Die von der British Heart Foundation und
der Firma Servier finanzierte multizentrische HYVET-Studie aus dem Jahre 2008
hatte ergeben, dass eine antihypertensive Therapie bei betagten Hypertonikern
die kardiovaskuläre Morbidität, insbesondere Schlaganfälle, und die Letalität
signifikant reduziert (1). Zur Erinnerung: in HYVET wurden 3.845 Hypertoniker
> 80 Jahre (im Mittel 83,6 Jahre) mit systolischen Blutdruckwerten über
160 mm Hg und sehr wenigen Komorbiditäten doppeltblind für eine
Behandlung mit 1,5 mg/d retardiertem Indapamid (Natrilix®,
Generika) oder Plazebo randomisiert (Step 1). War bei den Folgevisiten der
Blutdruck noch über dem systolischen Zielwert von 150 mm Hg, konnte
der ACE-Hemmer Perindopril (Coversum®, Generika) 2 mg/d
(Step 2) oder 4 mg/d (Step 3) bzw. Plazebo hinzugefügt werden.
Nach zwei Jahren wurde der RR-Zielwert
von 48% in der Verum- und von 19,9% in der Plazebo-Gruppe erreicht. Der
Blutdruck lag mit Verum durchschnittlich um 15/6 mm Hg niedriger als
mit Plazebo. HYVET wurde vorzeitig nach einer medianen Behandlungsdauer von 1,8
Jahren beendet, da in der Plazebo-Gruppe signifikant mehr Patienten gestorben
waren (196 vs. 235). Insgesamt war die Letalität in dieser Studie mit ca. 5%/Jahr
für diese Altersgruppe sehr gering, was in der geringen Zahl der Komorbiditäten
begründet sein dürfte (3% Herzinsuffizienz, 7% Diabetes).
Nach der Intention-to-treat-Analyse kam
es bis zum Studienabbruch unter Verum zu 30% weniger nicht-tödlichen
Schlaganfällen und zu 39% weniger Schlaganfall-bedingten Todesfällen als unter
Plazebo. Die Gesamtletalität wurde durch die antihypertensive Therapie um 21%
und die Inzidenz von Herzinsuffizienz um 64% reduziert.
Die „Number Needed to Treat” (NNT) zur
Verhinderung eines Schlaganfalls innerhalb von zwei Jahren wurde von den
Autoren mit 94 und für einen Todesfall mit 40 berechnet. Es gab keine Hinweise
darauf, dass die antihypertensive Therapie von den alten Hypertonikern
schlechter vertragen wurde als das Plazebo. Daraus wurde seinerzeit abgeleitet,
dass eine antihypertensive Therapie mit Indapamid und ggf. ACE-Hemmer für
Hypertoniker > 80 Jahre sinnvoll ist (1). Einschränkend muss nochmals
darauf hingewiesen werden, dass die Patienten ansonsten recht gesund waren. Ob also
die Ergebnisse auf polymorbide ältere Patienten übertragbar sind, ist nicht klar.
Generell dürfte man auch hier annehmen: je größer das Grundrisiko, desto größer
auch der mögliche Nutzen einer Therapie.
Jetzt wurde von den HYVET-Autoren eine
„Extension Study” publiziert, in der ein Teil der Patienten, die zum Zeitpunkt
des Studienabbruchs noch doppeltblind behandelt wurden (n = 1.882), ein
weiteres Jahr lang - nun offen und auch alle mit der Studienmedikation - weiterbehandelt
wurden (2). Es sollte durch diese verlängerte Nachbeobachtung geklärt werden,
ob der frühzeitige Einsatz einer antihypertensiven Therapie für Patienten
anhaltend vorteilhaft ist. Für eine längere Nachbeobachtungsphase reichten die finanziellen
Mittel (öffentliche Gelder) leider nicht mehr.
Insgesamt erklärten sich 1.712 Patienten
für die Verlängerung der Studie bereit und zwar 924 der ursprünglich mit Verum
und 788 der mit Plazebo behandelten. Die Therapie wurde bei allen Patienten von
Neuem begonnen (open label) erst mit Indapamid allein. Danach, falls das
Therapieziel (systolischer RR < 150 mm Hg) nicht erreicht
wurde, wurde Perindopril (erst 2 mg/d dann 4 mg/d) hinzugefügt und,
wenn notwendig, auch noch weitere Antihypertensiva.
1.559 Patienten beendeten diese
einjährige Verlängerungsphase, 822 vormals mit Verum und 737 mit Plazebo
behandelte. Am Ende des Verlängerungsjahres waren beide Kohorten ähnlich
antihypertensiv behandelt: 24% nur mit Indapamid, 21% zusätzlich mit 2 mg/d
und 54% mit 4 mg/d Perindopril. Weniger als 2% der Patienten benötigten
neben der Studienmedikation zusätzlich andere Antihypertensiva. Nach diesem
Jahr offener antihypertensiver Behandlung fand sich kein signifikanter
Unterschied mehr zwischen den Blutdruckwerten in der ehemaligen Verum- und der
Plazebo-Gruppe (143/76 vs. 144/76 mm Hg).
Die klinischen Ereignisse sind in Tab. 1
dargestellt. Es zeigte sich trotz nun gleicher antihypertensiver Behandlung auch
im Folgejahr eine signifikante Reduktion der Letalität in der Verum-Kohorte. Es
scheint also, dass der möglichst frühe Beginn einer antihypertensiven Therapie
einen nachhaltigen Effekt hat. Bei der Häufigkeit von Schlaganfällen und der
Entwicklung einer Herzinsuffizienz fanden sich dagegen keine signifikanten
Unterschiede mehr zwischen den beiden Kohorten. Diese Ereignisse scheinen eher
von der Blutdruckeinstellung per se abzuhängen, also ein unmittelbarer
Arzneimitteleffekt zu sein.
Fazit: Die HYVET-Studie hat plazebokontrolliert
randomisiert doppeltblind nachgewiesen, dass eine antihypertensive Therapie bei
betagten Hypertonikern (systolische Zielwerte < 150 mm Hg)
die Inzidenz von Schlaganfällen und Herzinsuffizienz signifikant senkt und die
Letalität um 20% reduziert. Die HYVET-Extension-Studie zeigt nun, dass man
diese Patienten möglichst frühzeitig antihypertensiv behandeln sollte, weil der
Überlebensvorteil in der Verum-Gruppe über mindestens ein Jahr weiter zunimmt,
auch wenn die Patienten aus der Plazebo-Gruppe nun gleich effektiv therapiert
werden.
Literatur
- Beckett, N.S., et al. (HYVET = HYpertension in the VeryElderly Trial): N. Engl. J. Med. 2008, 358, 1887.
AMB 2008, 42, 52. 
- Beckett, N., et al.(HYVET = HYpertension in the Very Elderly Trial):BMJ 2011, 344, d7541.

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