Bei elektrischer oder pharmakologischer Kardioversion von
Vorhofflimmern ist das Risiko für periprozedurale thromboembolische Ereignisse
hoch. Die Schlaganfallrate ohne Antikoagulanzienschutz wird mit 5-7% angegeben
(1). Der Grund hierfür ist, dass sich im flimmernden hypokontraktilen linken
Vorhof, besonders in seinem Ohr, nicht selten Thromben bilden und diese nach
Wiederherstellen des Sinusrhythmus durch die wieder normale Vorhofkontraktion
mobil werden können. Auf diese Weise können Schlaganfälle bis zu drei Wochen
nach bzw. durch Kardioversion auftreten.
Durch Antikoagulation kann die periinterventionelle
Häufigkeit von Schlaganfällen auf 0,5-1,6% gesenkt werden. Daher darf eine
Kardioversion, ob elektrisch oder medikamentös, nur unter Antikoagulanzienschutz
erfolgen (1). Die Antikoagulation muss mindestens drei Wochen vor der
Kardioversion beginnen und danach weitere vier Wochen erfolgen, und zwar unabhängig vom
individuellen Schlaganfallrisiko (CHA2DS2VASc-Score;
vgl. 2). Alternativ kann auch ohne Vorbehandlung mit Antikoagulanzien eine Kardioversion durchgeführt werden, wenn unmittelbar
zuvor mittels transösophagealer Echokardiographie (TEE) ein Vorhofthrombus
ausgeschlossen wird („early cardioversion“). Eine vierwöchige Nachbehandlung
mit Antikoagulanzien ist jedoch auch bei diesem Vorgehen obligat.
Beim periinterventionellen Gerinnungsmanagement mit
Vitamin-K-Antagonisten (VKA) muss die INR konsequent im Zielbereich liegen.
Anderenfalls darf aus Sicherheitsgründen nicht kardiovertiert werden. Dieses
Problem eröffnet den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) eine weitere
Indikation. In der von Bayer HealthCare Pharmaceuticals und Janssen Scientific Affairs LLC gesponserten X-VeRT-Studie (3) sollte daher geprüft
werden, ob Rivaroxaban gegenüber VKA als Antikoagulans bei Kardioversion nicht
unterlegen ist. Darüber
hinaus wurden die beiden Strategien „early vs. delayed cardioversion“ (EC vs.
DC) miteinander verglichen, also die TEE-gesteuerte unverzügliche gegen die
späte Kardioversion ohne TEE mit dreiwöchiger Antikoagulanzienvorbehandlung. In
die randomisierte, kontrollierte Studie wurden 1.504 Patienten mit
Vorhofflimmern an 141 Zentren in 16 Ländern eingeschlossen. Zwei
Drittel der Patienten erhielten Rivaroxaban (einmal 20 mg/d) und ein
Drittel VKA (INR 2-3). Die Entscheidung, ob die Patienten eine EC oder DC erhielten,
blieb den behandelnden Ärzten und den Patienten freigestellt. Bei einer DC
musste die Vorbehandlung mit Rivaroxaban oder VKA für 3-8 Wochen erfolgen. Bei
einer EC brauchten die Patienten nur kurzfristig vorbehandelt zu werden (VKA
für 1-5 Tage, Rivaroxaban spätestens 4 h vor der Kardioversion). Ob
zur Kardioversion zusätzlich noch Heparin gegeben wurde, blieb den Ärzten
freigestellt. Die
Nachbehandlung mit Antikoagulanzien erfolgte in jedem Fall über sechs Wochen.
Der primäre Endpunkt zur Wirksamkeit war zusammengesetzt
aus Schlaganfall und TIA, peripherer Embolie, Myokardinfarkt und Tod nach
30 Tagen. Primärer Sicherheitsendpunkt war die Häufigkeit von
Major-Blutungen (Kriterien der International Society of Thrombosis and
Haemostasis = ISTH).
