Dr. L.B. aus B. schreibt: >> Im AMB vom Dezember 2014
haben Sie eine sehr hilfreiche Tabelle zur Abschätzung von Nutzen und Risiken
von oralen Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern gezeigt. Es wäre über alle Maßen
hilfreich, eine solche Tabelle vervollständigt zu zeigen, z.B. auch noch mit
Angaben zur Behandlung mit ASS bei Vorhofflimmern. Es mehren sich derzeit
Probleme der Behandlung hochbetagter Menschen mit Sturzgefahr bei bestehendem
Vorhofflimmern, für die dann ein alternatives Therapieregime zu finden ist.
<<
Antwort: >> Der Wert von ASS zur Schlaganfallprophylaxe
bei Vorhofflimmern ist nach einer Metaanalyse aus dem Jahre 2007 mit insgesamt 29 Studien
und > 28.000 Patienten (1) wie folgt einzuschätzen: Vitamin-K-Antagonisten
(VKA) reduzieren Schlaganfälle um 64% und ASS um 22%. Der Nutzen von ASS nimmt mit
zunehmenden Lebensalter und steigendem Thromboembolierisiko ab. Das Risiko
einer intrazerebralen Blutung war mit ASS insgesamt gering (0,2%-0,5%/Jahr).
Mit VKA ist das Risiko etwa doppelt so hoch wie mit ASS (absolut 0,2%
Unterschied/Jahr). Auch eine duale Plättchenhemmung mit ASS plus Clopidogrel
ist bei älteren Patienten der oralen Antikoagulation (OAK) mit VKA deutlich
unterlegen. Dies wurde in der ACTIVE-W-Studie an 6.706 Patienten > 75
Jahre nachgewiesen (2). Der kombinierte Endpunkt (Schlaganfall, Thromboembolie)
wurde im VKA-Arm von 3,9% der Patienten pro Jahr erreicht und mit ASS plus Clopidogrel
von 5,6%. Blutungskomplikationen traten etwa gleich häufig auf (2,4% vs. 2,3%);
Hirnblutungen waren (nicht signifikant) häufiger unter VKA (0,6% vs. 0,3%). Wir
haben damals den Schluss gezogen: „Das Ergebnis der ACTIVE-W-Studie ist
eindeutig. ASS plus Clopidogrel ist keine Alternative zur Antikoagulation bei
Patienten mit Vorhofflimmern“ (3). Diese Einschätzung teilen auch alle großen Leitlinien
zur Therapie bei Vorhofflimmern. Bei der Europäischen Herzgesellschaft (ESC) spielt
ASS bei Patienten > 75 Jahren und/oder Patienten mit erhöhtem
Thromboembolierisiko überhaupt keine Rolle in der Prävention. ASS wird nur für
jüngere Patienten mit niedrigem Thromboembolierisiko (als Alternative zur
Nichtbehandlung) genannt (4).
Die Einnahme von ASS ist also bei den angesprochenen
hochbetagten, sturzgefährdeten Patienten mit Vorhofflimmern keine durch Studien
belegte Alternative zur oralen OAK. Sturzgefährdete Patienten haben generell ein
erhöhtes Risiko für traumatische Hirnblutungen, wobei die OAK nicht per se das
Blutungsrisiko erhöht, aber das klinische Ergebnis bei einer traumatischen
Hirnblutung verschlechtert (5). Ob eine Hirnblutung durch Trauma unter Einnahme
von ASS besser verläuft als unter VKA ist fraglich. <<
Literatur
- Hart, R.G., et al.: Ann. Intern.Med. 2007, 146, 857.

- Conolly,S., et al. (ACTIVE W = Atrial fibrillation Clopidogrel Trialwith Irbesartan for prevention of Vascular Events W):Lancet 2006, 367, 1903.

- AMB 2006,40, 60.

- Camm,A.J., et al.: Eur. Heart J. 2010, 31, 2369
. Erratum: Eur. Heart J. 2011, 32,1172.
- Gage, B.F., etal.: Am. J. Med. 2005, 118, 612.

|