Wir haben in den
letzten Monaten zweimal über Studien berichtet, in denen mitgeteilt wurde, dass
Gliptine (Sita-/Saxagliptin) innerhalb einiger Jahre der Anwendung das
kardiovaskuläre Risiko bei Diabetikern nicht erhöhen, aber auch nicht
reduzieren (1, 2). Im N. Engl. J. Med. ist die Saxagliptin (Onglyza®)
betreffende Studie jetzt publiziert worden (3). Daran ist bemerkenswert, dass
unter Saxagliptin Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz mit 3,5% vs. 2,8%
signifikant (p = 0,007) häufiger waren als in der Plazebo-Gruppe. Auch
Hypoglykämien waren etwas häufiger. Die Zusammenfassung des Artikels endet mit
folgendem Passus: Obwohl Saxagliptin den Blutzucker senkt, sind andere
Maßnahmen erforderlich, um das kardiovaskuläre Risiko von Diabetikern zu
reduzieren. Die Studie wurde gesponsert von AstraZeneca und Bristol-Myers
Squibb.
Im gleichen Heft
findet sich eine Studie zu dem neuen Wirkstoff Alogliptin (4). Es wurde im
Mittel 18 Monate lang bei 5380 Diabetikern mit kürzlich durchgemachtem
Herzinfarkt oder akutem Koronarsyndrom gegen Plazebo getestet. Im Vergleich mit
Plazebo (plus anderen Antidiabetika) erniedrigte Alogliptin den HbA1c-Wert um
0,36 Prozent-Punkte. Kardiovaskuläre Ereignisse, Pankreatitiden,
Neuerkrankungen an Krebs und terminaler Niereninsuffizienz waren am Ende in
beiden Gruppen nicht verschieden, auch nicht die Inzidenz von Hypoglykämien.
Aus diesen und den
früheren Publikationen dieser Art (1, 2) geht hervor, dass es sich hier um
„defensive“ Studien handelt, die durch die skandalöse Erfahrung mit dem
Thiazolidinedion Rosiglitazon (in Deutschland nicht mehr auf dem Markt)
ausgelöst wurden. Wir haben über Rosiglitazon mehrfach berichtet (5-7). Die
Food and Drug Administration (FDA) der USA verlangt seitdem vor Zulassung und
bald nach Zulassung neuer Antidiabetika nochmals den Nachweis zumindest nicht
erhöhter UAW im Vergleich mit anderen Therapien, also nicht den Nachweis einer Senkung
kardiovaskulärer Ereignisse (8). Unseres Wissens ist Metformin das einzige orale
Antidiabetikum (OAD), das in (nicht randomisierten) Langzeitstudien der UKPDS-Reihe
das Risiko für makrovaskuläre Ereignisse bei Diabetikern gesenkt hat (9). Für
andere, ältere OAD wurde dieser Nachweis, ähnlich wie für die Gliptine, nicht
erbracht.
In einem Editorial
zu den beiden neuen Gliptin-Artikeln (3, 4) und zu kardiovaskulären
Risiken von OAD allgemein kommen W.R. Hiatt und drei weitere Autoren aus den
USA (8) zu dem diplomatisch formulierten Schluss, die FDA möge nach der
Erfahrung mit Rosiglitazon kardiovaskuläre Sicherheit in Zukunft nur solchen
OAD bescheinigen, die in präklinischen und klinischen Studien den Beweis
hierfür erbracht haben, damit begrenzte finanzielle Ressourcen nicht an falscher
Stelle vergeudet werden.
Den behandelnden
Ärzten und Patienten empfehlen die Autoren des „delphischen“ Editorials (8),
ihre therapeutischen Bemühungen mehr zu richten auf ein aggressives Management
der bekannten anderen kardiovaskulären Risikofaktoren als auf eine intensive
Blutzuckersenkung. Vermutlich ist damit gemeint: viel körperliche Bewegung,
Vermeidung von starkem Übergewicht, Normalisierung des Blutdrucks und
angemessene Anwendung von Statinen. Wir halten es allerdings auch weiterhin für
ratsam, eine vernünftige individuelle glykämische Kontrolle nicht zu
vernachlässigen. Bei den oralen Antidiabetika sind auch die Preise zu bedenken:
Gliptine sind etwa achtmal teurer als Metformin oder Glibenclamid.
Fazit: Mancher Arzt und Patient
wird sich über vielzitierte neuere Publikationen pharmazeutischer Unternehmer zu
oralen Antidiabetika gewundert haben: in ihnen soll gezeigt werden, dass ihr Gliptin
kardiovaskuläre Risiken bei Diabetikern nicht steigert, wo wir doch alle darauf
warten, dass ein neuer Wirkstoff solche Risiken senkt. Diese Studien haben -
wohl wegen der Erfahrungen mit Rosiglitazon - einen defensiven Charakter. Das
einzige orale Antidiabetikum mit bisher nachgewiesener günstiger Beeinflussung
langzeitiger kardiovaskulärer Risiken ist derzeit Metformin.
Literatur
- AMB 2013, 47, 19.

- AMB 2013, 47, 62b.

- Scirica,B.M., et al. (SAVOR-TIMI 53 = Saxagliptin Assessment of VascularOutcomes Recorded in patients with diabetes mellitus-ThrombolysisIn Myocardial Infarction 53): N. Engl. J. Med. 2013, 369,1317.

- White,W.B., et al. (EXAMINE = EXamination of cArdiovascular outcoMeswith alogliptIN versus standard of carE): N. Engl. J. Med. 2013, 369,1327.

- AMB 2009, 43, 70.

- AMB 2010, 44, 47.

- AMB 2012, 46, 87.

- Hiatt,W.R., et al.: N. Engl. J. Med. 2013, 369, 1285.

- AMB 1998, 32, 81.

- Home, P.D., et al. (RECORD = RosiglitazoneEvaluated for Cardiac Outcomes and Regulation of glycaemiain Diabetes): Lancet 2009, 373, 2125.

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