Venöse Thromboembolien sind eine gefürchtete Komplikation
bei Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden (1). Es wird geschätzt, dass
ohne medikamentöse Thromboseprophylaxe 10-20% der internistischen und 40-60%
der Patienten nach größeren orthopädischen Eingriffen eine tiefe Beinvenenthrombose
entwickeln (2). Bei beiden Patientengruppen kann diese Komplikation durch eine
medikamentöse Thromboseprophylaxe vermindert werden (2, 3), bei
chirurgischen Patienten darüber hinaus auch Lungenembolien und Todesfälle
unterschiedlicher Ursachen (4). Eine Metaanalyse von fünf Studien ergab
Hinweise, dass durch die medikamentöse Thromboseprophylaxe bei internistischen
Patienten zwar die Zahl von Lungenembolien gesenkt werden kann, nicht aber die
der Todesfälle (5). Trotz dieser nicht eindeutigen Datenlage empfehlen die
meisten Richtlinien eine Thromboseprophylaxe bei akut kranken internistischen
Patienten im Krankenhaus (2, 6). In einer aktuellen Studie wurde nun der
wichtigen Frage nachgegangen, ob durch eine medikamentöse Thromboseprophylaxe bei
akut kranken internistischen Krankenhauspatienten Todesfälle verringert werden (7).
Hierzu wurden multizentrisch 8.307 internistisch kranke Patienten
in zwei Gruppen randomisiert und doppeltblind prospektiv mit dem
niedermolekularen Heparin Enoxaparin (40 mg/d s.c.) plus
Kompressionstrümpfen bzw. mit Plazebo plus Kompressionsstrümpfen
10 ± 4 Tage lang behandelt. Die Patienten waren 40 Jahre oder älter und
lebten in China, Indien, Korea, Malaysia, Mexiko, den Philippinen und Tunesien.
Sie litten an dekompensierter Herzinsuffizienz, schweren systemischen
Infektionen aber auch Krebserkrankungen. Der primäre Endpunkt der Studie war
Tod während 30 Tagen nach Beginn der Teilnahme. Der primäre Sicherheitsendpunkt
der Intervention war das Auftreten großer Blutungen während der Behandlung bis
zu 48 Stunden danach.
Die Letalität innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der
Intervention war 4,9% in der Enoxaparin- und 4,8% in der Plazebo-Gruppe
(Risiko-Ratio = RR: 1,0; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,8-1,2;
p = 0,83). Große Blutungen traten bei 0,4% der Patienten in der
Enoxaparin- und bei 0,3% in der Plazebo-Gruppe auf (RR: 1,4; CI: 0,7-3,1;
p = 0,35). Durch Enoxaparin konnte also die Letalität bei diesen akut
kranken internistischen Krankenhauspatienten nicht gesenkt werden.
Die Studie hat allerdings einen Schwachpunkt. Die
Teilnehmerzahl wurde auf eine erwartete Letalität von 7% berechnet. Tatsächlich
betrug sie aber nur 5%. Dadurch verringerte sich die „statistische Power” auf
nur noch 77%, um eine 25%ige Reduktion der Letalität durch die Intervention zu
entdecken. Allerdings war die Letalität an den Tagen 14, 30 und 90 in beiden
Gruppen gleich hoch, was doch dafür spricht, dass das niedermolekulare Heparin
die Gesamtletalität nicht beeinflusst hat. Tatsächlich konnten nur ein
Todesfall in der Kontroll- und zwei in der Enoxaparin-Gruppe auf eine
Lungenembolie zurückgeführt werden. Möglicherweise werden durch Heparin bei internistischen
Patienten nicht so sehr Lungenembolien, sondern eher Myokardinfarkte
verhindert. Dies könnte den Vorteil von Heparin in anderen Studien erklären
(4). Unterschiede in der Inzidenz von Lungenembolien zwischen Asiaten und
Europäern könnten ebenfalls theoretisch zu diesem Ergebnis beigetragen haben,
obwohl in neueren Untersuchungen kein großer Unterschied gefunden wurde
(8, 9). Das Ziel dieser Studie war es allerdings nicht, zu widerlegen,
dass Enoxaparin bei asymptomatischen tiefen Beinvenenthrombosen die Inzidenz
von Lungenembolien verringert (3, 12). Ein möglicher positiver Effekt von
Heparin bei diesen Patienten auf eventuelle spätere Komplikationen, z.B.
postthrombotisches Syndrom oder thromboembolisch verursachte pulmonale
Hypertonie, wurden in dieser Studie nicht untersucht.
Die Wirksamkeit des Tragens von Kompressionsstrümpfen
allein zur Thromboseprophylaxe sollte nicht unterschätzt werden. In mehreren
Studien wurden tiefe Beinvenenthrombosen auch bei chirurgischen Patienten mit
moderatem Risiko für Thrombosen dadurch reduziert (10, 11).
Fazit: In
dieser großen prospektiven plazebokontrollierten Studie (LIFENOX) konnten s.c.
Injektionen des niedermolekularen Heparins Enoxaparin (zehn Tage lang je 40 mg/d)
die 30-Tage-Letalität bei akut kranken internistischen Krankenhauspatienten
nicht senken.
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