Im August 2011 haben wir ausführlich über den
damaligen Stand der Kenntnisse zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen am
Pankreas von Glucagon-like peptide-1(GLP1)-Analoga (Exenatid, Liraglutid) und von
Dipeptidyl-Peptidase-Typ-IV-Inhibitoren (sog. Gliptinen) berichtet (1). Damals
hatten Elashoff et al. aus Los Angeles über eine etwa 10-fach erhöhte Melderate
von Pankreatitiden bei Anwendern von Exenatid oder Sitagliptin, verglichen mit
Anwendern anderer Antidiabetika berichtet (2). Da die Berechnungen überwiegend
auf ungeprüften Meldungen von Patienten und weniger von behandelnden Ärzten
beruhten, blieben sie umstritten (3).
Kürzlich haben S. Singh et al. im JAMA Intern. Med.
eine Fall-Kontroll-Studie publiziert, die auf einer großen Datenbank in den USA
basiert (4). Insgesamt wurden 1.269 Diabetiker (Typ 2) im Alter zwischen
18 und 64 Jahren identifiziert, die wegen einer akuten Pankreatitis zwischen
Februar 2005 und Dezember 2008 stationär aufgenommen worden waren. Sie wurden
der gleichen Zahl vergleichbarer Diabetiker (Alter, Geschlecht, Diabetes-Komplikationen
etc.) aus derselben Datenbank hinsichtlich verschiedener Merkmale und Medikamentengebrauch
in den letzten Monaten gegenübergestellt.
Das mittlere Alter betrug 52 Jahre, 57,5% waren
Männer. Patienten mit Pankreatitis hatten signifikant häufiger eine
Hypertriglyzeridämie, waren deutlich häufiger Alkoholiker oder
Gallensteinträger. Häufiger waren bei den Pankreatitispatienten auch: Rauchen,
Adipositas, Gallengangs- oder Pankreas-Krebs sowie Krebserkrankungen insgesamt.
Nach Herausrechnen dieser „Confounders” ergab sich, dass die Diabetiker mit
Pankreatitis etwa doppelt so häufig wie die Kontroll-Patienten GLP-1-basierte
Arzneimittel verwendet hatten (Odds-ratio: 2,24; 95%-Konfidenzintervall = CI:
1,36-3,68). Lag die letzte Anwendung solcher Antidiabetika 30 Tage bis
zwei Jahre vor Erkrankung an Pankreatitis zurück, dann war die Odds ratio 2,01
(CI: 1,37-3,18). Sofern die anderen Risikofaktoren als Einflussgrößen tatsächlich
mit einiger Sicherheit herauszurechnen sind, dann muss man von einem um den
Faktor 2 erhöhten Pankreatitis-Risko bei Anwendern GLP-1-basierter
Therapien ausgehen.
Ein Koautor der Publikation von Elashoff et al. (3),
A.E. Butler, hat kürzlich eine Studie publiziert, die die GLP-1-basierten
Therapien (erneut) mit dem Risiko für Pankreas-Neoplasien belastet (5).
Zusammen mit einer Arbeitsgruppe in Florida wird über acht diabetische
Organspender berichtet, die bis zu ihrem Tod mit Inkretinmimetika behandelt worden
waren (Gruppe 1). Die pathologisch-anatomischen Befunde der
Bauchspeicheldrüsen wurden mit denen von 12 anderen diabetischen Organspendern (Gruppe 2)
und von 14 nicht-diabetischen „Kontrollen” (Gruppe 3) verglichen. Die
Bauchspeicheldrüsen in Gruppe 1 hatten im Durchschnitt eine um 40% größere
Masse mit gesteigerter Zellproliferation und intraepithelialen Neoplasien. Bei
drei von acht der Gruppe 1 fanden sich Glukagon-exprimierende Mikroadenome
(von Alpha-Zellen der Pankreas-Inseln) und in einem Pankreas ein
neuroendokriner Tumor. Die Stimulation der Alpha-Zellen beruht wahrscheinlich
auf der Hemmung der Glukagon-Sekretion durch die Inkretinmimetika. Die Autoren
leiten aus ihren Befunden ein erhöhtes Risiko für neuroendokrine Pankreastumore
bei Anwendern von Inkretinmimetika ab. Der Befund einer größeren Pankreasmasse
unter Inkretinmimetika müsste sich mit MRT-Untersuchungen überprüfen lassen.
Die European Medicines Agency (EMA) macht in einer
Pressemitteilung vom 26.3.2013 auf UAW am Pankreas bei Anwendern von
Inkretinmimetika aufmerksam und verweist auf die hier referierten Publikationen
(6). Sie habe bisher noch keine Schlüsse aus diesen Mitteilungen gezogen und
empfiehlt eine bereits laufende Therapie in den zugelassenen Anwendungsgebieten
fortzusetzen. Die Europäische Kommission finanziere eine „Safeguard”-Studie zu
UAW von Inkretinmimetika (die vor 2011 zugelassen wurden) im Vergleich mit
anderen Antidiabetika. Über andere Aspekte der Therapie mit Inkretinmimetika
haben wir erst kürzlich berichtet (7).
Fazit: Die
Inzidenz akuter Pankreatitiden bei Diabetikern beträgt ca. 5/1000
Patientenjahre (1). Sie ist nach der hier referierten Arbeit bei Anwendung von
Inkretinmimetika etwa doppelt so hoch wie unter anderen Antidiabetika. Der Verdacht,
dass Inkretinmimetika auch das Risiko für Neoplasien des exokrinen und
endokrinen Pankreas erhöhen, wird durch eine aktuelle Publikation verstärkt.
Wir empfehlen, Inkretinmimetika in der Therapie von Typ-2-Diabetikern nur als Reserve-Medikamente
einzusetzen.
Literatur
- AMB 2011, 45,57.

- Elashoff,M., et al.: Gastroenterology 2011, 141,150.

- Spranger,J., et al.: Gastroenterology 2011, 141, 20.

- Singh, S., et al.:JAMA Intern. Med.2013, 173, 534.

- Butler, A.E., et al.:Diabetes 2013, März 22. (Epub ahead of print).

- EMA 26/03/2013.

- AMB 2013, 47,19.

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