In Stockholm wurden im letzten Jahr über eine Million
Einwohner mit dem monovalenten adjuvantierten Schweinegrippe-Impfstoff
Pandemrix® (GlaxoSmithKline, Middlesex, UK) geimpft. Jetzt wurde
eine retrospektive Kohortenstudie im BMJ publiziert, in der bestimmte
neurologische und autoimmune Ereignisse nach der Impfung (n = 1.024.019)
mit der Inzidenz dieser Ereignisse im selben Zeitraum in der nicht-geimpften
Bevölkerung (n = 921.005) von Stockholm in multivariater Testung verglichen
wurden (1).
Durch die gute Registrierung in Schweden ist es
möglich, die Bevölkerung hinsichtlich ihrer Kontakte mit dem Gesundheitssystem
lückenlos zu erfassen. Es wurden ICD-Kodierungsnummern mit der
Patientenidentitätsnummer zusammengebracht, um bestimmte Ereignisse wie
Guillain-Barré-Syndrom, Fazialislähmung, Multiple Sklerose, Polyneuropathie,
Gefühlsstörungen, Rheumatoide Arthritis, entzündliche Darmerkrankungen und Typ
1-Diabetes zu erfassen. Die Größe der Population erlaubte auch Rückschlüsse auf
seltene Ereignisse wie z.B. das Guillain-Barré-Syndrom. Die Nachbeobachtung
betrug 8-10 Monate.
In dieser Studie war das Guillain-Barré-Syndrom in
der Impfgruppe nicht häufiger. Auch die Inzidenz von Diabetes mellitus Typ 1,
Rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerose war in der Impfgruppe nicht höher.
Allerdings kam es bei den Zuerst-Geimpften (innerhalb von 46 Tagen nach Beginn
der Impfkampagne) vermehrt zu Fazialislähmungen (Hazard ratio = HR:
1,34; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,11-1,64), Parästhesien
(HR: 1,25; CI: 1,10-1,41) und entzündlichen Darmerkrankungen
(HR: 1,25; CI: 1,04-1,50). Diese UAW traten vermehrt innerhalb der
ersten sechs Wochen nach der Impfung auf.
Auffällig sind die entzündlichen Darmerkrankungen, die
besonders bei den Zuerst-Geimpften auftraten. In dieser Gruppe befand sich auch
der Großteil der Patienten, die wegen spezieller gesundheitlicher Risiken vorrangig
vor der Schweinegrippe geschützt werden sollten. Hierunter waren wahrscheinlich
auch vermehrt Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Sie haben
vermutlich durch die Impfung und die damit verbundene Aktivierung des
Immunsystems einen Schub bekommen. Gerade von dieser Gruppe hatte man sich
erhofft, dass sie von der Impfung profitiert.
Fazit: Bei
retrospektiver Analyse einer großen Kohorte (gesamte Bevölkerung von Stockholm),
die zu über der Hälfte mit Pandemrix® gegen Schweinegrippe geimpft
worden war, fand sich das Guillain-Barré-Syndrom, eine der am meisten gefürchteten
UAW der Schweinegrippe-Impfung, in der Impfgruppe nicht häufiger, jedoch andere
neurologische Erkrankungen. Häufiger waren nach der Impfung auch Aktivierungen entzündlicher
Darmerkrankungen.
Literatur
- Bardage, C., et al.: BMJ 2011, 343, d5956.

|