Im Oktober 2013 hat der G-BA erstmals Nutzenbewertungen von
Arzneimitteln im so genannten Bestandsmarkt abgeschlossen (1, 2). Bewertet
wurden die Wirkstoffe Sitagliptin (Januvia®, Xelevia®),
Vildagliptin (Galvus®, Jalra®) und Saxagliptin
(Onglyza®) sowie entsprechende Wirkstoffkombinationen mit Metformin
(vgl. 3). Die Arzneimittel sind zur Behandlung von Patienten mit Diabetes
mellitus Typ 2 zugelassen, wenn sie durch Ernährungsumstellung und
Bewegung allein ihren Blutzucker nicht ausreichend senken können oder andere
orale Antidiabetika nicht vertragen. Für Sitagliptin und Saxagliptin wurde ein
Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen festgestellt, nicht dagegen für
Vildagliptin. Begründet wurde der geringe Zusatznutzen für Sitagliptin und
Saxagliptin mit Daten, die auf eine verringerte Häufigkeit von Unterzuckerungen
bei diesen Gliptinen im Vergleich mit den Standardtherapien, bestehend aus Metformin
und Sulfonylharnstoffen, schließen lassen. Bei Vildagliptin hingegen waren die
bewerteten Studien laut G-BA nicht geeignet, einen Zusatznutzen zu zeigen.
Diese Untersuchungen hatten zu straffe Blutzuckerziele zu Grunde gelegt und
zudem einen besonders hohen Anteil an Studienteilnehmer(inne)n mit
Blutzuckerausgangswerten berücksichtigt, bei denen eine Therapieintensivierung
nicht erforderlich gewesen wäre. Für keines der bewerteten Gliptine lagen
Langzeitdaten zu kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall
sowie zur Langzeitsicherheit für Patient(inne)n vor (2). Deswegen wurden die
Beschlüsse auf zwei Jahre befristet. Inzwischen sind Studien mit Saxagliptin
und Alogliptin und mittellanger Laufzeit publiziert, die zeigen, dass kardiovaskuläre
Ereignisse nicht häufiger sind im Vergleich mit Plazebo (vgl. 3, 4). Die
Jahrestherapiekosten pro Patient sind für die Gliptine etwa 10-fach höher als
für den Sulfonylharnstoff Glibenclamid.
Colestilan (BindRen®) ist zugelassen zur
Behandlung der Hyperphosphatämie bei Erwachsenen mit chronischer
Nierenerkrankung (Chronic Kidney Disease = CKD) im Stadium 5 mit Hämo-
oder Peritonealdialyse (5). Als Vergleichstherapie wurden kalziumhaltige
Phosphatbinder oder Sevelamer oder Lanthankarbonat festgelegt. Der G-BA stellte
fest, dass ein Zusatznutzen von Colestilan nicht belegt ist. Beispielsweise
basierte der Vergleich mit Kalziumazetat auf zwei randomisierten,
nicht-verblindeten Zulassungsstudien, in denen Kalziumazetat jedoch deutlich
höher dosiert wurde, als in den Fachinformationen empfohlen. Darüber hinaus
wurden in beiden Studienarmen noch andere Phosphatbinder eingesetzt. Der G-BA
hielt deswegen eine Verzerrung der Studienergebnisse hinsichtlich einer
Überschätzung der Wirksamkeit von Colestilan und insbesondere einer
Überschätzung der kalzium-bedingten Nebenwirkungen im Kalziumazetat-Arm für
wahrscheinlich. Die Jahrestherapiekosten pro Patient betragen für Colestilan 2.446,83-4.913,87 €
und für Kalziumazetat 136,27-363,39 €.
Linaclotid (Constella®) ist zugelassen zur
symptomatischen Behandlung des mittelschweren bis schweren Reizdarmsyndroms mit
Obstipation (RDS-O) bei Erwachsenen (6). Als Vergleichstherapie wurden eine
Ernährungsumstellung entsprechend ärztlicher Beratung sowie eine
symptomorientierte Behandlung (Obstipation, Blähungen, Krämpfe, Schmerzen)
festgelegt. Einen Zusatznutzen sah der G-BA als nicht belegt an, da in allen
drei vom pharmazeutischen Unternehmer eingeschlossenen Studien die zweckmäßige
Vergleichstherapie des G-BA nicht umgesetzt wurde. Darüber hinaus waren die
Behandlungsphasen in den Studien von 12 Wochen für die Bewertung des
Zusatznutzens von Linaclotid zu kurz. Die Jahrestherapiekosten pro Patient betragen
für Linaclotid 1.044,71 €.
