Langzeit-Abonnenten des AMB erinnern wir an unsere
Hauptartikel zum Thema Hormonersatz-Therapie (HRT) in der Peri- und Postmenopause
aus den Jahren 2001 und 2006 (1, 2). Damals konnte aus den Ergebnissen der
nordamerikanischen Women’s Health Initiative (WHI), der britischen Million
Women Study und der Heart and Estrogen/progestin Replacement Study (HERS-Studien;
1, 2) geschlossen werden, dass postmenopausal eingenommene Östrogene oder
Östrogene/Gestagene nicht geeignet sind, Arteriosklerose und deren Folgen
(Herzinfarkte, Schlaganfälle) zu reduzieren. Dies war aus früheren nicht-randomisierten
Beobachtungsstudien abgeleitet worden. Vielmehr erhöhte die HRT in den
WHI-Studien das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, venöse Thrombosen, Lungenembolien
und Brustkrebs (3).
Leider hat die WHI-Gruppe erst fünf Jahre später ihre
Ergebnisse getrennt nach Altersgruppen zu Studienbeginn der ca. fünfjährigen hormonellen
prophylaktischen Intervention veröffentlicht (4). Es ergab sich, dass bei den Frauen,
die bald nach Eintritt der Menopause mit der HRT begonnen hatten, die Inzidenz
von Herzinfarkten und Schlaganfällen bei Anwendung von Östrogenen allein (nach
Hysterektomie) tendenziell niedriger war als in der Plazebo-Gruppe. Bei
Östrogen-/Gestagen-Anwendung (bei intaktem Uterus) war sie gering erhöht. In
höheren Altersgruppen hingegen (Frauen zwischen 50 und 79 Jahren) erhöhte die
HRT die Inzidenz dieser Ereignisse. Hieraus wurde eine sog. Timing-Hypothese
abgeleitet. Diese besagt, dass Östrogene bei relativ jungen postmenopausalen Frauen
ohne arteriosklerotische Gefäßveränderungen die Entwicklung einer
Arteriosklerose retardieren können, während Östrogene bei bereits vorhandenen
Gefäßveränderungen im höheren Alter durch ihre prothrombotische Wirkung die
Entstehung von Herzinfarkten und ischämischen Schlaganfällen begünstigen.
Diese Einleitung soll nicht-spezialisierten Lesern das
Verständnis einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Dänemark erleichtern.
Schierbeck et al. (5) begannen 1990, also lange vor
Veröffentlichung der o.g. negativen Studienergebnisse zur HRT, eine prospektive
Untersuchung zum Effekt der HRT auf Osteoporose (Haupt-Endpunkt) und auf kardiovaskuläre
Ereignisse als Nebenaspekt. Von ca. 47.000 angeschriebenen Frauen im Alter von
48-58 Jahren waren 2.016 geeignet und willens teilzunehmen. Davon wurden aber
nur 1.010 Frauen in eine prospektive, offene, randomisierte kontrollierte
Studie mit Rekrutierung zwischen 1990 und 1993 aufgenommen. Die Methode der
Randomisierung ist an anderer Stelle veröffentlicht (6). Die letzte Menstruationsblutung
durfte nicht länger als 24 Monate zurückliegen. Nur ein Teil der Frauen
hatte klimakterische Beschwerden. Frauen der Verum-Gruppe ohne Uterus (n = 95)
nahmen 2 mg 17-Beta-Östradiol/d kontinuierlich ein, solche mit intaktem
Uterus (n = 407) nahmen 2 mg 17-Beta-Östradiol plus zusätzlich 1 mg
Norethisteron-Azetat von Tag 13-23 ein, gefolgt von sechs Tagen mit 1 mg
17-Beta-Östradiol allein (keine Einnahmepausen). Norethisteron ist ein Gestagen
mit relativ starker androgener Partialwirkung. Frauen, die diese HRT nicht
vertrugen, konnten auf ein anderes Präparat umgestellt werden. Die Studie war
für eine Dauer von 20 Jahren geplant.
Nach Bekanntwerden der negativen WHI-Daten vor ca. 10
Jahren wurde die Interventionsstudie mit Nachuntersuchungen der Probandinnen
nach 1, 2, 3, 5 und 10 Jahren formal beendet. Jedoch wurden
über ein nationales Erkrankungs- und Sterberegister in Dänemark, das fast alle
Staatsbürger/-innen erfasst, weitere 5-6 Jahre lang die kardiovaskulären
Erkrankungen, Erkrankungen an Krebs allgemein und Brustkrebs speziell sowie die
Letalität ermittelt.
Ergebnisse nach 10 Jahren Intervention: Nur 75% der
Frauen in der Interventionsgruppe hatten die Hormone regelmäßig genommen. Bei
diesen war die mittlere Einnahme-Adhärenz 80%. In der Auswertung wurden aber alle
