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Kryptogener Schlaganfall bei persistierendem Foramen ovale

Zusammenfassung: Der Verschluss eines persistierenden Foramen ovale (PFO) bei kryptogenem Schlaganfall oder TIA mittels eines Schirmchens ist nach heutigem Kenntnisstand nicht zu empfehlen. In drei aktuellen randomisierten kontrollierten Studien (RCT) wurde kein Vorteil gegenüber einer medikamentösen Therapie nachgewiesen. Wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises, hoher Kosten und Device-assoziierter Komplikationen sollte ein Schirmchen nur in begründeten Einzelfällen eingesetzt werden. Da entsprechende RCT fehlen, ist ein Verschluss eines PFO mit Schirmchen auch bei Tauchern und Patienten mit Migräne abzulehnen.

Wahrscheinlich wurde in den letzten zehn Jahren weltweit bei > 100.000 Patienten ein PFO mit einem schirmchenartigen Verschluss-Device katheterinterventionell verschlossen (1). Bei Gesamtkosten von 10.000 US-$ pro Prozedur wurden demnach deutlich > 1 Mrd. Dollar in diesen Eingriff investiert – und einige hundert Komplikationen produziert, auch fatale. Leider werden diese unerwünschten Implantat-Wirkungen (UIW) aber nach wie vor nicht systematisch erfasst. Man ist daher auf Einzelfallberichte angewiesen (2, 3).

Im fetalen Kreislauf ist das Foramen ovale physiologischerweise eine Kurzschluss-Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof. Da die Lunge noch nicht belüftet ist, wird der Lungenkreislauf größtenteils umgangen, und das Blut fließt über den rechten Vorhof, linken Vorhof und linken Ventrikel in die Aorta. Das Foramen ovale verschließt sich normalerweise in den ersten Lebenswochen. Bei etwa 20-25% der Erwachsenen ist diese Verbindung jedoch offen geblieben (= PFO; 4). Ein PFO ist weniger eine Krankheit als eine Normvariante. Ein PFO ähnelt einer Kulisse, d.h. zwei Endokard-Blätter liegen über einander. Bei erhöhtem Druck im rechten Vorhof, z.B. beim Pressen oder Husten, können sie sich voneinander abheben. Dabei entsteht ein schmaler Spalt oder ein kleiner Kanal (meist zwischen 2-6 mm breit), durch den nicht nur Blut, sondern auch kleine Partikel, wie Luftblasen oder Blutgerinnsel, von rechts nach links übertreten können. Zum Nachweis eines PFO wird bei der transösophagealen Echokardiografie eine echoreflektierende Flüssigkeit injiziert und man lässt, wenn das Kontrastmittel im rechten Vorhof erscheint, den Patienten pressen oder husten. Bei einem PFO ist dann ein mehr oder weniger starker Übertritt des Kontrastmittels nach links zu beobachten. Auch bei einem Herz-CT wird ein PFO häufig zufällig gesehen. PFO sind teilweise auch mit anderen strukturellen Anomalien assoziiert wie beispielsweise Vorhofseptum-Aneurysma (bei 10%) oder einer persistierenden Venenklappe im rechten Vorhof, wodurch es zu einem besonders großen, manchmal auch spontanem Rechts-Links-Shunt kommen kann (5).

Bei Patienten mit kryptogenen ischämischen Schlaganfällen oder TIA findet sich häufiger ein PFO. Als kryptogen wird ein Insult bezeichnet, wenn keine der klassischen Ursachen gefunden wird: Vorhofflimmern, Karotisstenose, Aortenatheromatose. Kryptogen sind ca. 30%, bei jüngeren Patienten bis zu 60% der ischämischen Schlaganfälle (6). In der PICSS-Studie aus dem Jahre 2002, bei der Schlaganfall-Patienten mit ASS oder Warfarin zur Sekundärprophylaxe behandelt wurden, fand sich in der Subgruppe der Patienten mit kryptogenem Schlaganfall signifikant häufiger ein PFO als in der Subgruppe mit bekannter Ursache des Schlaganfalls (39,2% vs. 29,9%; 5).

