Seit wenigen Wochen sind statistische Auswertungen von UAW-Meldungen erstmalig öffentlich
zugänglich. Die Berichte sind auf der Website der europäischen
Arzneimittelbehörde (EMA) abrufbar (1-3). Sie basieren auf den Meldungen an die
europäische Datenbank EudraVigilance. Die Daten kommen einerseits von den nationalen
europäischen Aufsichtsbehörden und andererseits von den Zulassungsinhabern, d.h.
den pharmazeutischen Unternehmern. Letztere sind verpflichtet, nicht nur die
UAW-Verdachtsfälle aus den EU-Ländern an EudraVigilance zu melden, sondern auch
alle schwerwiegenden
Verdachtsfälle, die mit ihrem Präparat in einem Land außerhalb der EU beobachtet
wurden. Somit sind, je nach Arzneimittel,
bis zu 80% der aufgeführten UAW außerhalb der EU beobachtet worden. Ob und wie die UAW-Meldungen von der EMA
gefiltert werden, ist nicht ganz klar. Es
wird in den ausführlichen Erläuterungen der Behörde jedoch darauf hingewiesen,
dass sich die Zahl einzelner
Fälle durch „Nachfragen und Nachanalysen” jederzeit erhöhen oder verringern
kann.
Die UAW-Meldungen beziehen sich derzeit nur auf die
650 Wirkstoffe, die in den vergangenen Jahren im zentralen Verfahren von der
EMA zugelassen worden sind. Tausende ältere Arzneimittel oder solche, die nur
national zugelassen sind, sucht man vergeblich. Meldungen zu diesen Arzneimitteln
sollen zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls auf der Website zu lesen sein.
Noch informativer könnte die Datenbank werden, wenn, wie vom europäischen
Parlament gewünscht, zukünftig auch Patienten und Angehörige UAW-Verdachtsfälle
direkt melden dürfen („Consumer reporting”; vgl. 4). Dann würde die Plattform www.adrreports.eu
wichtige, öffentlichkeits- und sicherheitsrelevante Informationen allen Bürgern
zur Verfügung stellen. Hier taucht der aktuelle politische Konflikt
Informationsfreiheit versus Produkt-/Herstellerschutz wieder auf (ACTA). Es ist
nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre schwer vorstellbar, dass die EMA nun
zur Speerspitze pro Informationsfreiheit wird und die zu erwartenden Konflikte
mit den pharmazeutischen Unternehmern durchhalten kann.
In der gegenwärtigen Datenbank, also quasi der
kleinen Startlösung, kann man nach einzelnen Wirkstoffen (INN) und nach
Präparatenamen suchen. In etwas unübersichtlichen Tabellen und Grafiken wird
die Gesamtzahl der Meldungen pro Wirkstoff bzw. Präparat angezeigt, gruppiert
nach Typ und Ausgang, sowie nach Altersgruppe und Geschlecht der betroffenen
Patienten. Weiterhin kann nachvollzogen werden, wer die UAW gemeldet hat
(Hersteller, Behandler) und ob die UAW innerhalb oder außerhalb der EU
beobachtet wurde. Auch spezielle Analysen sind möglich, etwa wie häufig bei
einem bestimmten Medikament über ein bestimmtes Symptom wie Dyspnoe, AV-Block,
Verwirrtheit oder Hautauschlag berichtet wurde und wie der Ausgang dieser
speziellen UAW war. Detaillierte Einzelfallberichte, wie etwa bei den CIRS-Meldungen
(Critical Incident Reporting System; vgl. 5), sind leider nicht
erhältlich. Auch ist bislang nicht vorgesehen, dass individuelle Meldungen
nachverfolgt werden können, etwa über eine Vorgangs-Nummer. Vergeblich sucht
man auch nach Informationen, wann und aus welcher Region die Meldungen gekommen
sind. Das wäre aus unserer Sicht wichtig, um mögliche externe Manipulationen
erkennen zu können.
Die Gefahr von Fehlinterpretationen und
Manipulationen des Datenmaterials ist tatsächlich gegeben. Die EMA weist
daher auf der Website mehrfach darauf hin, dass man weder auf einen
tatsächlichen Kausalzusammenhang noch auf die Häufigkeit oder auf die
Schädlichkeit eines Arzneimittels schließen darf.
Wir wünschen uns, dass Ärzte und Apotheker
viel mehr als bislang ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen, jede UAW zu
melden. Eine Erleichterung und
Beschleunigung des Meldeablaufs sollen elektronische Meldeportale bei den
nationalen Arzneimittelagenturen bringen. Sie sollten dann auf jedem
Praxiscomputer als Lesezeichen in der Navigationsleiste stehen.
Literatur
- http://www.adrreports.eu/

- http://www.ema.europa.eu/...

- http://www.ema.europa.eu/...

- AMB 2011, 45,63
und 94. 
- AMB 2008, 42,41.
AMB 2010, 44, 49. 
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