Die Erwartungen an E-Health bzw. IT im Gesundheitswesen
sind immens. Sie soll unsere Gesundheitsversorgung effektiver, sicherer und
sogar billiger machen. Allein, es fehlt bislang der konsistente Nachweis eines
nachhaltigen Nutzens für Patienten und für das Gesundheitswesen (1).
Zu einer Patientengruppe, die medizinische Leistungen
besonders intensiv in Anspruch nimmt und daher im Fokus von
E-Health-Initiativen steht, gehören ältere, polymorbide Patienten (vgl. 2, 3).
E-Prescribing, Clinical Decision
Support, E-Dispensing oder
Telemedizin sind nur einige der Anwendungen, die hier angeboten werden.
Eine Gruppe aus der
Mayo-Klinik hat nun in einer randomisierten kontrollierten Studie den Wert von
Telemonitoring für die Krankheitsstabilisierung älterer, multimorbider
Patienten ohne wesentliche kognitive Einschränkungen untersucht (4). Die
verwendete Telemonitoring-Einheit (Intel Health Guide©) besteht aus
mehreren Modulen: Real-Time-Videokonferenz sowie Messgeräte für Blutdruck,
Blutzucker, Pulsoxymetrie und Peak-Flow-Metrie. Die Teilnehmer müssen täglich
5-10 Minuten mit dem System kommunizieren. Sie übermitteln Symptome und
biometrische Daten an eine Health-Website. Im Studienzentrum werden die
Informationen täglich von einem sog. Health-Care-Team
überprüft. Diesem Team liegt die
elektronische Akte der Patienten vor. Wenn Maßnahmen für notwendig erachtet
werden, greift eine Krankenschwester per Telefon oder Videokonferenz ein. Sie
gibt den Patienten direkt Anweisungen oder informiert den behandelnden Arzt
oder rät den Patienten, die Ambulanz zu verständigen.
Auf der Basis von Studiendaten
aus dem Bereich Disease-Management Herzinsuffizienz erwarteten die Autoren
durch eine telemedizinische Betreuung eine Verringerung klinischer Ereignisse
von 20%. Hierfür rekrutierten sie 205 Patienten und randomisierten sie für „Usual
care” (n = 103) oder für die telemetrische Intervention (n = 102).
In Frage kamen Patienten > 60 Jahre mit einem Elder Risk
Assessment Index (ERA) > 15. Dieser ERA berechnet an Hand klinischer
Daten die Wahrscheinlichkeit für Krankenhausaufnahmen. Die Maximale Punktzahl
beträgt 32. Patienten mit ≥ 16 Punkten haben ein sehr hohes
Hospitalisierungsrisiko (> 2 Hospitalisierungen in zwei Jahren; 5).
Ausgeschlossen wurden
Patienten aus Pflegeheimen, mit Demenz bzw. stärkeren kognitiven Defiziten und
solche, die sich den Umgang mit der Technik nicht zutrauten. Von 513
gescreenten Patienten wurden letztlich 205 randomisiert. Die klinischen
Charakteristika in den beiden Gruppen waren gleich verteilt: mittleres Alter 80 Jahre,
46% Männer, 46% alleinlebend, ERA-Score 17,7, Barthel
Index 94,4, 36,6% mit Herzinsuffizienz, 42% mit COPD, 38% mit Diabetes und
20,5% mit chronischer Niereninsuffizienz. Der primäre Studienendpunkt war zusammengesetzt
aus Hospitalisierung und Besuch einer Notaufnahme innerhalb von 12 Monaten
(Per-protocol-Analyse).
Ergebnisse: Von den 205 Patienten schieden 38 (= 18,5%)
vorzeitig aus (19 starben, 19 brachen die Studie ab), 26 in der Telemonitoring-Gruppe und 12 in der Kontroll-Gruppe. 9938 von 11.212 geplanten
Telemonitoring-Visiten wurden plangemäß durchgeführt (88,6%). Insgesamt wurden
3942 Interventionen per Telefon durchgeführt.
Der primäre Endpunkt wurde
von 63,7% in der Telemonitoring-Gruppe und von 57,3% in der Kontroll-Gruppe
erreicht (p = 0,35). Somit war kein Nutzen für die Patienten
hinsichtlich Hospitalisierungen nachweisbar. Die Zeit, die während der
Studiendauer im Krankenhaus verbracht wurde, war in der Telemonitoring-Kohorte
nicht signifikant kürzer (4,1 vs. 6,1 Tage; p = 0,61).
Die Sterblichkeit war in
der Telemonitoring-Gruppe sogar signifikant höher als in der Kontroll-Gruppe
(14,7% vs. 3,9%; p = 0,008). Nach dem ERA-Index wäre bei der
Studienpopulation eine Jahressterblichkeit von 13% zu erwarten gewesen. Insofern
lässt sich die niedrige Sterblichkeit in der Kontroll-Gruppe schwer erklären
und könnte bei den kleinen Fallzahlen Zufall sein. Trotzdem sollte dieser
Befund ernst genommen und als potenziell schwerwiegende unerwünschte Wirkung
der telemedizinischen Intervention weiter beachtet werden. In anderen Studien
war die Letalität unter telemetrischer Betreuung nicht höher (2, 6) bzw.
gleich (7).
Fazit: In einer prospektiven, randomisierten Studie zum
telemedizinischen Disease-Management älterer, multimorbider Patienten konnte
kein Nutzen hinsichtlich Hospitalisierungen und Besuch einer Notaufnahme
nachgewiesen werden. Im Gegenteil: diese E-Health-Maßnahme führte im Vergleich zu „Usual care” sogar zu mehr medizinischen
Eingriffen und zu einer unerklärten erhöhten Letalität, die in anderen Studien
allerdings nicht gefunden wurde. Der regelmäßige persönliche Kontakt dieser
Patienten zu medizinischen Mitarbeitern ist offenbar kaum zu ersetzen.
Literatur
- AMB 2011, 45, 49.

- Cleland, J.G., et al. (TEN-HMS = Trans-EuropeanNetwork-Home-Care Management System): J. Am. Coll.Cardiol. 2005, 45, 1654.

- Winkler, S., et al.: Int. J. Cardiol. 2011, 153, 55.

- Takahashi, P.Y., et al.: Arch. Intern. Med 2012, 172,773.

- Crane, S.J., et al.: BMC Health Serv. Res. 2010, 10,338.

- Koehler, F., et al. (TIM-HF = Telemedical InternationalMonitoring in Heart Failure): Circulation 2011, 123,1873.

- Chaudhry,S.I., et al: 2010, 363, 2301.
Erratum: N. Engl. J. Med. 2011, 364,490.
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