Im Gegensatz zur Food and Drug Administration (FDA) hat
die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) Dapagliflozin (DGF; Forxiga®)
im Dezember 2012 als orales Mittel zur Behandlung des Typ-2-Diabetes
erwachsener Patienten zugelassen (1). Die FDA hat gegen eine Zulassung gestimmt
und von den pharmazeutischen Unternehmern (pU) AstraZeneca und Bristol-Myers
Squibb weitere Studien zur Verträglichkeit gefordert, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis
besser abschätzen zu können (2, 3). In den Zulassungsstudien war
aufgefallen, dass DGF häufiger mit Blasen-, Brust- und Prostatakrebs,
Leberschäden, kardiovaskulären Ereignissen und bei niereninsuffizienten
Patienten mit Knochenbrüchen assoziiert war. Die Zulassung von DGF umfasst die
Zusatztherapie zu oralen Antidiabetika oder Insulin sowie die Monotherapie bei Patienten,
die Metformin nicht vertragen (vgl. 4).
DGF ist ein Antidiabetikum mit einem neuen Wirkmechanismus.
Der Wirkstoff hemmt in Zellen der Nierentubuli selektiv und reversibel den Natrium-Glukose-Cotransporter-2
(SGLT-2-Hemmer). Normalerweise wird die glomerulär filtrierte Glukose bis zu
einem Blutzucker von ca. 160 mg/dl vollständig reabsorbiert; das sind ca. 180 g
am Tag. DGF induziert eine Glukosurie und senkt dadurch den Blutzucker. Das
Ausmaß der Glukosurie ist von der Höhe des Blutzuckers und von der glomerulären
Filtrationsrate abhängig. Bei starker Glukosurie werden auch vermehrt Wasser
und Natrium ausgeschieden, so dass Dehydratation, Elektrolytverschiebungen und
Blutdrucksenkung als mögliche UAW zu beachten sind.
Die Dosierung von DGF beträgt 10 mg einmal pro
Tag. Die Einnahme ist nicht an die Mahlzeiten gebunden. Die Glukosurie setzt
nach der ersten Dosis ein und hält während des 24-stündigen
Dosierungsintervalls an. DGF und seine Metaboliten werden zu über 75% über die
Niere ausgeschieden. Wegen Wirkungsverlust und Zunahme von UAW ist es schon bei
mäßiger Niereninsuffizienz (ab einer Kreatinin-Clearance < 60 ml/min)
kontraindiziert, d.h. bei den meisten älteren Patienten keine Option.
Im Rahmen der Zulassung wurden die Daten von elf randomisierten
kontrollierten doppeltblinden Phase-III-Studien mit insgesamt ca. 5700
Patienten ausgewertet, von denen fast 4000 DGF erhielten (vgl. 5). Über
einen Zeitraum von zwei Jahren senkte DGF allein und in Kombination die HbA1c-Werte
um 0,5-0,7 Prozentpunkte. Bei Monotherapie ist das Hypoglykämierisiko
gering, steigt aber bei Kombinationstherapie mit Insulin und Sulfonylharnstoffen.
Als häufige bisher erkannte UAW sind Harnwegs- und Genitalinfektionen,
Polyurie und Dysurie zu nennen, zudem Rückenschmerzen, Dyslipidämie sowie ein
Anstieg des Hämatokrit-Werts, der vermutlich durch die osmotische Diurese und nachfolgende
Dehydrierung zu erklären ist. Zum Therapieabbruch führten am häufigsten Harnwegsinfektionen,
Übelkeit, Schwindel, Hautausschläge und Anstieg des Serum-Kreatinins. Die Nierenfunktion
muss daher vor der Therapie mit DGF bekannt sein und während der Therapie,
speziell bei Einnahme anderer Arzneimittel (z.B. auch ACE-Hemmer und AT-II-Rezeptor-Blocker), regelmäßig
kontrolliert werden.
Wegen des Verdachts, dass DGF das Risiko für Lebertoxizität,
Prostata-, Blasen- und Mammakarzinom erhöht, fordert die EMA weitere