Ergebnisse: Insgesamt 1002 Patienten
erhielten Rivaroxaban und 502 VKA. Die klinischen Risiken in den beiden Armen
waren etwa gleich. Bei 22% war das Vorhofflimmern Erstdiagnose, 20% hatten
paroxysmales, 53% persistierendes und 4% lang persistierendes Vorhofflimmern. 12% der Patienten
hatten einen CHA2DS2-VASc-Score von null, 22%
einen Punkt und 63% ≥ 2 Punkte. Bei
872 Patienten (58%) entschieden sich die Ärzte für eine TEE-gesteuerte EC und
bei 632 Patienten (42%) für eine DC. Bei 88% der Patienten, die sich für
eine EC entschieden hatten, erfolgte diese auch tatsächlich. Bei den übrigen
Patienten konvertierte das Vorhofflimmern spontan in den Sinusrhythmus (6,2%)
oder es wurde im TEE ein Thrombus nachgewiesen (2,8%). Bei den Patienten, die
sich für eine DC entschieden hatten, erfolgte diese nur bei 63% während der
Studie. Bei einem Drittel wurde nicht kardiovertiert, weil die Antikoagulation
im Vorfeld lückenhaft war (n = 96; 15%), eine Spontankonversion
eintrat (8,8%) oder bei einer ungeplanten TEE doch ein Vorhofthrombus nachgewiesen
wurde (1,5%). Die lückenhafte Antikoagulation unter VKA führte bei 64 Patienten
zu einer ungeplanten TEE und zu einer Verzögerung der Kardioversion um
durchschnittlich zehn Tage.
Die Kardioversionen erfolgten zu 97,6% elektrisch und zu 2,4%
pharmakologisch. Die primäre Erfolgsrate lag bei 86,6%. Das Studienergebnis ist
in Tab. 1 dargestellt. Insgesamt wurde der primäre Wirksamkeitsendpunkt
von zehn der insgesamt 1.470 Patienten erreicht, im VKA-Arm bei fünf von 492
Patienten, im Rivaroxaban-Arm bei fünf von 978 Patienten, also etwa halb so
häufig. Sowohl bei der EC als auch bei der DC trat der primäre Endpunkt unter
Rivaroxaban seltener auf als unter VKA (0,71% vs. 1,08% bzw. 0,24% vs. 0,93%), und
auch hinsichtlich der Major-Blutungen war Rivaroxaban den VKA zumindest
gleichwertig (0,6% vs. 0,8%). Eine Überlegenheit der einen oder anderen
Substanz konnte bei 1.500 Patienten statistisch nicht herausgearbeitet werden.
Hierfür wären über 25.000 Patienten notwendig gewesen, was als unrealistisch
eingeschätzt wurde.
Für den Alltag relevant ist auch der Vergleich zwischen EC
und DC: Nach einem Monat befanden sich 55,2% der Patienten, die sich für eine DC
entschieden hatten, im Sinusrhythmus gegenüber 76% bei EC. Der primäre Endpunkt
(Schlaganfall, TIA, periphere Embolie, Myokardinfarkt und Tod) wurde immerhin
von 0,47% bzw. 0,8% erreicht (jede 125.-200. Kardioversion) und Major-Blutungen
traten bei 0,9% bzw. 0,7% auf. Insgesamt waren die Abläufe im DC-Arm
komplizierter, was vor allem auf die unzuverlässige Antikoagulation unter VKA
zurückgeführt werden kann.
Fazit: Bei einer Kardioversion von Vorhofflimmern
scheint nach der X-VeRT-Studie Rivaroxaban als perioperatives Antikoagulans den
Vitamin-K-Antagonisten mindestens gleichwertig zu sein, sowohl hinsichtlich
periinterventioneller Thromboembolien als auch hinsichtlich
Blutungskomplikationen. Das antithrombotische Management mit Rivaroxaban ist
jedoch weniger kompliziert. Daher hat es bei den wenigen Patienten, die
nachfolgend nicht dauerhaft antikoaguliert werden müssen, praktische Vorteile
gegenüber den VKA.
Literatur
- ESCGuidelines for the Management of atrial fibrillation: Eur. Heart J. 2010, 31,2369
. Erratum: Eur. Heart J. 2011, 32,1172.
- AMB 2012, 46,17.

- Cappato, R.,et al. (X-VeRT = EXplore the efficacy and safety of once-daily oral riVaroxabanfor the prevention of caRdiovascular events in patients withnon-valvular aTrial fibrillation scheduled for cardioversion): Eur.Heart J. 2014, Sep 2. pii: ehu367. [Epub ahead of print].

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