Zusammenfassung: Vor Entdeckung der Antibiotika waren Schwangere bis
kurz nach der Geburt des Kindes einem deutlich erhöhten Risiko ausgesetzt, an
einer Infektion zu sterben. Zu schweren Komplikationen kam es zum Beispiel bei
Pneumokokken-Pneumonien oder, nach der Geburt, auch im Rahmen anderer
bakterieller Infektionen, die unter den Begriffen Kindbett- oder
Wochenbettfieber (Puerperalfieber) zusammengefasst wurden und nicht selten zu
einer Puerperalsepsis führten. Die infektiöse Ursache des Wochenbettfiebers
wurde vom ungarisch-österreichischen Gynäkologen Ignaz Semmelweis erkannt, und
er konnte die Inzidenz durch hygienische Maßnahmen wie Händedesinfektion
senken. Trotz dieser Fortschritte kommen schwerwiegende Infektionen bei
Schwangeren auch in Industrieländern wie Deutschland vor und sind auch heute
noch die häufigste Ursache der Müttersterblichkeit. Die Behandlung von
Infektionen bei Schwangeren richtet sich nach den speziellen Nebenwirkungen und
den embryotoxischen Eigenschaften der Anti-Infektiva.
Einleitung:
Schwangere haben für bestimmte Infektionen eine höhere Empfänglichkeit (Suszeptibilität), z.B. Listeriose,
Malaria, HIV-Infektion und Influenza (s. Tab. 1). Andere Infektionen können
bei Schwangeren einen schwereren Verlauf nehmen, z.B. Hepatitis-E oder Herpes-simplex.
Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten werden in der Schwangerschaft
häufig verzögert eingeleitet, was sich nachteilig auf den Verlauf auswirken
kann. Grundsätzlich gilt, dass behandlungsbedürftige Infektionen bei
Schwangeren wie bei anderen Patienten therapiert werden. Bei der Wahl der
Anti-Infektiva müssen aber die in Tab. 2 aufgeführten Erfahrungen
hinsichtlich der besonderen Nebenwirkungen bei Schwangeren und die eventuell
toxischen Wirkungen auf den Fötus berücksichtigt werden. Eine Sepsis bei
Schwangeren ist zwar nicht häufig, aber mit einer deutlich erhöhten Letalität,
einem erhöhten Infektionsrisiko für den Föten und mit vorzeitiger Entbindung
assoziiert (1). Hinzu kommt, dass eine Sepsis bei Schwangeren häufig spät
erkannt wird, denn die Patientinnen erscheinen klinisch lange Zeit unauffällig,
verschlechtern sich dann aber sehr schnell bis hin zum septischen Schock (2).
Immunologische Veränderungen während der
Schwangerschaft: Die erhöhte Empfänglichkeit
gegenüber bestimmten
Infektionen wie auch der schwerere Verlauf mancher Infektionen in der
Schwangerschaft kann mit Veränderungen im Immunsystem erklärt werden. Während
der Schwangerschaft verändern sich die Hormonspiegel drastisch. Die
Interaktionen von Sexualhormonen und dem Immunsystem sind komplex und betreffen
unterschiedliche Organe. Die höhere Östriol-Konzentration hat z.B. einen
starken Einfluss sowohl auf die zelluläre wie auch humorale Immunantwort (3).
Niedrige Östrogen-Konzentrationen fördern die zelluläre, hohe hingegen die
humorale Immunantwort (4). Progesteron kann die Immunantwort unterdrücken und
das Gleichgewicht zwischen zellulärer und humoraler Immunantwort
beeinträchtigen (5). Die im Verlauf der Schwangerschaft ansteigenden Östrogen-
und Progesteron-Konzentrationen führen zu einer reversiblen Rückbildung des
Thymus. Es wird vermutet, dass die angeborene (unspezifische) Immunantwort im
Verlauf der Schwangerschaft gesteigert wird. Auch die Kortisolsekretion nimmt
zu, wodurch das Immunsystem ebenfalls beeinflusst werden kann (6). Im Verlauf
der Schwangerschaft nimmt die Zahl der T-Zellen (CD4 und CD8) ab (7). So findet
man bei den meisten Schwangeren niedrige Gamma-Interferon-Konzentrationen,
während die von TNF-alpha und IL-10 erhöht sind (8). Generell nimmt im Verlauf
der Schwangerschaft die zelluläre Immunantwort ab, was die schweren Verläufe
von Grippe und Kokzidioidomykose erklären könnte, denn zur Abwehr
beider Infektionen ist die zelluläre Immunantwort wichtig (8). Darüber hinaus
ist die Plazenta auch ein aktives immunologisches Organ, das mit einigen
Erregern interagiert. Der Plazentatropismus bestimmter Erreger, wie Listerien
und P. falciparum, erhöht wahrscheinlich die infektive Empfänglichkeit und führt auch zu
schwereren Verläufen mancher Infektionen (5).
Sepsis und septischer Schock: Schwangere mit
Sepsis sind im Allgemeinen jünger und haben weniger Begleiterkrankungen als der
Durchschnitt der Sepsispatienten. Daher könnte man erwarten, dass die Letalität
dieser Patientengruppe eher niedrig ist. Zahlen aus Großbritannien ergeben
aber, dass trotz des Rückgangs der Müttersterblichkeit insgesamt, die Letalität
bei Sepsis durch genitale Infektionen mit nicht-nosokomialen
Gruppe-A-Streptokokken gestiegen ist (9). Die Letalität stieg von 0,85 pro 100.000
Mutterschaften in den Jahren 2003-2005 auf 1,13 pro 100.000 Mutterschaften in
den Jahren 2006-2008. Die Sepsis ist mittlerweile die häufigste direkte Ursache
für den Tod der Mutter (9).
Die rechtzeitige Diagnose einer Sepsis in der
Schwangerschaft ist schwierig, denn viele der sonst hilfreichen Scores versagen
hier. Ein großes Problem ist auch die Seltenheit der Sepsis bei dieser
Patientengruppe sowie der lange Zeit klinisch symptomarme Verlauf mit rapider
Verschlechterung (2). Meist bestehen aber Fieber (≥ 38ºC) und
Tachykardie. Die frühzeitige Diagnose und die schnelle Einleitung der Therapie
mit intensivmedizinischer Versorgung entscheiden über den Verlauf. Die Therapie
ist grundsätzlich nicht anders als bei anderen Patienten mit Sepsis, d.h. rasche
Volumenzufuhr und antibiotische Therapie (2). Neben diesen Maßnahmen ist die
