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Purin-Analoga in der Therapie der Colitis ulcerosa und das Risiko für Lymphome

Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) erhalten als Bestandteil der Erhaltungstherapie häufig Purin-Analoga (PA) wie Azathioprin (Imurek®, Generika), 6-Thioguanin oder 6-Mercaptopurin (Puri-Nethol®, Generika). Schon seit längerer Zeit gibt es die Befürchtung, dass Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) selbst oder die Therapie dieser Erkrankungen das Risiko für Lymphome erhöhen könnten. Durch anhaltende Immunsuppression im Rahmen der Therapie könnte die Reaktivierung der EBV-Replikation das Lymphomrisiko ansteigen lassen (1-2). Zu diesem Thema wurden bereits vier bevölkerungsbasierte Studien (3-6) und zwei Metaanalysen (7-8) vorgelegt, deren Ergebnisse aber uneinheitlich sind.

Die „Veterans Affairs Administration“ in den USA erhält Daten aus dem größten Gesundheitssystem der Welt mit ca. 8,3 Millionen Veteranen jedes Jahr (9). Die Daten dieses Systems wurden jetzt für eine große retrospektive Studie genutzt, um drei Fragen zu beantworten (10): 1. Wie hoch ist das Risiko einer Lymphomentwicklung bei Patienten mit CU, die mit PA behandelt werden, verglichen mit CU-Patienten, die nicht mit PA behandelt werden? 2. Wie hoch ist das Risiko einer Lymphomentwicklung bei CU-Patienten, die früher mit PA behandelt wurden? 3. Wie hoch ist das Riskiko einer Lymphomentwicklung in Abhängigkeit von der kumulativen PA-Dosis?

Hierzu wurden 36.891 Patienten mit CU aus der Zeit zwischen 2001 und 2011 ausgewertet, die keine PA erhaltenen hatten (199.046 Patientenjahre), und verglichen mit insgesamt 4734 CU-Patienten (7778 Patientenjahre), die im Beobachtungszeitraum mit PA im Median ein Jahr lang behandelt wurden bzw. mit 4662 Patienten (17.950 Patientenjahre), die früher PA erhalten hatten. Ein Lymphom wurde diagnostiziert bei 119 Patienten, die nicht mit PA, bei 18, die mit PA behandelt wurden, und bei fünf, die früher mit PA behandelt worden waren. Daraus errechnet sich eine Inzidenz für Lymphome von 0,6/1000 Patientenjahre für Patienten ohne PA- bzw. von 2,31 mit PA-Behandlung. Bei Patienten, die früher mit PA behandelt worden waren, lag die Inzidenz bei 0,28. Die Inzidenz von Lymphomen stieg mit der Therapiedauer: von 0,9/1000 Patientenjahre im 1. Jahr, 1,6 im 2. und 3. Jahr, 5,0 im 4. Jahr und auf 8,9 ab dem 4. Jahr. Die dem Alter, Geschlecht und der ethnischen Gruppe angepasste Hazard-Ratio für die Entwicklung eines Lymphoms war 4,2 (95%-Konfidenzintervall = CI: 2,5-6,8; p < 0,0001) bei den mit PA behandelten Patienten und 0,5 (CI: 0,2-1,3; p = 0,17) bei früher mit PA behandelten Patienten im Vergleich zu CU-Patienten, die kein PA erhalten hatten.

Diese große retrospektive bevölkerungsbasierte Studie bestätigt eine ältere prospektive, landesweite Beobachtungsstudie, die eine Abnahme des Lymphomrisikos nach Beendigung der Exposition mit PA gefunden hatte (3). Sie zeigt daneben, dass das Lymphomrisiko mit der Dauer der PA-Behandlung zunimmt.

Infektionen gehören zu den potenziell lebensbedrohlichen UAW von PA und möglicherweise auch Lymphome bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Sie müssen daher besonders beachtet werden. Eine weitere nicht potenziell lebensbedrohliche UAW ist das deutlich erhöhte Risiko für nicht-melanomische Hautkrebsarten, wie z.B. Basaliome (11). Wegen dieser Ergebnisse sind, wie in einem begleitenden Editorial vorgeschlagen (12), prospektive Langzeitstudien mit einer Dauer von mehr als fünf Jahren und gut definierten Verlaufsformen der CED wünschenswert, um das Nutzen-Risiko-Profil von PA besser einschätzen zu können.

Fazit: Purin-Analoga scheinen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen das Risiko für eine Lymphomerkrankung zu erhöhen. Das absolute Risiko ist allerdings gering, so dass man bei Patienten mit Colitis ulcerosa, die auf diese Therapie gut ansprechen, derzeit keinen Wechsel anstreben wird. Bei Patienten, die unter Therapie mit einem Purin-Analogon lange Zeit in stabiler Remission sind, ist ein Auslassversuch zu erwägen.

Literatur

  1. Pietersma,F., et al.: Leuk. Lymphoma 2008, 49, 1028. Link zur Quelle
  2. Larvol, L.,et al.: N. Engl. J. Med. 1994, 331,883. Link zur Quelle
  3. Beaugerie,L., et al. (CESAME = CancersEt Surrisque Associé aux Maladies inflammatoiresintestinales En France): Lancet 2009, 374, 1617. Link zur Quelle
  4. Lewis, J.D.,et al.: Gastroenterology 2001, 121, 1080. Link zur Quelle
  5. Herriton,L.J., et al.: Am J. Gastroenterol. 2011, 106, 2146. Link zur Quelle
  6. Lakatos,P.L., et al.: J. Crohns Colitis 2013, 7, 385. Link zur Quelle
  7. Kandiel, A.,et al.: Gut 2005, 54, 1121. Link zur Quelle
  8. Masunaga, Y.,et al.: Ann. Pharmacother. 2007, 41, 21. Link zur Quelle
  9. NationalCenter for Veterans Analysis and Statistics (NCVAS). Trends in the utilizationof VA programs and services. 2012. Washington, DC. Link zur Quelle
  10. Khan, N.,et al.: Gastroenterology 2013, 145, 1007. Link zur Quelle
  11. Long, M.D.,et al.: Gastroenterology 2012, 143, 390. Link zur Quelle
  12. Beaugerie,L.: Gastroenterology 2013, 145, 927. Link zur Quelle