In der Zeitschrift
Stroke wurden kürzlich Empfehlungen zur Prophylaxe von Schlaganfällen (SA) bei
Frauen als Leitlinie veröffentlicht (1). Die Erst- und eine Koautorin haben
diese sehr umfangreiche Dokumentation nochmals in einer Synopsis zusammengefasst
(2), die wir hier referieren. Hintergrund dieser Gender-spezifischen
Empfehlungen ist die Tatsache, dass Frauen häufiger (wenn auch im Mittel in
etwas höherem Lebensalter) als Männer SA erleiden und dass es für Frauen im
jüngeren Alter einige ganz spezifische Risiken für SA gibt. In den USA leben
nach diesen Erhebungen ca. 6,8 Mio. Menschen, die einen SA erlitten haben,
davon sind ca. 3,8 Mio. Frauen (3). Das seien 2,8% der erwachsenen
Bevölkerung.
Tab. 1 listet geschlechtsspezifische
Risikofaktoren für SA bei Frauen auf sowie Risikofaktoren, die bei Frauen
stärker prävalent sind als bei Männern. Bei den ausschließlich Frauen
betreffenden SA-Risiken handelt es sich um Schwangerschaft und Geburt sowie die
Einnahme von hormonalen Kontrazeptiva (OK) und HRT(Hormonersatz-Therapie)-Präparaten. Dass
Risiken wie Migräne, Vorhofflimmern (VHF), Diabetes mellitus, Hypertonie und
Depression bei Frauen häufiger vorkommen bzw. ein höheres Risiko für SA haben als
bei Männern, ist vielen Ärzten wahrscheinlich weniger bewusst.
Spezielle Aspekte. Hypertonie:
In den USA sei Hypertonie bei älteren Frauen häufiger unzureichend behandelt
als bei Männern. Dabei ist erhöhter Blutdruck von den Risikofaktoren für SA derjenige,
der am besten durch eine adäquate Behandlung günstig zu beeinflussen ist. Es
gibt keine Evidenz dafür, dass Hypertonie bei Frauen generell schlechter zu
behandeln ist als bei Männern und auch keine Empfehlungen (außerhalb der
Schwangerschaft) für eine Gender-spezifische Auswahl von Antihypertensiva. Der
antihypertensiven Therapie bei Frauen muss also mehr Aufmerksamkeit zukommen.
Vorhofflimmern: Bei älteren Frauen
kommt VHF häufiger vor als bei Männern und führt auch häufiger zu Thromboembolien.
Deshalb erhält bei der Errechnung des kardiovaskulären Risikos mittels des CHA2DS2-VASc-Scores
weibliches Geschlecht einen Extra-Punkt (vgl. 4). Nach Ansicht der
Autorinnen der Synopsis sollten Frauen > 75 Jahre mittels EKG
hinsichtlich dieser Rhythmusstörung gescreent werden. Bei Frauen mit „lone
atrial fibrillation“ (VHF ohne erkennbare Ursache) < 66 Jahren
sollte nach ihren Empfehlungen eine Prophylaxe mit einem Thrombozytenfunktionshemmer
erwogen werden.
Migräne mit Aura: Migräne ist bei
Frauen viermal häufiger als bei Männern (vgl. 5). Obwohl das absolute
Risiko für SA bei Patient(inn)en mit Migräne insgesamt gering ist, ist es speziell
bei jüngeren Frauen (< 55 Jahre) mit Migräne plus Aura deutlich
erhöht. Zudem ist auch die Häufigkeit von Migräneanfällen mit einem höheren
SA-Risiko assoziiert. Schon deshalb sollte die Häufigkeit der Anfälle durch
Vermeiden erkannter auslösender Situationen und eine geeignete medikamentöse
Therapie gesenkt werden. Zigarettenrauchen sollte reduziert - oder besser –
beendet sowie eine hormonale Kontrazeption möglichst vermieden werden, da
beides bei Migränepatienten das SA-Risiko deutlich erhöht.
Hormonale Kontrazeptiva: OK erhöhen generell
das (an sich niedrige) SA-Risiko dieser Altersgruppe um den Faktor 1,4 bis 2,0.
Das SA-Risiko bei Anwendung von OK ist bei sehr jungen Frauen (15-19 Jahre)
mit 3,4 pro 100.000 Frauenjahre gering, steigt aber bei älteren Frauen
(45-49 Jahre) exponentiell auf 64 pro 100.000 Frauenjahre an (6). Das SA-Risiko
wird allgemein und auch bei OK-Benutzerinnen durch Rauchen, Übergewicht,
Hypertonie und Diabetes mellitus gesteigert. Generell sollten Frauen
> 40 Jahren andere kontrazeptive Methoden empfohlen werden.
Bestimmte
Mutationen des von Willebrand-Faktors und andere prothrombotische Mutationen
potenzieren bei Frauen, die OK einnehmen, das SA-Risiko. Da diese Mutationen
selten sind, wird vor der Verschreibung von OK nicht generell eine Suche nach
diesen Mutationen empfohlen. Vielmehr soll bei der betreffenden Frau und ihrer
Familie eine genaue Anamnese hinsichtlich Thrombosen erhoben werden.
Menopause und HRT: Generell nehme bei
Frauen unter HRT das SA-Risiko zu. Die von uns mehrfach referierten Studien der
Women’s Health Initiative (WHI; vgl. 7) ergaben zunächst einmal, dass die