Bosutinib (Bosulif®) ist als Orphan drug
zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit Philadelphia-Chromosom-positiver
chronischer myeloischer Leukämie (Ph+ CML) in der chronischen Phase (CP),
akzelerierten Phase (AP) und Blastenkrise (BK), die mit mindestens einem
Tyrosinkinaseinhibitor vorbehandelt wurden und bei denen Imatinib, Nilotinib
und Dasatinib nicht als geeignete Behandlungsoption angesehen werden
(vgl. 7). Die Bewertung des Ausmaßes des Zusatznutzens von Bosutinib basierte
auf einer einarmigen, offenen Phase-I/II-Studie. Die Zulassungspopulation von
Bosutinib wurde post-hoc als Subpopulation von 52 Patienten aus den insgesamt
546 CML-Patienten der Gesamtstudienpopulation gebildet. Bei diesen
Patienten hatte Imatinib, Dasatinib und/oder Nilotinib versagt, und die jeweils
übrigen zugelassenen Tyrosinkinaseinhibitoren wurden nicht als angemessene
Behandlungsoptionen angesehen. Aufgrund der geringen Zahl der Patienten in der
Zielpopulation und der unzureichenden Datengrundlage zu den patientenrelevanten
Endpunkten sowie aufgrund der fehlenden Kontroll-Gruppe und Verblindung sah der
G-BA ein hohes Verzerrungspotenzial für die Daten der Studie. Der Zusatznutzen
wurde als nicht quantifizierbar beurteilt (8). Der Beschluss wurde auf fünf
Jahre befristet. Die Jahrestherapiekosten pro Patient betragen für Bosutinib 69.961,64 €.
Ocriplasmin (Jetrea®) ist zugelassen zur
Behandlung der vitreomakulären Traktion (VMT) bei Erwachsenen (10). Bei Patienten
mit einer leichten Symptomatik (z.B. geringe Visusverschlechterung,
geringfügige Sehstörung, keine Progression der Symptomatik) stellte der G-BA im
Vergleich zum beobachtenden Abwarten einen Anhaltspunkt für einen
beträchtlichen Zusatznutzen fest. Grundlage waren drei randomisiert kontrollierte
klinische Studien, die eine Besserung der Sehschärfe und eine statistisch
signifikant geringere Anzahl von Vitrektomien unter der Gabe von Ocriplasmin
gezeigt hatten. Da die Dauer der Studien nur jeweils sechs Monate betrug, wurde
der Beschluss auf fünf Jahre befristet. Bei Patienten mit schwerer Symptomatik
(z.B. progrediente Visusverschlechterung) setzte der G-BA die
Pars-plana-Vitrektomie als Vergleichstherapie fest. Da dazu keine Daten
vorlagen, gilt der Zusatznutzen für diese Patientengruppe als nicht belegt. Die
Kosten für eine Packung Jetrea® zur einmaligen Injektion betragen 3.335,70 €.
Literatur
- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1822/
. http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1823/ . http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1824/ . http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1825/ . http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1826/ . http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1827/
- http://www.g-ba.de/institution/presse/pressemitteilungen/507/

- AMB 2007, 41,50
. AMB 2011, 45, 57 . AMB 2012, 46,55 . AMB 2012, 46, 56DB02 . AMB2013, 47, 19 . AMB 2013, 47, 40 . AMB 2013, 47, 72. 
- Scirica,B.M., et al. (SAVOR-TIMI 53 = Saxagliptin Assessment of VascularOutcomes Recorded in patients with diabetes mellitus - Thrombolysisin Myocardial Infarction 53): N. Engl. J. Med. 2013, 369,1317
. AMB 2013, 47, 62 und AMB 2013, 47, 93a. 
- White, W.B.,et al. (EXAMINE = EXamination of cArdiovascular outcoMeswith AlogliptIN versus standard of carE): N. Engl. J. Med. 2013, 369,1327.
AMB 2013, 47, 93a. 
- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1821/

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1835/

- AMB 2013, 47, 33.

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1833/

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1834/

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