Probandinnen berücksichtigt (Intention to treat). In fast jeder Hinsicht (Tod,
kardiovaskulär verursachter Tod, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Brustkrebs) deuten
die Ergebnisse auf einen günstigen Effekt der HRT hin, beim kombinierten
Endpunkt Tod oder Herzinfarkt oder stationäre Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz
war der Unterschied zu den Kontrollen sogar formal signifikant (s. Tab. 1).
Ähnliche Ergebnisse waren dem nationalen dänischen Erkrankungs- und
Sterberegister 16 Jahre nach Beginn der Intervention zu entnehmen
(s. Tab. 2). Beinvenenthrombosen waren nach 10 Jahren extrem selten. Die
niedrige Thromboseinzidenz und der fehlende thrombogene Effekt der HRT, der
bisher in allen kontrollierten und Beobachtungsstudien festgestellt wurde, verwundert.
Nach Ansicht der Autoren könnte das darauf zurückzuführen sein, dass 17-Beta-Östradiol
weniger thrombogen sein soll als konjugierte Östrogene.
Aus unserer Sicht ist ein entscheidendes Manko dieser
Studie die geringe statistische „Power” wegen der kleinen Teilnehmerzahl. Zudem
stellt sich die Frage nach der methodischen Strenge der initialen
Randomisierung. Immerhin wurden aber in den ersten 10 Jahren der Studie die
interkurrenten Ereignisse und Endpunkte durch regelmäßige Untersuchungen der
Probandinnen erfasst. Sofern der Erfassung der Endpunkte vertraut werden kann,
lässt die Studie zumindest den Schluss zu, dass eine HRT mit 17-Beta-Östradiol
oder mit 17-Beta-Östradiol/Norethisteron nicht mit einer deutlichen Risikoerhöhung
für kardiovaskuläre Ereignisse (und Brustkrebs?) assoziiert ist. Das sollte
aber auf keinen Fall dazu führen, einer peri-/postmenopausalen Frau, die keine wesentlichen
klimakterischen Beschwerden hat, aus „protektiver” Indikation eine HRT zu empfehlen.
Dafür wiegen die negativen Studienergebnisse zur HRT von vor 10 Jahren,
die zu einem Paradigmenwechsel in der Therapie geführt haben, zu schwer.
In den USA wurde im Jahr 2005 von „non believers” in
den eher negativen Effekt der postmenopausalen HRT die „Kronos Early Estrogen
Prevention Study” (KEEPS) begonnen, in die 720 früh-postmenopausale Frauen
eingeschlossen werden sollten (7). Ergebnisse wurden für 2010 angekündigt.
Bisher sind aber nur verschiedene Studien zu Surrogat-Parametern wie z.B.
Entwicklung von Koronar-Kalk erschienen. Für eine zuverlässige Evaluierung
klinischer Endpunkte wird diese Studie aber auch zu klein sein.
Wir empfehlen unseren Lesern, sich weiterhin an die
von uns im Review von 2006 (2) gegebenen Empfehlungen zur systemischen HRT und
zur lokalen, vaginalen Östriol-Therapie zu halten, die mit den aktuellen, 2009
revidierten Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und
Geburtshilfe weitgehend übereinstimmen (8).
Fazit:
Eine schon 1990 begonnene Studie aus Dänemark zur Hormonersatz-Therapie bei
Frauen in der frühen Postmenopause mit einer Laufzeit von 10 Jahren und
mit 5 Jahren Nachbeobachtung ergab weniger Herzinfarkte, Todesfälle und
stationäre Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz als in der unbehandelten Kontroll-Gruppe
– allerdings statistisch signifikant nur bei Auswertung als kombinierter
Endpunkt. Die Studie hat jedoch mit ca. 500 Probandinnen in jeder Gruppe und
unverblindetem Design unseres Erachtens keine ausreichende statistische Power.
Sie sollte keinesfalls dazu führen, dass postmenopausale Frauen ohne
wesentliche klimakterische Beschwerden nun wieder viele Jahre lang mit
Östrogen-Präparaten im Sinne von Anti-Aging behandelt werden.
Literatur
- AMB 2001, 35,17.

- AMB 2006, 40,57.

- AMB 2002, 36,68.

- AMB 2007, 41,85.

- Schierbeck, L.L., et al. (DOPS= Danish Osteoporosis Prevention Study): BMJ 2012, 345, e6409.

- Mosekilde, L., et al.:Maturitas 2000, 36, 181.

- Harman, S.M., et al.(KEEPS = Kronos Early Estrogen Prevention Study):Climacteric 2005, 8, 3.

- http://www.dggg.de/fileadmin/public_docs/Leitlinien/2-1-4-ht-lang-hp.pdf

|