Über den 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid (Proscar®,
Generika), der die Umwandlung von Testosteron (T) in das am Androgenrezeptor
aktivere Dihydrotestosteron (DHT) blockiert, haben wir mehrfach berichtet (1, 2).
Finasterid verkleinert bei ausgeprägter Benigner Prostatahyperplasie (BPH) das Prostatavolumen,
mindert Beschwerden und macht eine Operation wegen Blasenentleerungsstörungen oft
überflüssig. Die tägliche 5-mg-Dosis reduziert bei vielen Männern allerdings das
Ejakulat-Volumen, bei wenigen Libido und Potenz, und selten entwickelt sich
eine Gynäkomastie (3, 4). Da die BPH eine Erkrankung des höheren Lebensalters
ist, werden die meisten Männer diese UAW von Finasterid in Kauf nehmen. In
diesem Lebensalter ist Fertilität kein vorrangiges Thema mehr.
Finasterid wurde 1997 in der Tagesdosis von 1 mg
(Propecia®) zur Retardierung der Glatzenbildung (androgenetische
Alopezie) bei genetisch hierfür disponierten (meist jungen) Männern zugelassen
(vgl. 3). Die oben erwähnten UAW treten in etwas geringerem Maß auch mit
dieser Dosierung auf. Eine Mitteilung zu Finasterid und Infertilität haben wir
2006 zitiert (3, 5). Die Infertilität war nach längerem Absetzen des
Medikaments reversibel. Weitere Fallberichte erschienen in den folgenden Jahren
(6, 7). Kürzlich berichteten Samplaski et al. aus einer Fertilitätsklinik in
Toronto/Kanada über 27 Männer (mittleres Alter 37 Jahre), die Finasterid im
Mittel seit 57 Monaten eingenommen hatten und unerwünscht kinderlos geblieben
waren (8). Bei den meisten dieser Männer war im Sperma die Menge und Konzentration
der Spermien erniedrigt. Im Mittel ca. 6 Monate nach Absetzen von
Finasterid hatte die Spermienkonzentration und -menge deutlich zugenommen, im
Mittel um das 11,6-Fache. Der Anteil mobiler Spermien nahm ebenfalls etwas zu.
Die Zeit der Nachbeobachtung war zu kurz, um Aussagen zu machen über die
spontane, nicht assistierte Zeugung von Kindern nach Absetzen von Propecia®.
Es ist nicht geklärt, durch welchen Mechanismus
Finasterid die Spermatogenese supprimiert. Vermutlich hat das intratestikulär aus
T gebildete DHT eine wichtige Funktion in der Spermatogenese.
Im Jahr 1992 wurden Umweltmediziner durch die
Mitteilung von Carlsen et al. aus Kopenhagen (9) aufgeschreckt, dass die
Spermaqualität junger Männer im Laufe der letzten 50 Jahre vor dieser
Publikation deutlich abgenommen habe. Diese retrospektiven Befunde sind teilweise
bestätigt (10), von anderen Autoren infrage gestellt worden (10, 11). Die
Besorgnis ist aber geblieben, dass vielfältige additive Umweltgifte die
Fertilität beeinträchtigen könnten, so dass mehrere prospektive Studien
begonnen wurden. Samplaski et al. (8) vermuten, dass Finasterid bei Männern die
Spermiogenese und Fertilität in sehr unterschiedlichem Maße beeinträchtigt. Bei
Männern mit suboptimaler oder mangelhafter Spermaqualität wird Finasterid eher
zur Infertilität führen als bei solchen mit guter. Die deutliche Abnahme der
Spermienzahl bei den hier untersuchten Männern war nach Absetzen von Finasterid
numerisch reversibel. Dennoch halten wir es für unverantwortlich, dass
Finasterid, das so wichtige endokrinologische Schritte hemmt, mit der rein kosmetischen
Indikation der Glatzen-Retardierung beim Mann überhaupt zugelassen wurde und noch
immer auf dem Markt ist.
Fazit: Propecia®
(teure Tabletten zu 1 mg Finasterid) wurde 1997 für die Indikation
Retardierung der Glatzenbildung beim Mann zugelassen. Finasterid ist einerseits
nicht sehr wirksam, andererseits kann es zur Infertilität führen. Wir raten
generell, wie schon 2006 (3), von diesem „Kosmetikum“ mit erheblichen potenziellen
endokrinen Nebenwirkungen ab. Propecia® hätte nicht zugelassen
werden dürfen, und die Zulassung sollte möglichst bald widerrufen werden.
Literatur
- AMB 1993, 27,06.
- AMB 2013, 47,71a.

- AMB 2006, 40,40.

- Gur, S.,et al.: Expert Opin. Drug Saf. 2013, 12, 81.

- Glina, S.,et al.: Rev. Hosp. Clin. Fac. Sao Paulo 2004, 59, 203.

- Liu, K.E.,et al.: Fertil. Steril. 2008, 90, 849.

- Chiba, K.,et al.: Fertil.Steril. 2011, 95, 1786.

- Samplaski,M.K., et al.: Fertil. Steril. 2013, Epub ahead of print.

- Carlsen,E., et al.: BMJ 1992, 305, 609.

- Dama, M.S., undRajender, S.: J. Androl. 2012, 33, 740.

- te Velde, E., et al.:Hum. Reprod.2010, 25, 1348.

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