Akute obere gastrointestinale Blutungen sind ein häufiges
Problem in den Notaufnahmen der westlichen Welt. In den USA rechnet man pro
Jahr mit 450.000 Krankenhauseinweisungen wegen dieser Diagnose (1). Solche
Blutungen sind ein häufiger Grund für die Transfusion von Erythrozyten. In
England bekommen 43% dieser Patienten Bluttransfusionen (2). In Deutschland dürfte
der Anteil deutlich höher liegen. Die Empfehlungen, ab welchem Hb-Wert
transfundiert werden sollte, wurden immer wieder geändert. Bis Anfang 2000 war
der Grenzwert 10 g/dl (3). Neuere Studien führten zu einer restriktiven
Transfusionsindikation: Hb-Wert < 7 g/dl (4, 5). Metaanalysen
zur 30-Tage-Überlebenszeit ergaben jedoch keinen Unterschied zwischen restriktiver
Infusion von Erythrozytenkonserven (Hb < 7 g/dl) oder schon bei
höheren Hb-Werten (6, 7). Allerdings hatten in diesen Studien nur 0-1%
Patienten akute obere gastrointestinale Blutungen (6, 7). Für diese wichtige
Gruppe fehlte bisher eine solide Grundlage als Entscheidungshilfe. Jetzt wurde
eine Studie zu dieser klinischen Frage vorgelegt (8).
In diese Studie wurden 921 Patienten (Alter > 18 Jahre;
mittleres Alter ca. 65 Jahre) mit starker oberer gastrointestinaler Blutung
eingeschlossen, die sich in der Notaufnahme eines spanischen Krankenhauses mit
Bluterbrechen, Meläna oder beidem vorstellten (Juni 2003 bis Dezember 2009). 461
Patienten wurden in eine Gruppe mit restriktiver Strategie
(Erythrozytenkonserven erst bei einem Hb-Wert < 7 g/dl) und 460 in
eine Gruppe mit liberaler Strategie (Erythrozytenkonserven schon bei einem
Hb-Wert < 9 g/dl) randomisiert. Im weiteren Verlauf wurden
Ziel-Hb-Werte von 7-9 g/dl in der restriktiven und von 9-11 g/dl in
der liberalen Gruppe angestrebt. Alle Patienten wurden innerhalb von sechs
Stunden nach Krankenhausaufnahme gastroskopiert und nach üblichen Standards
behandelt. Die Ursachen für die oberen gastrointestinalen Blutungen entsprachen
der Situation in westlichen Notaufnahmen. So waren Blutungen aus peptischen
Ulzerationen in beiden Gruppen am häufigsten (51% in der restriktiven vs. 47%
in der liberalen Gruppe), gefolgt von Varizenblutungen (23% vs. 24%). Es gab
einige Ausschlusskriterien. So wurden z.B. Patienten mit einem Akuten
Koronarsyndrom, transienter ischämischer Attacke oder mit massiver Blutung und hämorrhagischem Schock ausgeschlossen.
Der primäre Endpunkt dieser Studie war Tod in den ersten 45 Tagen.
Sekundäre Endpunkte waren Rezidivblutungen und Krankenhauskomplikationen, wie
z.B. Transfusionszwischenfälle, Lungenödem, Infektionen, Nierenversagen.
Insgesamt bekamen 225 Patienten in der restriktiven (51%)
und 65 in der liberalen Gruppe (15%) gar keine Bluttransfusionen
(p > 0,001). Die Letalität war nach 45 Tagen in der restriktiven Gruppe
signifikant niedriger: 23 Patienten (5%) vs. 41 Patienten (9%; p = 0,02).
Rezidivblutungen traten bei 10% der Patienten in der restriktiven und bei 16% in
der weniger restriktiven Gruppe auf (p = 0,001). Zu Krankenhauskomplikationen
(im wesentlichen Transfusionszwischenfälle und Lungenödem) kam es bei 40% der Patienten
in der restriktiven und bei 48% in der weniger restriktiven Gruppe
(p = 0,02).
Diese Ergebnisse sind wichtig und sollten bei den Empfehlungen
der Fachgesellschaften berücksichtigt werden. Eine Ausnahme von diesem
restriktiveren Vorgehen könnten Patienten mit koronarer Herzkrankheit und solche
mit massivem Blutverlust und hypovolämischen Schock sein. Subgruppenanalysen
von zwei großen Studien haben allerdings kein erhöhtes Risiko bei Patienten mit
koronarer Herzkrankheit und restriktiver Transfusionsstrategie bei einem
Hb-Grenzwert von 7 g/dl bzw. 8 g/dl gegenüber einer liberalen
Transfusionsstrategie ergeben (4, 5).
Fazit: Patienten
mit oberer gastrointestinaler Blutung hatten in dieser Studie keine Nachteile,
wenn Erythrozytenkonserven erst bei einem Abfall des Hb-Werts auf < 7 g/dl
transfundiert wurden, verglichen mit solchen, die bereits bei einem Hb-Wert von
< 9 g/dl transfundiert wurden. Die liberale Transfusionsindikation
war sogar mit einer höheren Letalität und häufigeren Krankenhauskomplikationen
assoziiert.
Literatur
- Laine, L., et al.: Am. J.Gastroenterol. 2012, 107,1190.

- Hearnshaw, S.A., et al.: Gut 2011, 60, 1327.

- British Society of Gastroenterology Endoscopy Committee. Non-variceal upper gastrointestinalhaemorrhage guidelines. Gut 2002, 51 Suppl. IV, iv1.
- Hébert, P.C., et al: N. Engl.J. Med. 1999, 340, 409.
Erratum: N. Engl. J. Med. 1999, 340,1056.
- Carson, J.L., et al. (FOCUS = FunctionalOutcomes in Cardiovascular patients Undergoing Surgicalhip fracture repair): N. Engl. J. Med.2011, 365, 2453.

- Carson, J.L., et al.: CochraneDatabase Syst. Rev. 2012, 4, CD002042.
- Carson, J.L., et al.: Ann. Intern. Med. 2012, 157, 49.

- Villanueva, C., et al.: N.Engl. J. Med. 2013, 368, 11.

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