie.
Ergebnisse:
Gemessen an dem mehr als einjährigen Ausbleiben der Regelblutung und parallel
gemessenen Estradiol- und FSH-Werten im Serum hatte folgender Anteil der Hormonrezeptor-negativen
Frauen (n = 51) nach Beenden der Chemotherapie bzw. der
Triptorelin-Behandlung eine normale Ovarialfunktion: 74% in Gruppe 1 und
91% in Gruppe 2. Der Gewinn durch die zusätzliche GnRH-Therapie betraf also
absolut 17% der Frauen. Bei 226 Hormonrezeptor-positiven Frauen, also
der großen Mehrheit, hatten in Gruppe 1 44% und in Gruppe 2 55% wieder
regelmäßige Menstruationen. Das heißt, die Hormonrezeptor-positiven Frauen profitierten
kaum von der Triptorelin-Therapie. Die schlechteren Ergebnisse in dieser Gruppe
könnten auch dafür sprechen, dass die Behandlung mit Tamoxifen ein zusätzliches
Risiko für eine vorzeitige Menopause ist.
In einem lesenswerten Editorial von H.S. Rugo und
M.P. Rosen aus San Francisco (5) im gleichen Heft von JAMA erfährt man dann,
dass die Studie von Del Mastro et al. ursprünglich 420 Patienten einschließen
sollte, aber wegen ausbleibender Finanzierung vorzeitig beendet wurde. Diese
Autoren heben hervor, dass sich die teilweise positiven Ergebnisse einer
zusätzlichen Therapie mit Triptorelin nur auf Frauen mit dem eher seltenen
Rezeptor-negativen Brustkrebs beziehen. Bisher fehlen für diese Studie Langzeit-Ergebnisse
hinsichtlich Karzinomrezidiven und Letalität. An der Studie ist auch zu
kritisieren, dass die Mehrheit der eingeschlossenen Frauen älter als 40 Jahre
war und dass die Erhaltung der Fertilität – sie ist nicht gleichbedeutend mit
regelmäßigen Monatsblutungen - in dieser Altersgruppe keine große Bedeutung
mehr hat. Rugo und Rosen (5) empfehlen jungen Frauen mit Brustkrebs und
Kinderwunsch die Kryokonservierung von Oozyten oder Embryonen vor der Chemotherapie
als Mittel der Wahl. Einen guten Überblick über dieses Thema gibt auch ein
Artikel von E. Petru aus Graz (6).
Fazit:
Junge Frauen mit Brustkrebs, bei denen eine Chemotherapie durchgeführt werden
muss, haben ein erhöhtes Risiko für Infertilität. Bei Frauen dieser
Altersgruppe mit der eher seltenen Rezeptor-negativen Brustkrebsform scheint
eine die Ovarialfunktion supprimierende Therapie mit einem GnRH-Agonisten parallel
zur Chemotherapie das Risiko einer frühzeitigen Menopause zu reduzieren. Ob
diese Therapie auch die Fertilität verbessert, ist nicht klar. Bei Frauen mit der
häufigeren, Rezeptor-positiven Form des Mammakarzinoms hatte die
Triptorelin-Therapie kaum Erfolg.
Literatur
- Warne, G.L., et al.: N.Engl. J. Med. 1973, 289, 1159.

- Lee, S.J., et al.: J.Clin. Oncol. 2006, 24,2917
. Erratum: J. Clin. Oncol. 2006, 24, 5790.
- Kim, S.S., et al.: Clin. Obstet.Gynecol. 2010, 53, 740.

- Del Mastro, L., et al. (PROMISE-GIM6 = PRevention OfMenopause Induced by chemotherapy: A Study in Earlybreast cancer patients-Gruppo Italiano Mammella 6):JAMA 2011, 306, 269.

- Rugo, H.S., und Rosen,M.P.: JAMA 2011, 306, 312.

- Petru, E.: Wien. Med. Wochenschr.2010, 160, 487.

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