Post-Zulassungsstudien. Die Kombination mit Pioglitazon wird in Hinblick auf Blasenkarzinome
nicht empfohlen. Die vermehrt registrierten Knochenbrüche sind möglicherweise durch
eine verstärkte Kalziumausscheidung verursacht.
DGF sollte nicht gemeinsam mit Thiazid- oder
Schleifendiuretika eingenommen werden, da der diuretische Effekt verstärkt und
das Risiko für Dehydrierung und Hypotonie erhöht werden kann. Bei Patienten
> 75 Jahre wird der Beginn einer Therapie mit DGF nicht empfohlen.
Das Design der Zulassungsstudien war hinsichtlich einer
zweckmäßigen Vergleichstherapie zu DGF wenig überzeugend. In mehreren
Zulassungsstudien zur Mono- oder Kombinationstherapie wurde DGF mit Plazebo
verglichen. Diese Studien erlauben keine Beurteilung eines Zusatznutzens. Der
pU legte keine Studie zur DGF-Monotherapie gegenüber einer zweckmäßigen
Vergleichstherapie vor (z.B. Glibenclamid oder Glimepirid). Vergleichsdaten zur
Kombination von DGF plus Metformin versus Sulfonylharnstoff plus Metformin gibt
es nur für Glipizid, das in Deutschland seit 2007 nicht mehr im Handel ist.
Daten zur Kombination mit anderen oralen Antidiabetika fehlen. Auch die
Vergleichsstudien von DGF mit Insulin (mit oder ohne andere orale
Antidiabetika) waren plazebokontrolliert. Außerdem hielt man sich bezüglich der
Insulintherapie nicht an die Leitlinienempfehlungen, da die Insulintherapie in
der Vergleichsgruppe nicht adaptiert werden durfte.
Wegen der Neuzulassung fehlen naturgemäß Daten zum
Nutzen von DGF im Hinblick auf Komplikationen des Diabetes und zur Langzeitsicherheit.
Der Preis von Dapagliflozin ist beträchtlich: die
Tagesdosis von 10 mg kostet in Deutschland 2,24 € (OP zu 98
Filmtabletten).
Fazit: Dapagliflozin ist das
erste zugelassene orale Antidiabetikum, das über die Hemmung des renalen
Natrium-Glukose-Cotransporters-2 (SGLT-2-Hemmer) glukosurisch wirkt und dadurch
den Blutzucker und gering auch das HbA1c senkt. In den Zulassungsstudien sind UAW
aufgefallen, die zum Teil durch den Wirkmechanismus zu erklären sind, z.B.
Harnwegs- und Genitalinfektionen, Dehydratation, Verschlechterung der
Nierenfunktion. Außerdem gab es Risikosignale, z.B. vermehrt Tumore,
kardiovaskuläre Ereignisse, Leberschäden und Knochenbrüche. Während der
Therapie sind eine Reihe von Kontrollen notwendig und Interferenzen mit der
Wirkung anderer Arzneimittel zu beachten. In Anbetracht dieser unsicheren Situation
empfehlen wir derzeit Dapagliflozin nicht. Das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG; 6) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ; 7) haben das
Nutzen-Risiko-Verhältnis als negativ bewertet.
Literatur
- http://www.astrazeneca.com/Media/Press-releases/Article/20121114--forxiga-eu-approval-type-2-diabetes

- http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/ Drugs/EndocrinologicandMetabolicDrugsAdvisoryCommittee/UCM262994.pdf

- http://prescriptions.blogs.nytimes.com/2012/01/19/f-d-a-delays-approval-of-new-diabetes-drug/ ?_r=0

- http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/201302-Forxiga.pdf

- http://www.emea.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/ 002322/WC500136024.pdf

- https://www.iqwig.de/download/A12-18_Dapagliflozin_Nutzenbewertung_35a-SGB-V.pdf

- http://www.akdae.de/Stellungnahmen/AMNOG/PDF/Dapagliflozin.pdf

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