Von den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) verspricht die
Werbung, sie seien einfacher anzuwenden als Vitamin-K-Antagonisten, weil ihr
gerinnungshemmender Effekt besser vorauszusagen ist und sie in fixen Dosen ohne
regelmäßige Gerinnungskontrollen eingenommen werden können.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass eine solche „blinde“ Behandlung
mit NOAK ihre Probleme hat: denn blutet ein Patient oder hat er einen Hb-Abfall,
kann nicht ohne weiteres nachgemessen werden, ob er möglicherweise zu stark antikoaguliert
ist. Aus einer Post-hoc-Analyse der RE-LY-Studie ist bekannt, dass bei fixen
Dabigatran-Dosen die Wirkstoffkonzentrationen im Serum interindividuell
erheblich schwanken, etwa um den Faktor 5 (1). Dabei bestätigte sich: hohe
Dabigatran-Serumspiegel bewirken eine starke Gerinnungshemmung und sind mit vermehrten
Blutungen assoziiert, besonders bei älteren und niereninsuffizienten Patienten.
Mit diesem Wissen haben die Autoren und der pharmazeutische
Unternehmer Daiichi Sanyo des
kurz vor der Zulassung in der EU stehenden vierten NOAK, Edoxaban (Lixiana®),
ihre große Phase-III-Studie ENGAGE AF zum Vorhofflimmern bereits anders
konzipiert (2). Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko erhielten generell die halbe
Dosis. Als Risikopatienten gelten nach ENGAGE AF solche mit einer
Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min, einem Körpergewicht ≤ 60 kg
oder einer Komedikation, die mit Edoxaban über das P-Glykoprotein (PGP) interagiert
(z.B. Verapamil, Chinidin, Dronedaron). Von den > 21.000
eingeschlossenen Patienten mit Vorhofflimmern wurde nach diesen Kriterien ein
Viertel als „Risikopatienten“ klassifiziert (5.356 Patienten; 25,4%).
ENGAGE AF hatte drei Behandlungsarme: Warfarin (INR 2-3)
oder Edoxaban in zwei Basisdosierungen (Hochdosis: einmal 60 mg/d oder
Niedrigdosis: einmal 30 mg/d). Bei den Risikopatienten wurde die zugeloste
Edoxaban-Dosis halbiert (von 60 auf 30 mg bzw. von 30 auf 15 mg/d).
Somit gab es am Ende vier Edoxaban-Gruppen. Das klinische Ergebnis von ENGAGE
AF mit den unterschiedlichen Dosierungen ist in Tab. 1 wiedergegeben.
Die Dosisreduktion innerhalb der zwei Edoxaban-Arme führte
jeweils zu etwas häufigeren Schlaganfällen und systemischen Embolien (SSE;
s. Tab. 1). Interessant ist, dass die Risikopatienten mit der
geringsten Edoxaban-Dosis (15 mg/d) noch ähnlich wirksam behandelt waren
wie Risikopatienten, die INR-gesteuert Warfarin erhielten (SSE 2,36% vs. 2,21%;
Hazard ratio = HR: 1,07), aber deutlich weniger Blutungen als unter Warfarin
erlitten: Major Blutung: 1,5% vs. 4,85% (HR: 0,31) und intrazerebrale Blutungen
0,14% vs. 1,26% (HR: 0,11). Das bedeutet, dass bei Risikopatienten das
Verhältnis von Nutzen zu Risiko deutlich zu Gunsten des sehr niedrig dosierten
Edoxaban ausfällt.
Die Beziehung zwischen Blutungen und den Edoxaban-Serumkonzentrationen
bzw. der Anti-Faktor-Xa-Aktivität wurde nun in einer Post-hoc-Analyse von
ENGAGE AF untersucht (3). Bei 6.780 von 14.069 mit Edoxaban behandelten
Patienten wurden die Serumspiegel und bei 2.865 die resultierende
Anti-Faktor-Xa-Aktivität gemessen. Die Messungen erfolgten einen Monat nach der
Randomisierung, im Median 20 Stunden nach der letzten Einnahme (Talspiegel).