Man vermutet, dass beim kryptogenen Schlaganfall kleine venöse Thromben über das PFO nach links kreuzen und in das Gehirn embolisieren. Es gibt eindrucksvolle echokardiografische Dokumentationen solcher Ereignisse, bei denen ein Thrombus gerade das PFO passiert (7). Auch bei der Entstehung von Migräne und der Dekompressionskrankheit von Tauchern soll das PFO eine Rolle spielen. Bei diesen Erkrankungen sollen vasoaktive Substanzen aus der Peripherie bzw. Luftblasen aus dem venösen System durch das PFO ins arterielle System übertreten und zentralnervöse Schäden auslösen.

Diese Beobachtungen und die Verfügbarkeit eines Devices waren für viele Kardiologen Grund genug, PFO kurzerhand zu verschließen. Dabei war bis vor kurzem keineswegs klar, ob man diesen Patienten damit etwas Gutes tut oder ihnen sogar Schaden zufügt. Zehn Jahre lang wurden vielerorts PFO-Schirmchen implantiert, ohne dass eine einzige randomisierte Studie vorgelegt wurde. Eine Metaanalyse zur Rezidivprophylaxe kryptogener Schlaganfälle durch Verschluss eines PFO aus dem Jahre 2012 konnte zwar 50 Studien einschließen, es handelte sich aber fast ausnahmslos um unkontrollierte, meist sehr kleine und monozentrische Kohortenstudien. In all den Jahren wurden gerade einmal sieben vergleichende und keine einzige RCT durchgeführt. Die Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass es vorteilhaft ist, ein PFO nach kryptogenem Schlaganfall zu verschließen (8).

In den Schlaganfall-Guidelines der amerikanischen Herz- und Schlaganfallgesellschaft von 2010 (9) wird, da RCT fehlen, jedoch klar gesagt, dass ein PFO nicht verschlossen werden sollte (Klasse IIb, Evidenzgrad C). Es wird zu einer plättchenhemmenden Therapie geraten (Klasse IIa, Evidenzgrad B). Konsequenterweise wurde in den USA der PFO-Verschluss mit Schirmchen als experimentelles Verfahren eingestuft (9). In Europa dagegen wurde der PFO-Verschluss rasch zu einem Routineverfahren, denn hier reicht ja bekanntlich die CE-Zertifizierung aus, um ein Implantat anwenden zu dürfen. Wird die Implantation dann auch noch gut vergütet, gibt es in vielen Katheterlabors keine Zurückhaltung mehr. So haben einzelne Zentren in Deutschland in den vergangenen Jahren vermutlich über 1.500 Schirmchen bei PFO implantiert (3).

In den vergangenen Monaten wurden nun endlich drei RCT zum PFO-Verschluss veröffentlicht. Die erste Studie (CLOSURE I) im März im N. Engl. J. Med. (10) und zwei weitere (RESPECT, PC-Trial) im März 2013 (11, 12). Allen drei RCT ist gemeinsam, dass sie generell eine niedrige Reinsult-Rate fanden (2-6% nach zwei bzw. vier Jahren medianer Nachbeobachtung) und in der Intention-to-treat-Analyse keinen signifikanten Vorteil für den PFO-Verschluss beim Endpunkt Rezidiv-Schlaganfall oder TIA (s. Tab. 1). Damit gerät die scheinbare Evidenz für die Vorteile des PFO-Verschlusses ins Wanken. Offenbar sind die Gründe für einen Reinsult bei diesen Patienten doch sehr vielfältig. Die Patienten in CLOSURE I hatten sehr häufig noch andere Krankheiten, die ein gewisses Risiko für Schlaganfälle bergen (arterielle Hypertonie, Klappen-Dysfunktionen, Arrhythmien usw.). Außerdem konnte bei bis zu 20% der Patienten das PFO nur unvollständig verschlossen werden, und bei bis zu 5% der Patienten wurde wahrscheinlich durch das Device Vorhofflimmern ausgelöst (s. Tab. 1).

