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Prostatabeschwerden: Extrakte aus Sägepalmen-Früchten nicht besser wirksam als Plazebo

In Deutschland und auch in den USA nehmen viele Männer wegen Beschwerden bei benigner Prostatahyperplasie (BHP; engl. LUTS = Lower Urinary Tract Symptoms) pflanzliche Prostatamittel ein, besonders Extrakte aus Früchten der Sägepalme (Serenoa repens wächst in Nordafrika und in den Südstaaten der USA), Trockenextrakte aus Brennesselwurzeln und Phytosterol. Eine Cochrane-Metaanalyse von 2002 kam noch zu dem Ergebnis, dass Sägepalmen-Extrakte (SPE) bei Patienten mit BPH die Nykturie, das subjektive Beschwerdeempfinden und die Blasenentleerung verbessern (1). Ein zweiter Cochrane-Review von 2009 fand aufgrund neun weiterer Studien nur noch eine gewisse Besserung der Nykturie durch im Mittel 160 mg/d SPE, während der Effekt auf andere Beschwerden nicht signifikant war (2).

Eine amerikanische Studiengruppe von Urologen, die an der Evaluierung von komplementären und alternativen Behandlungsmethoden interessiert ist, führte ab Juni 2008 bis Oktober 2010 eine umfangreiche Studie über die Wirksamkeit von SPE bei 369 Männern mit LUTS durch (3). Die Studie war randomisiert, doppeltblind und plazebokontrolliert. Die Männer waren älter als 44 Jahre und mussten auf der von 0 bis zu 35 Punkten reichenden Symptomenindex-Skala der American Urological Association (AUASI) zwischen 8 und 24 Punkte aufweisen sowie einen Peak Uroflow von mindestens 4 ml/sec haben. Es gab zahlreiche Ausschlusskriterien, besonders aktuelle oder kurz zurückliegende Therapien mit anderen Medikamenten wegen BPH sowie ein PSA-Wert über 10 µg/l.

Die Patienten erhielten 24 Wochen lang täglich eine Gelatinekapsel mit 320 mg SPE der Firma Rottapharm/Madaus, Köln, oder Plazebo. Danach wurde die Dosis (oder Plazebo) verdoppelt und von der 48. bis zur 72. Woche (Studienende) auf drei Kapseln pro Tag gesteigert. Auf diese Weise wollte man ausschließen, dass wegen Unterdosierung ein möglicher therapeutischer Effekt unbemerkt bleibt.

Die Ergebnisse lassen sich kurz zusammenfassen. Keiner der ausgewerteten Parameter, wie AUASI, subjektive Bewertung, Peak Uroflow und Restharn unterschied sich im Laufe der Studie signifikant zwischen Verum und Plazebo. Der mittlere AUASI lag initial in der Verum-Gruppe bei 14,4 Punkten, in der Plazebo-Gruppe bei 14,7 Punkten. Die Beschwerden nahmen im Laufe der Studie in beiden Gruppen etwas ab und lagen unter Verum nach 72 Wochen bei ca. 12,3 und unter Plazebo bei 11,7 Punkten, d.h. Plazebo war nicht signifikant besser als Verum. Unerwünschte Wirkungen (Adverse events) wurden ebenfalls umfangreich erfasst. Sie waren mit insgesamt n = 530 unter Verum numerisch etwas häufiger als unter Plazebo (476), aber nicht signifikant verschieden oder gravierend.

Die Studie wurde aus Mitteln des NIH und anderer nicht privater Institutionen finanziert. Die Firma Madaus stellte die SPE-Kapseln kostenlos zur Verfügung.

Unabhängige Studien, wie diese, sind zu begrüßen, obwohl bei der geringen A-priori- Wahrscheinlichkeit, dass SPE ein wirksames Arzneimittel ist, andere Studienziele wichtiger wären. In der Roten Liste sind 18 SPE-Spezialitäten aufgeführt (!). 100 Kapseln zu 320 mg kosten zwischen 18 und 28 €. Das ist zwar billiger als Alpha-Rezeptorenblocker oder Finasterid, aber nicht mehr wert als Plazebo. Das einzig Positive an SPE kann man darin sehen, dass Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen durch das Ernten der Sägepalmen-Früchte etwas Geld verdienen. Die Herstellung und Vermarktung dieses Plazebos in reicheren Ländern ist aber sicher profitabler.

Fazit: Alkoholische Extrakte aus Sägepalmen-Früchten sind sowohl in niedriger (320 mg/d) als auch hoher Dosierung (960 mg/d) bei Männern mit benigner Prostatahyperplasie (BHP) und Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS) wirkungslos und sogar tendenziell Plazebo unterlegen.

Literatur

  1. Wilt, T., et al.:Cochrane Database Syst Rev. 2002;(3):CD001423: Link zur Quelle
  2. Tacklind, J., et al.,Cochrane Databease Syst.Rev. 2009;(2):CD001423: Link zur Quelle
  3. Barry, M.J., et al.(CAMUS = Complementary and Alternative Medicine for UrologicalSymptoms): JAMA 2011, 306, 1344. Link zur Quelle