Drei
Medikamentengruppen werden zur initialen Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms
(IPS) empfohlen: Levodopa (L-Dopa), Dopamin-Agonisten (DoA) und MAO-B-Hemmer
(MBH; 1). Levodopa ist der Goldstandard. Leider lässt
die Wirkung von Levodopa mit der Zeit nach, und es kommt zu motorischen Spätkomplikationen. Daher
wurden „Levodopa-sparende“ Alternativen gesucht und propagiert, insbesondere
für jüngere Patienten. Man glaubt, durch den primären Einsatz von DoA (z.B.
Pramipexol) und MBH (z.B. Selegilin) Levodopa später einsetzen zu können und
somit das Problem des Wirkverlusts verzögern zu können. Ob diese Strategie hält,
was sie verspricht, ist jedoch nicht klar. Außerdem sind DoA und MBH schlechter
verträglich als Levodopa.
Um den
Stellenwert der drei genannten Arzneimittelgruppen in der Initialtherapie des
IPS zu testen, wurde unter der Leitung von Neurologen aus Oxford und Birmingham
die bislang größte randomisierte kontrollierte Studie zur Parkinson-Behandlung durchgeführt
(2). Es sollte geklärt werden, welche der genannten Substanzgruppen die
Lebensqualität von Parkinson-Patienten am günstigsten beeinflusst und – daraus
abgeleitet – welche Initialtherapie zu bevorzugen ist. Die Studie wurde mit
öffentlichen Geldern finanziert.
In einem
sog. pragmatischen Open-label-Design wurden zwischen November 2000 und Dezember
2009 insgesamt 1620 Patienten mit neu diagnostiziertem IPS an 98 neurologischen
und geriatrischen Zentren in Großbritannien und an je einem Zentrum in
Tschechien und Russland eingeschlossen. Die Patienten waren entweder noch nicht
(92%) oder weniger als sechs Monate behandelt worden, ohne dass festgelegt war,
welches Medikament eingenommen werden sollte. Das mittlere Alter der Patienten
betrug 70 Jahre, 65% waren Männer. 50% der Patienten befanden sich zu
Beginn der Studie im Krankheitsstadium 1-1,5 nach Hoehn und Yahr (leichte
Erkrankung, einseitig mit/ohne axiale Beteiligung), 22% in Stadium 2
(beidseitige Erkrankung ohne Gleichgewichtsstörungen) und 28% in den Stadien
2,5-5 (schwerere Formen). Der PDQ-39-Mobility-Score betrug im Mittel 30 Punkte.
In diesem Fragebogen beantworten die Patienten 39 Fragen zu ihrer
alltagsrelevanten, gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Bewertet werden u.a.
Mobilität (bis 40 Punkte), Alltagsaktivitäten (bis 24 Punkte),
emotionales Wohlbefinden (bis 24 Punkte), soziale Stigmatisierung durch
die Erkrankung (bis 16 Punkte) und Notwendigkeit von sozialer
Unterstützung (bis 12 Punkte). Der maximale Punktwert beträgt 156 und
entspricht einer maximalen Einschränkung.
Die
Patienten wurden in drei Gruppen randomisiert: initiale Behandlung mit
Levodopa, DoA oder MBH. Welche Präparate jeweils eingesetzt wurden, war den
behandelnden Ärzten freigestellt. Diese konnten einen Patienten auch im
Vorhinein von einer Randomisierung zu Levodopa, DoA oder MBH ausschließen, wenn
ihnen der Patient hierfür als ungeeignet erschien. Das Hinzufügen oder Wechseln
auf eine andere Substanzklasse während der Nachbeobachtung war nur erlaubt,
wenn die Symptome mit dem primär eingesetzten Mittel nicht zu kontrollieren waren
oder bedeutsame Nebenwirkungen auftraten. Primärer Studienendpunkt war der
PDQ-39-Score, also die selbst eingeschätzte Lebensqualität. Sekundäre Endpunkte
waren u.a. Therapieadhärenz, kognitive Funktionen (gemessen mit der Mini-Mental State Examination = MMSE), Entwicklung
einer Demenz, Dyskinesien, Krankenhausaufnahmen und Letalität. Die mediane
Nachbeobachtung betrug drei Jahre (0-7 Jahre). Die Ergebnisse wurden nach „intention
to treat“ analysiert.
