Der
Neurotransmitter Serotonin moduliert im zentralen Nervensystem die
Aufmerksamkeit, die Thermoregulation und das allgemeine Verhalten. Im
peripheren Nervensystem fördert Serotonin die gastrointestinale Motilität sowie
die Kontraktion der glatten Muskulatur in Blutgefäßen, Bronchien und Uterus
(1). Werden periphere und zentrale Serotonin-Rezeptoren überstimuliert, kann
sich ein Serotonin-Syndrom entwickeln (2).
Das Serotonin-Syndrom
äußert sich in einer neuro-exzitatorischen Trias, nämlich kognitiven Veränderungen,
Störungen des autonomen Nervensystems und neuromuskulären Abnormalitäten
(s. Tab. 1). Es entsteht durch serotonerge Arzneistoffe, besonders,
wenn die Dosis gesteigert wird oder wenn sie miteinander kombiniert werden,
aber auch, wenn ihr Abbau blockiert wird (im synaptischen Spalt oder durch
Hemmung des Zytochrom-P-450-Enzymsystems in der Leber). Die Symptome können
sich innerhalb von Minuten oder wenigen Stunden nach erstmaliger Anwendung des
Arzneimittels entwickeln oder bei Steigerung der Dosis oder Überdosierung. Bei ungefähr
60% der Patienten geschieht dies innerhalb von sechs Stunden (1). Die Symptome
variieren in ihrer Ausprägung von kaum erkennbar bis lebensbedrohlich. Sie werden
häufig nicht erkannt oder falsch interpretiert, vor allem bei älteren Patienten
mit Polypharmakotherapie. Dies kann dazu führen, dass zusätzlich Arzneimittel
gegeben werden, die das Serotonin-Syndrom verstärken (3). Kritisch wird es bei
Rigidität, steigendem PaCO2 und einer Temperatur > 38° Celsius
(4). Bei schwerer Ausprägung können die Patienten intensivpflichtig werden
(3, 4). Die Symptome ähneln dem malignen neuroleptischen Syndrom. Wird ein
Serotonin-Syndrom vermutet, muss die Medikation sofort abgesetzt und eine
adäquate supportive Therapie begonnen werden. Benzodiazepine und eventuell auch
parenteral Chlorpromazin oder Olanzapin können als Serotonin-Antagonisten
eingesetzt werden (4). Entsprechend der Halbwertszeit des verursachenden
Wirkstoffs kann das Serotonin-Syndrom kürzer oder länger andauern (3).
Zwei
„Rote-Hand-Briefe” zu Fentanyl®-Janssen 0,1/0,5mg Injektionslösung
(5) und Durogesic® SMAT transdermales Pflaster (6) sowie auch eine
aktuelle Meldung des österreichischen Bundesamtes für Sicherheit im
Gesundheitswesen informieren über die unerwünschte Arzneimittelwirkung Serotonin-Syndrom
(7). Wird Fentanyl gleichzeitig mit Arzneimitteln verabreicht, die das
serotonerge Neurotransmitter-System stimulieren, kann dosisabhängig - auch
innerhalb der empfohlenen Dosierung - ein möglicherweise lebensbedrohliches
Serotonin-Syndrom auftreten (7). Serotonerge Wirkstoffe sind z.B. (1-4):
- Phenylpiperidin-Opioide (Tramadol, Methadon, Pethidin, Fentanyl),
- Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI; z.B. Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram, Escitalopram),
- Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahmehemmer (SNRI; z.B. Venlafaxin, Milnacipran),
- Arzneimittel, die den Metabolismus von Serotonin beeinflussen wie Monoaminooxidase-Hemmer (z.B. Moclobemid, Linezolid),
- Trizyklische Antidepressiva (z.B. Imipramin, Clomipramin),
- Migräne-Mittel (Triptane),
- Antikonvulsiva (Valproinsäure), Antiemetika (Ondansetron),
- Anti-Parkinson-Mittel (Rotigotin).
Nicht alle
Opioidanalgetika können bei gleichzeitiger Therapie mit serotonerg wirksamen
Arzneimitteln ein Serotonin-Syndrom auslösen. Die Morphinanaloge Morphin,
Codein, Oxycodon, Buprenorphin, Hydromorphon hemmen die Serotonin-Rückaufnahme
nicht.
Die individuelle
Empfindlichkeit gegenüber serotonergen Stoffen ist sehr unterschiedlich und ein
Serotonin-Syndrom deshalb schwer vorauszusagen. Deshalb sollte bei
analgetischer Therapie, z.B. mit Fentanyl-Pflastern oder Tramadol, immer auch auf
die Möglichkeit einer Wechselwirkung mit serotonergen Arzneimitteln geachtet
werden.
Fazit: Unter
analgetischer Therapie mit Fentanyl, Tramadol, Methadon oder Pethidin ist an
die Möglichkeit eines Serotonin-Syndroms zu denken, speziell bei hoher
Dosierung oder Kombination mit anderen serotonergen Wirkstoffen.
Literatur
- Strobach, D.:Arzneimitteltherapie 2012, 30, 83.
- Boyer, E.W.,und Shannon, M.: N. Engl. J. Med. 2005, 352, 1112.
Errata: N.Engl. J. Med. 2007, 356, 2437 und 2009, 361, 1714.
- Jackson, N.,et al.: Postgrad. Med. J. 2008, 84, 121.

- Gillman, P.K.: Br. J.Anaesth. 2005, 95, 434.

- WichtigeArzneimittelinformation zu Durogesic® SMAT. Janssen-Cilag GmbH.11.3.2013.

- WichtigeArzneimittelinformation zu Fentanyl®-Janssen Injektionslösung.Janssen-Cilag GmbH. 11.3.2013.
- Mitteilungdes Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen über Maßnahmen zurGewährleistung der Arzneimittelsicherheit vom 28.2.2013.

- Sternbach,H.: Am. J. Psychiatry 1991, 148, 705.

- Dunkley,E.J.C., et al.: QJM 2003, 96, 635.
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