Pneumonien sind die vierthäufigste Todesursache weltweit
(1). Die Prognose der ambulant erworbenen Pneumonie hat sich durch die
antibiotische Behandlung deutlich verbessert, aber Morbidität und Letalität sind
nach wie vor hoch (2). Bei speziellen Pneumonien, wie z.B. durch Pneumocystis
jirovecii (früher carinii) hat die zusätzliche Therapie mit einem
Kortikosteroid das Überleben verbessert (vgl. 3). Günstige Effekte wurden
auch bei der Pneumokokkenpneumonie schon in den 1950er Jahren beschrieben (4).
Zwei kleinere prospektive Studien kamen allerdings zu widersprüchlichen
Ergebnissen (5, 6). Der therapeutische Stellenwert einer zusätzlichen
Behandlung mit Prednisolon bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie wurde
nun in einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten
Studie untersucht (7). Die Patienten waren von den Ärzten ins Krankenhaus
eingewiesen worden.
In die Studie, an der sieben Krankenhäuser
in der Schweiz teilnahmen, wurden 785 Patienten (Mindestalter
18 Jahre) mit ambulant erworbener Pneumonie eingeschlossen. Sie hatten
radiologisch ein Infiltrat in der Lunge und mindestens eines der folgenden
Kriterien: Husten, Auswurf, Dyspnoe, Temperatur ≥ 38ºC, typischer
Auskultationsbefund, Leukozytenzahlen von ≥ 10.000/µl oder ≤ 4.000/µl.
Der Einschluss in die Studie musste innerhalb von 24 Stunden nach
Vorstellung in der Klinik erfolgen. 392 Patienten erhielten zusätzlich zur
antibiotischen Therapie 50 mg/d Prednisolon für sieben Tage und
393 Plazebo.
Der Schweregrad der Pneumonie wurde mit
Hilfe des PSI (Pneumonia Severity Index; Risiko-Klassen: I-V ermittelt (8, 9).
Er war in beiden Gruppen etwa gleich. Die Hälfte der Patienten in beiden
Gruppen hatte die Risiko-Klassen I-III. In diesen Klassen besteht ein geringes
30-Tage-Letalitätsrisiko von 0,1-0,9%. Jeweils ca. 36% der Patienten fiel in
die PSI-Klasse IV mit einem mittleren Letalitätsrisiko von 9-10% und jeweils 14%
in Klasse V mit dem hohem Letalitätsrisiko von 27%.
Der primäre Endpunkt war die Zeit in Tagen bis zu einer „stabilen
klinischen Situation“ für mindestens 24 h. Zu den Kriterien der stabilen
klinischen Situation gehörten: Körpertemperatur von ≤ 37,8ºC,
Herzfrequenz ≤ 100/min, spontane Atemfrequenz von ≤ 24/min.,
systolischer Blutdruck ≥ 90 mmHg ohne Infusion von Katecholaminen,
ein mentaler Status wie vor der Erkrankung, die Fähigkeit normal zu essen, PaO2
≥ 60 mmHg unter Raumluft, oder 90% Sättigung gemessen mit dem
Pulsoximeter.
Das Durchschnittsalter lag bei 74 Jahren in der
Prednisolon- und bei 73 Jahren in der Plazebo-Gruppe. Das CRP betrug zu
Beginn 159 mg/l (80,3-245 mg/l) bzw. 164 mg/l (79,1-250 mg/l).
Die antibiotische Therapie wurde nach den in der Schweiz geltenden Leitlinien
für die ambulant erworbene Pneumonie durchgeführt. Die meisten Patienten
erhielten deshalb Ampicillin/Clavulansäure oder Ceftriaxon i.v. Alle 12 h
wurden von einer Studienschwester die Vitalparameter (s.o.) erhoben. Nach
Entlassung aus dem Krankenhaus wurden die Patienten telefonisch befragt. Der
letzte Kontakt erfolgte 30 Tage nach Einschluss, um sekundäre Endpunkte
der Studie zu erfassen, wie z.B. neu aufgetretener Diabetes, Rezidiv der
Pneumonie, Wiederaufnahme in ein Krankenhaus.
Die mediane Dauer bis zur stabilen klinischen Situation war
in der Prednisolon-Gruppe kürzer als in der Plazebo-Gruppe (3,0 Tage;
Interquartile-Range = IQR: 2,5-3,4 vs. 4,4 Tage; IQR: 4-5; Hazard-Ratio:
1,33; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,15-1,5; p < 0,0001). Die Zahl
Pneumonie-assoziierter Komplikationen bis zum Tag 30 unterschied sich in
beiden Gruppen nicht signifikant: n = 11 (3%) vs. 22 (6%); Odds ratio
= OR: 0,49; CI: 0,23-1·02; p = 0,056. In der Prednisolon-Gruppe
mussten während des Krankenhausaufenthalts häufiger Hyperglykämien mit Insulin
behandelt werden als in der Plazebo-Gruppe: n = 76 (19%) vs. n = 43
(11%); OR: 1,96; CI: 1,31-2,93; p = 0,0010. Die Gesamtletalität (direkt
Pneumonie-assoziiert und durch Komplikationen bedingt) betrug in der Prednisolon-Gruppe
1% (n = 5) und in der Plazebo-Gruppe 2% (n = 7).
Bei der Interpretation der Studienergebnisse sind mehrere
Punkte zu berücksichtigen: 1. Es wurden nur Patienten untersucht, die ins
Krankenhaus eingewiesen worden waren. Die Ergebnisse können also nicht auf
ambulant behandelte Patienten mit Pneumonie übertragen werden. 2. Die
Studie war nicht für Aussagen zur Letalität „gepowert“, d.h. die Ergebnisse
sind in dieser Hinsicht nicht robust. 3. Der primäre Endpunkt (stabile
klinische Situation) war aus mehreren klinischen Parametern mit sehr
unterschiedlicher Bedeutung kombiniert. 4. Durch die Behandlung der
Prednisolon-induzierten Hyperglykämie war möglicherweise bei einigen Patienten
dieser Gruppe die Verblindung nicht mehr gegeben.
Fazit: Bei
Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie unterschiedlichen Schweregrads, die
im Krankenhaus behandelt wurden, verkürzte Prednisolon (50 mg/d) für
sieben Tage – zusätzlich zur antibiotischen Therapie – die Zeit bis zur
klinischen Stabilisierung von 4,4 auf 3 Tage. Komplikationen waren nicht
häufiger. Eine allgemeine Empfehlung zur zusätzlichen Behandlung mit
Prednisolon kann jedoch aus dieser Studie nicht abgeleitet werden. Möglicherweise
profitieren Patienten mit speziellen Erregern oder in unterschiedlichen
Risiko-Klassen bei Pneumonie (PSI). Dies müsste aber in weiteren Studien
untersucht werden.
Literatur
- WorldHealth Organization. The top 10 causes of death. Geneva 2015.

- Dellinger,R.P., et al.: Intensive Care Med. 2013, 39, 165.

- Pareja,J.G., et al.: Chest 1998, 113, 1215.
Vgl. AMB1999, 33, 47a. 
- Wagner,H.N., et al.: Bull. Johns Hopkins Hosp. 1956, 98, 197.

- Siempos,I.I., et al.: J.Antimicrob. Chemother. 2008, 62, 661.

- Nie, W., etal.: PloS One 2012, 7, e47926.

- Blum, C.A.,et al. Lancet2015 in press

- Fine,M.J., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 336, 243.
- http://pda.ahrq.gov/clinic/psi/psicalc.asp

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