Verbesserungen des Ernährungs- und
Bewegungsverhaltens gehören beim Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) zur
Basistherapie. In den USA wurde im Herbst 2012 eine eigentlich auf ca. 13 Jahre
angelegte Interventionsstudie nach im Mittel 9,6 Jahren Laufzeit beendet,
in die übergewichtige DM2-Patienten eingeschlossen worden waren (1). An dieser Look-AHEAD-Studie
waren 16 Zentren beteiligt. Die 5145 Patienten zwischen 45 und 75 Jahren
(im Mittel ca. 59 Jahre) wurden zur Hälfte für eine intensive Lebensstil-Intervention
(Gruppe 1), die andere Hälfte für eine in Diabetes-Praxen übliche Behandlung
randomisiert (Gruppe 2). Etwa 59% waren Frauen, davon 63% Weiße. Etwa 13%
hatten bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung. Die Dauer des Diabetes betrug
im Mittel fünf Jahre, das mittlere Gewicht 101 kg, der Body-Mass-Index:
36 kg/m2, das mittlere HbA1c 7,2% in Gruppe 1 und 7,3% in
Gruppe 2. Blutfette und Blutdruck (ca. 130/70 mm Hg) waren fast
identisch in beiden Gruppen.
Gruppe 1 nahm in den ersten sechs Monaten
wöchentlich an einer Schulung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion teil. Die Kalorienzufuhr
sollte 1200-1800 kcal/d betragen mit Empfehlungen zum Fett- und Proteingehalt
der Nahrung. Außerdem sollten sich die Teilnehmer mindestens 175 Minuten
pro Woche bewegen, inklusive Sport. Später nahm die Häufigkeit der Schulungen
ab.
Gruppe 2 nahm in den ersten vier Jahren dreimal
pro Jahr an einer DM2-Gruppenschulung mit den Themen Ernährung und
Bewegungstherapie teil. Später wurden diese Beratungen nur noch einmal im Jahr
durchgeführt. Die medikamentöse Therapie in beiden Gruppen wurde von den betreuenden
Ärzten ambulant durchgeführt.
Der primäre Endpunkt der Studie setzte sich
zusammen aus: Tod infolge kardiovaskulärer Ursache, nicht-tödlicher
Herzinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall und Krankenhausaufnahme wegen Angina
pectoris. Außerdem wurden drei sekundäre Endpunkte untersucht, die sich
zusammensetzten aus 1. Tod infolge kardiovaskulärer Ursache,
nicht-tödlicher Herzinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, 2. Tod infolge
aller Ursachen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krankenhausaufnahme wegen Angina
pectoris und 3. Tod infolge aller Ursachen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krankenhausaufnahme
wegen Angina pectoris, koronare Bypass-OP, perkutane koronare Intervention, Krankenhausaufnahme
wegen Herzinsuffizienz oder periphere arterielle Verschlusskrankheit.
Ergebnisse:
Nach einem Jahr hatte Gruppe 1 durchschnittlich 8,6% an Gewicht abgenommen
(ca. 8,3 kg), Gruppe 2 nur 0,7% (ca. 0,5 kg). Am Ende der Studie
nach im Mittel 9,6 Jahren waren es -6% vs. -3,5%, d.h. die konventionell
behandelte Gruppe 2 hatte aufgeholt. Ähnlich verhielt sich auch der
Bauchumfang. Das HbA1c war in Gruppe 1 nach einem Jahr um ca. 0,4 Prozent-Punkte
niedriger, in Gruppe 2 um 0,1 Prozent-Punkte. Am Ende lag das HbA1c in beiden
Gruppen wieder dicht über 7% mit einer Differenz von nur noch 0,1 Prozent-Punkten.
Die Autoren berichten, dass mehr Patienten in
Gruppe 1 als in Gruppe 2 eine vorübergehende oder dauerhafte
Remission des DM2 hatten und ihre Diabetesmedikation einschließlich Insulin
häufiger reduzieren konnten. Auch besserte sich ihre mit Fragebogen (2) erhobene
Lebensqualität (3) und körperliche Fitness (4, 5), und sie waren seltener
depressiv. Diese letzteren Ergebnisse wurden bereits in speziellen Publikationen