Kritisch ist auch zu sehen, dass es in allen drei RCT keinen medikamentösen Standard für die Kontroll-Gruppen gab. Manche wurden gar nicht mit Antithrombotika behandelt, manche mit einfacher oder dualer Hemmung der Thrombozytenfunktion und manche mit oralen Antikoagulanzien (OAK) oder sogar OAK plus ASS. In Subgruppen von RESPECT scheinen Patienten mit großen Septum-Aneurysmen und großen Shunts von einem Verschluss zu profitieren. Diese Untergruppen sind jedoch generell zu klein, um eine endgültige Aussage treffen zu können und im kleineren PC-Trial konnte diese Beobachtung auch nicht bestätigt werden. Wahrscheinlich ist auch der mediane Beobachtungszeitraum von zwei bzw. vier Jahren zu kurz, um gänzlich den Stab über die Methode zu brechen. Zudem laufen auch noch einige RCT, deren Ergebnisse abgewartet werden sollten (13). Sicher ist aber, dass die Befürworter der Schirmchen mehr und mehr in die Defensive geraten. Auch bei Patienten mit Migräne und PFO scheint der Verschluss des PFO keine Vorteile zu bringen, wie die MIST-Studie gezeigt hat (14). In ihr wurde bei 147 Patienten entweder das PFO mit Schirmchen verschlossen oder eine Sham-Prozedur durchgeführt.

Nach der gegenwärtigen Datenlage schließen wir uns den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Neurologie und der deutschen Schlaganfallgesellschaft zur Sekundärprävention des Schlaganfalls bei PFO (15) an:

  • Bei Patienten mit alleinigem PFO, gleich welcher Größe, und erstem zerebralen ischämischen Ereignis erfolgt eine Prophylaxe mit ASS (100 mg/d; Evidenzgrad B).
  • Kommt es zu einem Rezidiv unter ASS oder besteht ein PFO mit Vorhofseptum-Aneurysma (ASA), wird eine orale Antikoagulation mit einer INR von 2,0-3,0 für mindestens zwei Jahre empfohlen (Evidenzgrad C).
  • Kommt es zu einem weiteren Rezidiv oder bestehen Kontraindikationen für eine orale Antikoagulation, kann ein interventioneller PFO-Verschluss in Erwägung gezogen werden (Evidenzgrad C).

Literatur

  1. Johnston, S.C.: N. Engl. J. Med. 2012, 366, 1048. Link zur Quelle
  2. Murphy, J.C.,et al.: Catheter Cardiovasc. Interv. 2010, 76, 132. Link zur Quelle
  3. Staubach S.:Dissertation medizinische Fakultät der Univ. Frankfurt 2009: Link zur Quelle
  4. Homma, S., et al. (PICSS = PFOIn Cryptogenic Stroke Study): Circulation 2002, 105, 2625. Link zur Quelle
  5. Lamy, C., etal. (PFO-ASA Study = Patent Foramen Ovale-Atrial SeptalAneurysma): Stroke 2002, 33, 706. Link zur Quelle
  6. Topol, E.J(Edt.): Textbook of Cardiovascular Medicine 2002, 2nd Edt.Lippincott Williams & Wilkins. Chapt. 52. Transesophageal Echocardiography,S. 1175.
  7. Kitsios,G.D., et al.: Stroke 2012, 43, 422. Link zur Quelle
  8. Furie, K.L.,et al.: Stroke 2011, 42, 227. Link zur Quelle
  9. Furlan, A.J., et al.(CLOSURE I = Evaluation of the STARFlex septal closure system in patients witha stroke and/or transient ischemic attack due to presumed paradoxical embolismthrough a patent foramen ovale): N. Engl. J.Med. 2012, 366, 991. Link zur Quelle
  10. Carroll,J.D., et al. (RESPECT = Randomized Evaluation of recurrent Stroke comparing PFO closure to Established Currentstandard of care Treatment): N. Engl. J. Med. 2013, 368,1092. Link zur Quelle
  11. Meier, B., et al.(PC-Trial = Percutaneous Closure of patent foramen ovale versusmedical treatment in patients with cryptogenic embolism): N. Engl. J. Med.2013, 368, 1083. Link zur Quelle
  12. http://www.clinicaltrials.gov/ct2/results?term=closure+patent+foramen+ovale&Search=Search (Zugriff am 5.2.2013) Link zur Quelle
  13. Dowson, A., et al. (MIST= Migraine Intervention with STARFlex Technology):Circulation 2008, 117, 1397 Link zur Quelle . Erratum:Circulation 2009, 120, e71.
  14. http://www.dsg-info.de/images/stories/DSG/PDF/Leitlinien/ll08kap_024.pdf Link zur Quelle

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