Sanierung eines eventuellen Fokus (z.B. Entfernung eines Fremdkörpers,
Abszessdrainage) für den Erfolg der Behandlung entscheidend. Bei der Auswahl
der Antibiotika kann Tab. 2 berücksichtigt werden, jedoch hat das
Überleben der Mutter hier Vorrang vor eventuell schädlichen Wirkungen auf den
Fötus.
Infektionen mit schwererem Verlauf in der
Schwangerschaft: Hepatitis E:
Die Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) verläuft bei Schwangeren meist
schwerer und hat eine hohe Letalität im 3. Trimenon (10). In Ländern mit
hoher Inzidenz wie Indien, Südostasien, mittlerer Osten und Afrika ist diese
Infektion eine häufige Ursache der Müttersterblichkeit. In Deutschland kommt
die Infektion auch vor und wird häufig nicht diagnostiziert (11). Die Ursache
der Todesfälle ist meist ein akutes Leberversagen. Die pathophysiologische
Basis für diese erhöhte Letalität im 3. Trimenon ist nicht klar. Die
Letalität bei HEV-Infektion in der Schwangerschaft wird auf 15%-25% geschätzt
(12). Ähnlich wie bei der Hepatitis A wird die Hepatitis E auch
fäkal-oral durch Schmierinfektion übertragen. Hygienische Vorsichtsmaßnahmen
können daher vor der Infektion schützen.
Herpesvirus (HSV)-Infektionen: Schwangere Frauen mit primärer HIV-Infektion haben
ein erhöhtes Risiko für eine disseminierte HSV-Infektion, besonders im
3. Trimenon (13). Dabei kann es zu einer fulminanten Hepatitis mit
Organversagen kommen. Die Letalität bei den bisher publizierten Patientinnen
ist erstaunlich hoch und liegt bei 39% für Mutter und Fötus (13). Eine
rechtzeitige antivirale Therapie kann hier lebensrettend sein. Reaktivierungen
genitaler HSV-Infektionen sind in der Schwangerschaft häufiger (10), die
klinischen Auswirkungen sind aber nicht anders als bei nicht-schwangeren
Frauen.
Malaria:
Die Empfänglichkeit für eine Infektion mit P. falciparum ist bei
Schwangeren erhöht, der Verlauf schwerer und die Letalität bei nicht frühzeitiger
Therapie hoch. Schwangere haben ein dreimal so hohes Risiko für eine schwer
verlaufende Malaria wie nicht-schwangere Frauen (14). In Indien verursachte die
Malaria zwischen 2004 und 2006 rund ein Viertel der Müttersterblichkeit (14).
Aus dem Asien-Pazifik-Raum wurde über eine mediane Müttersterblichkeit von 39%
berichtet (14). Die Rolle der Malaria bei der Müttersterblichkeit in Afrika
wurde lange unterschätzt (10).
Kokzidioidomykose: Mehrere Berichte vom amerikanischen Kontinent haben gezeigt, dass
Schwangere mit einer Kokzidioidomykose ein hohes Risiko haben für eine
Disseminierung mit schwerem Verlauf (15). Besonders im 3. Trimenon und
kurz nach der Geburt ist die Inzidenz mit 7,7-11 „Fällen“ pro 100.000 erhöht
(15). Allerdings wurden bei einem Ausbruch in Kalifornien 1993 nur
32 Infektionen bei Schwangeren identifiziert - weniger als nach den oben
genannten Zahlen zu erwarten war (15). Von diesen Patientinnen hatten nur drei
einen schweren disseminierten Verlauf und starben auch nicht daran (15).
Möglicherweise ist dies ein Hinweis, dass - zumindest in Nord-Amerika - die
Inzidenz dieser Infektion bei Schwangeren und auch das Risiko für eine
Disseminierung abnehmen.
Windpocken (Varizellen)-Infektion: Mehrere „Fallserien“ weisen auf einen schwereren
Verlauf dieser Erkrankung bei Schwangeren hin (10). In einer Analyse von 1990
bei Patienten mit einer Varizellen-Pneumonie war die Letalität bei Schwangeren
um 35% höher als bei Nicht-Schwangeren (16). Eine Darstellung der klinischen
Charakteristika von 99 Patienten mit Varizellen-Pneumonie zwischen
1965-1989 ergab, dass davon 46 Frauen waren und 28 schwanger (17). Die
erhöhte Inzidenz bei Schwangeren wurde somit auch in dieser Studie bestätigt.
Die Letalität war allerdings mit 10% nicht höher als bei den Männern oder
nicht-schwangeren Frauen (17). In einer anderen Studie aus Großbritannien und
Deutschland mit 1373 Varizelleninfektionen bei Schwangeren gab es keinen
Todesfall (18). Diese positive Entwicklung ist wahrscheinlich auf die
Verfügbarkeit einer wirksamen antiviralen Therapie zurückzuführen
(s. Tab. 1).
Influenza:
Schwangere Frauen haben ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Verlauf. Bei
der Pandemie im Jahr 1918 betrug die Müttersterblichkeit bei einer
Influenza-Infektion 27%, und während der Pandemie 1957 war sie ebenfalls erhöht
(19). Während der Pandemie mit H1N1-Influenza A gab es Hinweise, dass
Schwangere schwerer erkrankten. Dies zeigte sich auch in häufigeren Aufnahmen
in Krankenhäuser und auf Intensivstationen. Unterschiedlich waren die Daten zur
Letalität Influenza-erkrankter Schwangerer. In Nordamerika war sie offenbar
erhöht (20), in Europa war dies nicht eindeutig. Das Risiko für einen schweren Verlauf
scheint besonders im 3. Trimenon und bei disponierenden Vorerkrankungen hoch
zu sein (20).
Empfänglichkeit und schwererer Verlauf von
Infektionen in der Schwangerschaft:
Generell ist die Evidenz für eine erhöhte Empfänglichkeit für bestimmte
Infektionen in der Schwangerschaft geringer als die Evidenz für schwerere
Verläufe bestimmter Infektionen. Die meisten Daten für eine erhöhte
Empfänglichkeit von Infektionen in der Schwangerschaft gibt es für Listerien
und Plasmodium falciparum. Beide Erreger haben einen Plazentatropismus.
Die Evidenz für die Infektion mit dem HIV ist geringer. Bei der HIV-Infektion
kann die mögliche Übertragung auf das Kind durch eine antiretrovirale Therapie
verhindert werden (10).
Literatur
- Martin, G.S.,et al.: N. Engl. J. Med. 2003, 348, 1546.

