Mehrere Nachrichtenagenturen melden in den ersten Wochen
dieses Jahres einen Arzneimittelskandal der in seinem Ausmaß und seinen Folgen
geradezu ungeheuerlich ist (1-3). Demnach erhielten in der pakistanischen Stadt
Lahore bis zu 40.000 Patienten Herz-Kreislauf-Arzneimittel, die offenbar
kontaminiert waren und zu schweren Erkrankungen und Todesfällen geführt haben.
Viele der betroffenen Patienten entwickelten innerhalb
kurzer Zeit die Symptome eines hämorrhagischen Fiebers. In Anbetracht einer vor
kurzem abgelaufenen Dengue-Epidemie wurden die Symptome anfangs als
Dengue-Fieber falsch interpretiert. Mittlerweile scheint klar zu sein, dass es
sich um Erkrankungen durch kontaminierte und offenbar schlecht kontrollierte
Arzneimittel handelt. Laut BBC sind schon mehr als 100 Patienten daran
gestorben, weitere 250 Patienten müssen derzeit stationär behandelt werden (2).
Im Zentrum dieses Skandals steht das staatliche Punjab Heart
Institute. Es ist angewiesen, das jeweils kostengünstigste Generikum zu kaufen.
Die verdächtigten „Arzneimittel” (ein Statin, Clopidogrel, ASS und ein
Kalziumantagonist) wurden von drei lokalen Herstellern bezogen. Die
betreffenden Arzneimittelfirmen dispensieren und verpacken die Tabletten jedoch
nur; die Rohsubstanz (das „Active Pharmaceutical Ingredient” = API) wird aus
Indien, China oder Dubai bezogen. Die genaue Quelle ist noch nicht gefunden.
Die Firmeninhaber sind mittlerweile in Haft und beteuern ihre Unschuld.
Es wird derzeit vermutet, dass das API während des
Produktionsprozesses durch Schwermetalle verunreinigt wurde. Ob dies aus
Nachlässigkeit oder aus Profitgier, z.B. Verwendung unreiner billiger
Ingredienzien, geschah, ist (noch) nicht bekannt. Da der Nachweis der toxischen
Substanz(en) vor Ort nicht gelingt, werden die verdächtigten Medikamente
derzeit in Europa untersucht.
Solange die Art und die Quelle der Verunreinigung nicht
geklärt ist, besteht die Gefahr, dass diese Arzneimittel auch anderswo auf den
Markt kommen und Schaden anrichten. Der globalisierte Arzneimittelmarkt macht
es möglich.
Dieser gefährliche Vorgang verdient unsere höchste
Aufmerksamkeit, denn er wirft ein Schlaglicht darauf, wie schwer der
globalisierte Arzneimittelmarkt zu kontrollieren ist, aber auch auf mögliche
Folgen eines hohen Preisdrucks. Wenn Pharmafirmen nämlich zu stark unter
Preisdruck geraten, besteht die Gefahr, dass einige zur Gewinnoptimierung
früher oder später Abstriche bei der Qualität machen, wie es der gefährliche
Betrug mit Brustimplantaten aus billigem und für medizinische Zwecke
ungeeignetem Silikon gezeigt hat (4). Es ist völlig inakzeptabel, dass die
genaue Herkunft der API bis heute nicht deklarationspflichtig und somit für den
„Verbraucher” nicht erkennbar ist (vgl. 5). Für die Sicherheit auf dem
heimischen Arzneimittelmarkt müssen den Arzneimittelherstellern klare
Vorschriften gegeben werden für gewissenhafte Qualitätskontrollen und für die
Deklaration der Herkunft der API.
Es ist immer wieder davor zu warnen, Nahrungsergänzungsoder
Arzneimittel aus dubiosen Quellen zu beziehen, speziell aus dem Internet. Auf
der Website der Verbraucherzeitschrift „Gute Pillen - Schlechte Pillen”, die
von vier unabhängigen deutschen Arzneimittelzeitschriften herausgegeben wird,
ist eine Liste gepanschter und/oder kontaminierter Nahrungsergänzungsmittel
einzusehen (6). Der Arzneimittelskandal in Pakistan und die weltweite
Verbreitung gefährlicher Brustimplantate aus minderwertigem Silikon
zewerden.igen, dass der Bezug von Arzneimitteln oder Medizinprodukten selbst
von offiziellen Institutionen in Zeiten der Globalisierung nicht vor
minderwertiger Qualität oder Betrug schützt. Wir brauchen angesichts des
globalisierten Markts dringend auch eine globalisierte Vigilanz für
Arzneimittel und Medizinprodukte. In der Fachinformation eines Arzneimittels
müsste zumindest der Hersteller des API genannt werden (5).
Literatur
- http://www.reuters.com/article/2012/01/24/us-pakistan-health-idUSTRE80N1BZ20120124(Zuletzt aufgerufen 7.2.2012).

- http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-16742832 (Zuletztaufgerufen 7.2.2012).

- http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/... (Zuletztaufgerufen 7.2.2012).

- AMB 2012, 46, 15b.

- AMB Ö-Beiblatt: 2012, 46, 08 ÖB01.

- www.gutepillen-schlechtepillen.de

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