Zur rationalen Arzneimitteltherapie gehört
die Verschreibung des richtigen Arzneimittels, angepasst an die klinische
Notwendigkeit des Patienten, in der richtigen Dosis, in ausreichender Dauer und
zum günstigsten Preis. Im ARZNEIMITTELBRIEF spielt daher bei der Bewertung des
Nutzens eines Arzneimittels auch immer der Preis eine wichtige Rolle.
Über Richtigkeit und klinische
Notwendigkeit einer Arzneimitteltherapie wird unter Ärzten gerne und
leidenschaftlich gestritten, über den Preis weniger. Preisdiskussionen haben
unter Ärzten einen negativen Beigeschmack. Anders als beim Kauf eines
Smartphones oder eines Autos wird der Preis eines Arzneimittels selten in Frage
gestellt. Wir haben anscheinend das Mantra der Pharmaindustrie, wonach pro
neues Arzneimittel ca. 800 Mio. € in Forschung und Entwicklung (F&E)
investiert werden müssen, längst verinnerlicht und rezitieren voller Ehrfurcht
diese Zahlen. Überprüfen kann man diese Selbstangaben nur schwer. Hat
irgendjemand die wahren Kosten für F&E von Bevacizumab (Avastin®,
Roche) und für dessen Marketing jemals gesehen? Die Behandlung mit diesem
Arzneimittel in der Onkologie kostet > 50.000 €, unabhängig von der
Indikation und dem tatsächlichen klinischen Nutzen.
Dass der Preis eines Arzneimittels nicht
in erster Linie von F&E abhängt, zeigen die Generika. Hersteller von
Generika haben bekanntlich deutlich geringere Ausgaben für F&E. Der
Arzneiverordnungs-Report 2010 vergleicht die Preise der 50 umsatzstärksten
Generika in Deutschland mit denen in Schweden. Hiernach sind Generika in
Deutschland im Durchschnitt um nahezu 100% Prozent teurer. Ratiopharm verkauft z.B.
Omeprazol (20 mg) in Schweden für 7,11 €, in Deutschland für 33,24 € (1).
Welcher Ökonom kann das erklären? Diese Beispiele zeigen: der Preis ist so
hoch, wie der Käufer bereit ist, ihn zu zahlen und je größer das Leid, desto
höher der Preis. Wenn wir also bereit sind, für Avastin® bei einem
Patienten mit Lungenkarzinom trotz sehr überschaubarer Verlängerung der
Lebenszeit > 50.000
€ zu bezahlen, dann bitte! Damit keine Missverständnisse auftreten: jeder
Krebspatient sollte eine Therapie erhalten, wenn diese medizinisch sinnvoll
ist. Die Solidargemeinschaft muss aber auch den Hersteller fragen, ob ein solch
exorbitant hoher Preis tatsächlich gerechtfertigt ist oder ob Wucher vorliegt.
Eine solche Kosten-Nutzen-Diskussion lässt sich aber nur mit Rückendeckung
durch die Politik führen. Sie ist jedoch kaum zu erhalten. Gewählte Politiker
scheuen naturgemäß nichts so sehr, wie den Eindruck, dass man den Wählern etwas
Wichtiges vorenthält.
Ist ökonomisches Verordnen also „das Ende
der Therapiefreiheit”? Nein, ökonomisches Verordnen ist nicht nur rational,
sondern auch ethisch. Gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen ist von uns
Ärzten auf Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen zu achten.
Literatur
- http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,717212,00.html

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