- Barton, J.R., undSibai, B.M.: Obstet. Gynecol. 2012, 120, 689.
Erratum:Obstet. Gynecol. 2012, 120, 1214.
- Cvoro, A., etal.: J. Immunol. 2008, 180, 630.

- Straub, R.J.:Endocr. Rev. 2007, 28, 521.

- Mor, G., undCardenas, I.: Am. J. Reprod. Immunol. 2010, 63, 425.

- Suri, D., etal.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2006, 91, 3866.

- Zoller, A.L.,et al.: Immunology 2007, 121, 207.

- Pazos, M., etal.: Immunol. Res. 2012, 54, 254.

- Cantwell, R.,et al.: BJOG 2011, 118 Suppl. 1, 1.

- Kourtis,A.P., et al.: N. Engl. J. Med. 2014, 370, 2211.

- Pischke, S., et al.:Dtsch. Arztebl. Int. 2014, 111, 577.

- Aggarwal, R.,und Krawczynski, K.: J. Gastroenterol. Hepatol. 2000, 15, 9.

- Kang, A. H.,und Graves, C.R.: Obstet. Gynecol. Surv. 1999, 54, 463.

- Rijken, M.J.,et al.: LancetInfect. Dis. 2012, 12, 75.

- Bercovitch,R.S., et al.: Clin.Infect. Dis. 2011, 53, 363.

- Haake, D.A.,et al.: Rev. Infect. Dis. 1990, 12, 788.

- Esmonde,T.F., et al.: Thorax 1989, 44, 812.

- Enders,G.: Prog. Med. Virol. 1984, 29, 166.

- Cervantes-Gonzalez,M., und Launay, O.: Expert. Rev. Anti. Infect. Ther. 2010, 8, 981.

- Siston,A.M., et al.: JAMA 2010, 303, 1517.

- https://www.embryotox.de/

- AMB 2010, 44,94b.

- Rasmussen,S.A, und Jamieson, D.J.: N. Engl. J. Med. 2014, 371, 1373.

|