Dr. W.S. aus
Braunschweig fragt: >> Seit Anfang des Jahres bekomme ich
laufend von den hiesigen Nuklearmedizinern das Ergebnis des Vitamin-D-Spiegels
mitgeteilt, der im Rahmen der Schilddrüsendiagnostik mitbestimmt wurde. Jeder
zweite Laborwert liegt unterhalb der empfohlenen "ausreichenden Versorgung
von 75-250 nmol/l". Bei Rücksprache mit den Kollegen teilte man mir mit,
"dass auf einer Tagung Anfang 2013 Studien vorgelegt wurden, aus denen
hervorgeht, dass jeder Zweite in der Bevölkerung unterversorgt ist!" Was
ist jetzt normal? <<
Antwort: >> Wenn
Sie einen Patienten zur Schilddrüsendiagnostik überweisen, sollte nach unserer
Meinung nicht routinemäßig und unaufgefordert auch 25-Hydroxycholecalciferol
(25OHD) im Plasma gemessen werden. Die Möglichkeit, eine Laborleistung abzurechnen,
spielt hier wohl eine treibende Rolle. Die Aussage, jeder zweite Mensch sei mit
Vitamin D (VD) unterversorgt, ist nicht etwa durch die Häufigkeit klassischer
VD-Mangel-Erkrankungen (Rachitis, Osteomalazie, Myopathie) belegt, sondern
Folge der vielen inzwischen bekannten metabolischen Aktionen und Interaktionen
von VD und seinen Metaboliten. In fast allen körperlichen Systemen und bei sehr
vielen Krankheiten spielen VD-Metabolite eine Rolle, wie unzählige Arbeiten
belegen. Aber von hier bis zur Empfehlung flächendeckender Messung der 25OHD-Spiegel
oder gar genereller VD-Substitution ist ein langer Weg mit vielen nicht-evidenzbasierten
Entscheidungen. Die 25OHD-Plasmaspiegel, die den VD-Status wiedergeben, werden seit
längerem klinisch bewertet, wie schwerer Mangel, Mangel, Insuffizienz,
Suffizienz = „ausreichende Versorgung”, Intoxikation (1-4). Konsens besteht
darin, dass eine 25OHD-Konzentrationen < 25 nmol/l (< 10 ng/ml)
ein Krankheitsrisiko für Rachitis/Osteomalazie anzeigt und - nach individueller
Beurteilung und Aufklärung der Person - auch VD substituiert werden sollte (5, 6).
Bei leitliniengerechter Dosierung ist diese Substitution risikoarm und
kostengünstig. Der optimale 25OHD-Plasmaspiegel ist dagegen nicht etabliert,
liegt aber wahrscheinlich > 75 nmol/l (> 30 ng/ml).
Möglicherweise ändert er sich sogar im Laufe des Lebens.
In europäischen und US-amerikanischen Leitlinien
sowie einer sehr subtilen kanadischen Untersuchung, speziell zu Ihrer Frage (7),
wird die 25OHD-Messung im Plasma nicht als Vorsorgeuntersuchung bei jedermann,
sondern nur bei Menschen mit Risiken für einen klinisch relevanten VD-Mangel
empfohlen. Das sind z.B. Schwangere, Kinder, die zu wenig Sonne abbekommen,
alte Menschen, besonders in Heimen, solche mit mangelhafter Ernährung, Menschen
mit stark pigmentierter Haut oder Vollverschleierung, keineswegs aber
schlechthin „Schilddrüsenpatienten”. Bei Patienten nach
Schilddrüsen-Operationen kommt es nicht selten zum Hypoparathyreoidismus. Auch
hier sollte 25OHD gemessen und ein VD-Mangel ausgeglichen werden. Der VD-Status
ist auch bei Patienten mit idiopathischer Osteoporose wichtig, weil bei VD-Mangel
Therapien z.B. mit Bisphosphonaten weniger wirksam sind. <<
Literatur
- AMB 2010, 44,64.

- Holick,M.F., et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2012, 97, 1153.

- Hossein-Nezhad, A.,et al.:

- Bischoff-Ferrari, H.:Int. J. Vitam. Nutr. Res. 2012, 82, 321.

- Eichhorn, A., et al.:Dtsch. Med. Wschr. 2012, 137, 906
. Erratum Dtsch. Med. Wochenschr. 2012, 137, 1283.
- http://www.bad.org.uk/desktopDefault.aspx?TabId=1221

- http://www.health.gov.on.ca/english/ providers/program/mas/ tech/reviews/pdf/rev_vitamin d_201002.pdf

|