HRT nicht geeignet ist, SA und andere kardiovaskuläre Komplikationen zu verhindern.
Bei Frauen < 60 Jahren mit HRT war das SA-Risiko jedoch nicht
signifikant erhöht. Eine nicht sehr umfangreiche, aber über zehn Jahre
fortgeführte offene randomisierte kontrollierte Studie aus Dänemark (8) ergab
jedoch bei Frauen, die kurz nach Beginn der Menopause mit der HRT begonnen
hatten, 30% weniger SA als in der Kontroll-Gruppe. Frauen mit erkennbarem SA-
oder Thrombose-Risiko waren allerdings von der Studie ausgeschlossen. Auf jeden
Fall sollte eine HRT jenseits des 60. Lebensjahres vermieden werden.
Depression und
psychosozialer Stress: Verschiedene Kohortenstudien und Metaanalysen sprechen
dafür, dass diese Merkmale das Risiko für SA um ca. 25% im Vergleich mit nicht-depressiven
Frauen erhöhen. Es sei aber nicht sicher, ob dieser Risikofaktor auch für
depressive Männer zutrifft.
Lifestyle, Diabetes
mellitus: Eine gesunde Ernährung, d.h. Vermeiden von Übergewicht und Rauchen, körperliche
Aktivität sowie bei Diabetes mellitus und Hypertonie eine adäquate Behandlung sind
für beide Geschlechter wirksame Maßnahmen zur Prävention von SA. Frauen mit
Diabetes mellitus haben nach einer neuen Metaanalyse jedoch ein 25% höheres
Risiko für SA als Männer (9).
Wirksamkeit von Azetylsalizylsäure
(ASS): Eine WHS-Studie ergab, dass bei Frauen eine Prophylaxe mit ASS das
Risiko für SA (besonders ischämischen SA), nicht aber für Herzinfarkte signifikant
und bedeutsam senkt (10). Auch eine Metaanalyse von Berger et al. fand, dass
Männer durch ASS eher vor Herzinfarkten geschützt werden, Frauen dagegen eher vor
SA (11). Eine frühere umfangreiche Studie hatte diese Unterschiede nicht
ergeben (12). ASS bleibt für beide Geschlechter bei gegebener Indikation ein
wichtiges Medikament zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse.
Frauen-spezifische
SA-Risiken: Während einer Schwangerschaft ist das SA-Risiko gering (34
pro 100.000 Schwangerschaften/Entbindungen). Postpartal sei bis zur 12. Woche
nach Entbindung das Risiko aber erhöht. Neu einsetzende Kopfschmerzen,
Sehstörungen und verschiedene neurologische Störungen sind Warnsymptome, die beachtet
werden sollten. Präeklampsie ist mit einem zweifach höheren Risiko für SA und
mit einem vierfach höheren Risiko für spätere Hypertonie assoziiert.
Eine leichte bis
mittelschwere Hypertonie in der Schwangerschaft soll nach den bisherigen Empfehlungen
des American College of Obstetricians and Gynecologists im Interesse des Feten bis
zu Werten von 160/110 mmHg noch nicht behandelt werden. Die hier
besprochene Leitlinie empfiehlt, Schwangere mit Blutdruckwerten von systolisch
150-159 mmHg und von diastolisch 100-109 mmHg bereits zu behandeln,
denn hierdurch reduziere sich die Entwicklung einer Hypertonie im späteren
Leben der Frau. Das entspricht unseren Empfehlungen in einem Artikel aus dem
Jahr 2011 (13).
Fazit: Die hier
referierte Synopsis der Empfehlungen zur Prophylaxe von Schlaganfällen bei
Frauen (2) ist mit 35 Literaturstellen unterlegt. Sie basiert auf einer
sehr ausführlichen und mit vielen Tabellen und Abbildungen ausgestatteten
Leitlinie mit 449 Literaturstellen (1). Da viele hiervon Publikationen europäischer
Arbeitsgruppen sind, dürften sich diese US-amerikanischen Empfehlungen nicht
wesentlich von solchen unterscheiden, zu denen ein europäisches Review-board
kommen würde.
Literatur
- Bushnell, C., etal.: Stroke 2014, 45, 1545.
Erratum: 2014, 45, e95.
- Bushnell, C.,und McCulloch, L.: Ann. Intern. Med. 2014, 160, 853.

- Go,A.S., et al.: Circulation 2014, 129, 399.

- AMB2012, 46, 17.

- AMB2013, 47, 78.

- Lidegaard,Ø., et al.: N. Engl. J. Med. 2012, 366, 2257
. AMB 2012, 46, 57.
- AMB2001, 35, 17
. AMB 2006, 40, 57 . AMB 2007, 41, 85. 
- Schierbeck,L.L., et al.: BMJ 2012, 345, e6409
. AMB 2012, 46, 83. 
- Peters, S.A., et al.: Lancet 2014, 383, 1973
. Vgl. auch AMB 2010, 44, 73. 
- Ridker,P.M., et al. (WHS = Women's Health Study): N. Engl. J. Med. 2005, 352,1293
. AMB 2005, 39,36. 
- Berger, J.S., etal.: JAMA 2006, 295, 306.

- Antithrombotic Trialists’Collaboration: Brit. Med. J. 2002, 324, 71.
Erratum: 2002, 324,141. AMB 2005, 39, 36. 
- AMB 2011, 45, 06.

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