Ergebnisse: Bedingt
durch die Möglichkeit, bestimmte Wirkstoffe auszuschließen, wurden
1058 Patienten (65%) für alle drei Medikamentengruppen randomisiert und
562 nur für zwei Medikamentengruppen (348 DoA oder Levodopa und
214 DoA oder MBH). Insgesamt wurden 524 Patienten primär mit Levodopa
behandelt (32,6%), 626 mit einem DoA (meist Ropinirol oder Pramipexol) und 447
mit einen MBH (meist Selegilin oder Rasagilin). Die Levodopa-Dosis musste
erwartungsgemäß über die Jahre gesteigert werden: die mittlere Tagesdosis
betrug im ersten Jahr 347 mg (± 139 mg) und nach sieben Jahren
531 mg (± 229 mg). Aber auch die Dosierungen von DoA und MBH
wurden über die Jahre in vergleichbarem Ausmaß gesteigert. Der Wechsel auf ein
anderes Präparat oder eine Zweier-Kombination wurde im Studienverlauf deutlich
häufiger bei den Levodopa-sparenden Medikamenten erforderlich: 74% mit DoA und
88% mit MBH. Im Levodopa-Stratum wurde eine Therapiemodifikation bei 41% der
Patienten als notwendig erachtet. Der mit Abstand häufigste Grund für eine
Therapiemodifikation waren Nebenwirkungen. Sie traten unter DoA (28%) und MBH
(23%) wesentlich häufiger auf als unter Levodopa (2%). Jede(r) Zehnte
entwickelte unter Levodopa-sparender Therapie bedeutsame psychiatrische
Probleme, wie Psychosen, Konfusionen und Depressionen (12% bei DoA und 9% bei
MBH). Solche Nebenwirkungen waren im Levodopa-Arm deutlich seltener (0,5%). Bei
den übrigen Nebenwirkungen handelte es sich überwiegend um Schlafstörungen
sowie gastrointestinale Symptome. Die Nebenwirkungen wurden in der Mehrzahl als
mild und bei 16 Patienten als schwerwiegend klassifiziert (neun bei DoA,
vier bei MBH und drei mit Levodopa). Der zweithäufigste Grund für eine Änderung
der initialen Therapie war eine unzureichende Wirksamkeit. Diese war deutlich
häufiger unter Levodopa-sparender Medikation: 17,4% bei MBH, 5,6% bei DoA und
0,9% bei Levodopa.
Der
selbst bewertete Therapieerfolg bzw. die Lebensqualität nach durchschnittlich
drei Jahren war mit Levodopa geringfügig besser als mit den Levodopa-sparenden
Arzneimitteln (vgl. Tab. 1). Der PDQ-39-Gesamtscore war statistisch
signifikant um einen Punkt besser als mit DoA und MBH. Dieser Vorteil lag
jedoch unterhalb der als „minimal important difference“ (MID) definierten
Grenze von 1,6 Punkten (Ausgangswert 30 Punkte). Levodopa schnitt
gegenüber den DoA und MBH besonders bei der Mobilität, den Aktivitäten des
täglichen Lebens und dem Gefühl der Stigmatisierung durch die Erkrankung besser
ab. Der einzige Nachteil von Levodopa gegenüber den Levodopa-sparenden
Medikamenten waren vermehrt Dyskinesien (Hazard ratio = HR: 1,52;
CI: 1,16-2; p = 0,003). Hinsichtlich der motorischen
Fluktuationen fanden sich keine Unterschiede. Bei dem Vergleich zwischen DoA
und MBH schnitt letzteres etwas besser ab bei der Mobilität, Kognition und Stigma
(Tab. 1).
Auch bei
den sekundären Endpunkten fanden sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen
Levodopa und den Levodopa-sparenden Medikamenten. Es zeigten sich geringfügig bessere
Werte beim EuroQol EQ-5D-Score (+0,03; CI: 0,01-0,05; p = 0,0002)
und beim Verlauf des Hoehn & Yahr-Scores (+0,07; CI: 0,03-0,12; p = 0,0009).
Der Abfall im MMSE innerhalb von fünf Jahren betrug sowohl mit Levodopa als
auch mit DoA/MBH durchschnittlich 1,9 Punkte. Allerdings entwickelten
weniger Patienten im Levodopa-Stratum eine Demenz (HR: 0,81; CI: 0,61-1,08;
p = 0,14). Zudem gab es im Levodopa-Arm weniger Krankenhausaufnahmen
(HR: 0,86; CI: 0,63-1,18; p = 0,4) und weniger Todesfälle
(HR: 0,85; CI: 0,69-1,06; p = 0,17).
Kritisch
muss gesehen werden, dass der Beobachtungszeitraum von sieben Jahren (im Mittel
drei Jahre) für junge Patienten mit IPS immer noch zu kurz ist, um eine
abschließende Bewertung abgeben zu können. Trotzdem ist nach der PD-MED-Studie
die Strategie, bei jüngeren Patienten DoA oder MBH vorzuziehen, um die
Behandlung mit Levodopa hinauszuzögern, anzuzweifeln. Es besteht also weiter
Forschungsbedarf.
Fazit: Levodopa ist das wirksamste Arzneimittel zur Behandlung des
idiopathischen Parkinson-Syndroms. Die Strategie, initial mit „Levodopa-sparenden
Wirkstoffen“ (Dopamin-Agonisten, MAO-B-Hemmern) zu
behandeln, um dem Wirkungsverlust und den motorischen Spätkomplikationen von
Levodopa entgegenzuwirken, scheint nach dieser größten Parkinson-Studie keine
Vorteile gegenüber einem Therapiebeginn mit Levodopa zu haben. Im Gegenteil:
unter Dopamin-Agonisten und MAO-B-Hemmern
traten deutlich häufiger Nebenwirkungen auf, und die Therapie musste häufiger
modifiziert werden.
Literatur
- S2 Leitlinieder Deutschen Gesellschaft für Neurologie,

- PD MedCollaborative Group: Lancet 2014, 384, 1196.

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