Die medianen Edoxaban-Serumkonzentrationen lagen je nach
verabreichter Dosis zwischen 12,4 und 36,1 mg/ml und die mediane
Anti-Faktor-Xa-Aktivität zwischen 0,27 und 0,64 IU/ml. Eine Halbierung der
eingenommenen Dosis resultierte in einer 29%igen bzw. 35%igen Reduktion (Hochdosis/Niedrigdosis)
der Edoxaban-Serumkonzentration und in einer 20%igen bzw. 25%igen Minderung der
Anti-Faktor Xa-Aktivität (Tab. 1).
In der Hochdosisgruppe kam es bei den Risikopatienten – trotz
Halbierung der Dosis und niedrigerer Edoxaban-Serumspiegel bzw. Anti-Faktor-Xa-Aktivität
– zu mehr Blutungen als bei den Nicht-Risikopatienten (Tab. 1). Die
Autoren folgern aus dieser Beobachtung, dass die Orientierung an diesen
Messwerten durchaus fehlleiten kann. Sie halten die Berücksichtigung von
klinischen Risikofaktoren zur Dosisfindung eines NOAK für mindestens ebenso
wichtig.
Nach einem speziellen Rechenmodell steigt die Wahrscheinlichkeit
von Blutungen (Major-Blutungen) innerhalb von drei Jahren mit höheren Edoxaban-Serumkonzentrationen
linear an. Sie beträgt bei 10 ng/ml durchschnittlich 5%, bei 30 ng/ml
6%, bei 50 ng/ml 7% und bei 100 ng/ml 10%. Bei Risikopatienten ist
diese Kurve jedoch deutlich steiler. Somit schneiden sich die Kurven von Nutzen
und Risiko früher. Interessant ist auch die Beobachtung, dass sich die Rate
intrazerebraler Blutungen ziemlich lange um 1% bewegt und sich das Konfidenzintervall
erst ab Edoxaban-Konzentrationen von 50-60 ng/ml weitet. Dies weist darauf
hin, dass die seltener auftretenden intrazerebralen Blutungen möglicherweise
ein relativ dosisunabhängiger Vorteil von NOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten
sind.
Fazit: Eine Post-hoc-Analyse der ENGAGE-AF-Daten zeigt, dass
bei Patienten mit Vorhofflimmern und erhöhtem Blutungsrisiko aus
Sicherheitsgründen stets die niedrigste effektive Edoxaban-Dosis gewählt werden
sollte. Die Messung von Edoxaban-Serumkonzentrationen oder Gerinnungswerten zur
Dosisfindung kann zumindest im Hochdosisbereich irreführend sein, weil hier
keine gute Korrelation der Messungen mit den Blutungsereignissen gefunden wurde.
Eine Dosisfindung über klinische Risikofaktoren (eingeschränkte Nierenfunktion,
Körpergewicht ≤ 60 kg oder eine interagierende Komedikation)
wird von den Autoren als wahrscheinlich ausreichend angesehen. Ob dies bei längerer
Therapie sicher ist, muss prospektiv überprüft werden.
Literatur
- Reilly, P.A., et al(RE-LY = Randomized Evaluation of Long-termAnticoagulation therapY): J. Am. Coll. Cardiol. 2014, 63, 321.
- Giuliagno, R., et al.(ENGAGE AF-TIMI 48 = Effective anticoagulation with Factor Xa – Next Generationin Atrial Fibrillation – Thrombolysis In MyocardialInfarction 48): N. Engl. J. Med. 2013, 369, 2093
. AMB 2014, 48,12 ; AMB 2014, 48, 41 ; AMB 2014, 48,71. 
- Ruff C.T., et al. (ENGAGE AF-TIMI 48 = Effectiveanticoagulation with Factor Xa – Next Generation in Atrial Fibrillation– Thrombolysis In Myocardial Infarction 48): Lancet 2015, 385, 2288.

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