dargestellt.
Endpunkte:
Der primäre Endpunkt ereignete sich insgesamt 403mal in Gruppe 1 und 418mal
in Gruppe 2 (Hazard ratio = HR: 0,95; 95%-Konfidenz-Intervall: 0,83-1,09).
Bei den drei vielfältig zusammengesetzten sekundären Endpunkten ergaben sich ebenfalls
keine signifikanten Unterschiede.
Einzelne Endpunkte wie Todesfälle insgesamt, tödliche
und nicht-tödliche Herzinfarkte und Herzinsuffizienz waren allerdings deutlich
seltener in Gruppe 1 mit HR zwischen 0,80 und 0,86. Allerdings reichte die
statistische „Power” der Studie trotz einer Teilnehmerzahl von ca. 5000 für die
Sicherung eines 10-15%igen Unterschiedes zwischen den Gruppen nicht aus. Keine
Unterschiede zwischen den Gruppen ergaben sich hinsichtlich Schlaganfällen oder
Krankenhausaufnahmen wegen Angina pectoris. Es wäre interessant zu wissen, wie
die kardiovaskulären Endpunkte in einer nicht-diabetischen Vergleichsgruppe mit
gleichem Übergewicht ausgefallen wären.
Diese Studie von bemerkenswert langer Dauer zeigt,
dass es trotz intensiver Beratungen mit konkreten Empfehlungen für Änderungen
im Lebensstil schwierig ist, bei adipösen DM2-Patienten nachhaltig eine größere
Gewichtsabnahme zu erreichen. Trotzdem muss die Gewichtsabnahme bei Adipositas
ein wichtiges Therapieziel bleiben. Die Ergebnisse der Studie werden in einem
Editorial von H.C. Gerstein aus Hamilton, Kanada, in diesem Sinne kommentiert
(6). Wir wissen aus den UKPDS-Studien, dass eine gute Stoffwechselkontrolle
über zehn Jahre noch in den Folgejahren das kardiovaskuläre und Letalitäts-Risiko
vermindern kann (7; sogenannter „Legacy-effect” = Vermächtnis oder Erblass). Aus
Querschnitts- und kürzeren Verlaufsstudien ist zu schließen, dass die Güte der
DM2-Behandlung einschließlich Verhaltensänderungen und Medikamenten - gemessen
am Surrogatparameter HbA1c - mit der Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen
korreliert (8, 9).
Fazit: Die
Look-AHEAD-Studie mit je ca. 2500 adipösen Typ-2-Diabetikern verglich die
Auswirkungen einer intensiven Beratung und Intervention mit dem Ziel einer
Veränderung des Lebensstils (vor allem Ernährung und vermehrte körperliche
Aktivität) mit konventioneller Behandlung. Nach im Mittel 9,6 Jahren waren
kardiovaskuläre Ereignisse und kardiovaskulärer Tod zusammengenommen nicht
signifikant seltener in der Interventionsgruppe. Jedoch ergaben sich günstige
Teileffekte bei den Endpunkten Gesamtletalität, Herzinfarkte und
Herzinsuffizienz und Vorteile bei Lebensqualität, Fitness und Depressivität.
Eine nachhaltige Gewichtsreduktion erwies sich, wie auch in anderen Studien,
als schwer erreichbar.
Literatur
- Look AHEAD(Action for HEAlth in Diabetes) Research Group: N. Engl.J. Med. 2013, 369, 145.

- http://www.sf-36.org/tools/sf36.shtml

- Williamson,D.A., et al. (Look AHEAD = Action for HEAlth in DiabetesResearch Group): Arch. Intern. Med. 2009, 169, 163.

- Foy, C.G.,et al. (Look AHEAD = Action for HEAlth in DiabetesResearch Group): Obesity (Silver Spring) 2011, 19, 83
. Erratum: Obesity (Silver Spring) 2011, 19, 233.
- Rejeski,W.J., et al. (Look AHEAD = Action for HEAlth in DiabetesResearch Group): N. Engl. J. Med. 2012, 366, 1209.

- Gerstein, H.C.: N.Engl. J. Med. 2013, 369, 189.

- AMB 2008, 42,94.

- Penno, G.,et al. (RIACE = Renal Insufficiency And CardiovascularEvents Italian multicenter study): Cardiovasc. Diabetol. 2013, 12,98.

- Shi, L.,et al.: Diabetes Care 2013 (Epub ahead of print).

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