Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass das häufig
durchgeführte perioperative „Bridging“ mit niedermolekularen Heparinen (NMH)
bei Patienten, die wegen Vorhofflimmerns oral antikoaguliert sind,
wahrscheinlich mehr Gefahren als Nutzen birgt (1). Die Empfehlung zum
perioperativen Bridging bei Vorhofflimmern hatte nur den Evidenzlevel C,
war also ein Expertenkonsens (2, vgl. auch 3). Trotzdem hat diese Empfehlung
breiten Einzug in den klinischen Alltag gefunden.
Die kürzlich publizierte, randomisierte, kontrollierte BRIDGE-Studie
ging der Frage nach Wirksamkeit und Risiken des Bridging nach (4). Die Studie
wurde in erster Linie vom National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLB) der
USA bezahlt und über viereinhalb Jahre an 108 nordamerikanischen Zentren
durchgeführt. Insgesamt wurden 1.884 Patienten mit Vorhofflimmern und
Warfarin-Therapie eingeschlossen, bei denen ein chirurgischer Eingriff geplant
war. Sie erhielten perioperativ nach Randomisierung doppelblind entweder NMH-
oder Plazebo-Injektionen (Bridging). Ausschlusskriterien waren u.a. eine
mechanische Herzklappe, Kreatinin-Clearance < 30 ml/min,
Major-Blutung innerhalb von sechs Wochen oder Schlaganfall oder TIA innerhalb von
drei Monaten vor Studienbeginn.
In Gruppe 1 erhielten die Patienten ein Bridging nach
folgendem Schema: Stopp von Warfarin fünf Tage vor dem OP-Termin. Beginn der Behandlung
mit NMH drei Tage vor dem OP-Termin (Dalteparin 100 IU/kg zweimal täglich
sc., entspr. zweimal 0,9 ml Fraxiparin® bei einem 90 kg
schweren Patienten). Stopp des NMH 24 h vor der OP und Wiederbeginn 12-24 h
postoperativ bzw. nach 48-72 h, wenn die Operation ein hohes
Blutungsrisiko hatte. Warfarin wurde am Abend des ersten postoperativen Tages
erstmals wieder eingenommen, und zwar in der für den Patienten üblichen Dosis,
d.h. ohne Aufsättigung. Die Behandlung mit NMH wurde beendet, wenn die INR
wieder bei ≥ 2 lag. Durchschnittlich erfolgten nach diesem Schema insgesamt
5 prä- und 16 postoperative NMH-Injektionen. In Gruppe 2 wurde nach dem
gleichen Schema verfahren, jedoch erhielten die Patienten statt des NMH
doppelblind Plazebo-Injektionen.
45% der Operationen wurden als „Major-Eingriff“ mit hohem
Blutungsrisiko und 55% als „Minor-Eingriff“ klassifiziert. Die primären
Endpunkte waren die Häufigkeit von arteriellen Thromboembolien (Wirksamkeit)
und von Major-Blutungen (Sicherheit) 37 Tage nach der Operation.
Insgesamt erhielten 934 Patienten ein NMH-Bridging und
950 Plazebo. Die beiden Gruppen waren in ihren Charakteristika gleich:
mittleres Alter 71 Jahre; 73% Männer; mittlerer CHADS2-Score 2,3
(vgl. 5); 41% Diabetes; 17% mit Schlaganfall- oder TIA-Anamnese. Zusätzlich
zu Warfarin nahmen 37% noch einen Thrombozytenaggregationshemmer ein (meist
ASS), ohne Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Bei 60% dieser Patienten wurde
diese Medikation perioperativ nicht abgesetzt.
Ergebnisse: Insgesamt traten in beiden
Behandlungsarmen deutlich weniger Thromboembolien auf als erwartet (0,3% mit NMH;
0,4% mit Plazebo = „Non-Bridging“; erwartet war 1%). Nach einer Zwischenanalyse
wurde die zu Beginn als aussagekräftig für alle Endpunkte berechnete
Fallzahl von 2.526 auf 1.882 gesenkt und die Studie vorzeitig beendet. Diese
Teilnehmerzahl erlaubt Aussagen mit einer statistischen „Power“ von fast 90%
für Unterschiede bei den beiden primären Endpunkten.
Das Non-Bridging erwies sich hinsichtlich thromboembolischer
Komplikationen als nicht unterlegen gegenüber der Bridging-Strategie. Auch bei
den sekundären Endpunkten zur Wirksamkeit gab es keine relevanten Unterschiede
zwischen den beiden Gruppen (Tod NMH: 0,4% vs. 0,5%; Myokardinfarkt 0,8% vs.
1,6%). Hinsichtlich der Sicherheit erwies sich die Non-Bridging-Strategie als
signifikant überlegen: Major-Blutungen (1,3% vs. 3,2% NMH; p = 0,005)
und Minor-Blutungen (12% vs. 20,9% NMH; p < 0,001) waren deutlich
seltener.
Ungeklärt bleibt, wie bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko
zu verfahren ist. In BRIDGE hatten nur rund 3% der eingeschlossenen Patienten
einen CHADS2-Score von ≥ 5. Außerdem waren Patienten mit künstlichen
Herzklappen oder mit thromboembolieträchtigen Operationen (z.B. Karotis-TEA,
kardiochirurgische oder große Tumoreingriffe) ausgeschlossen. Ebenfalls ist
nicht klar, ob diese Ergebnisse auch auf die neuen oralen Antikoagulanzien
(NOAK) übertragen werden dürfen. Aus einer Substudie von RE-LY ergeben sich
jedoch Hinweise darauf, dass auch ein Bridging mit NMH bei zuvor mit Dabigatran
behandelten Patienten eine ungünstige Nutzen-Risiko-Relation hat (6).
Fazit: Bei jedem fünften Patienten mit oraler Antikoagulation
bei Vorhofflimmern stellt sich einmal im Jahr die Frage, ob diese Therapie wegen
eines operativen Eingriffs unterbrochen werden soll bzw. darf. Die
BRIDGE-Studie zeigt, dass das übliche perioperative Bridging mit
niedermolekularem Heparin zu signifikant mehr Blutungen führt (Relatives
Risiko: 2,4 für Major- und 1,7 für Minor-Blutungen), ohne dass thromboembolische
Ereignisse verhindert werden. Somit sollte bei Patienten mit niedrigem Thromboembolierisiko
das perioperative Bridging nicht mehr routinemäßig durchgeführt, sondern die
orale Antikoagulation (hier Warfarin) einfach pausiert werden. Wie bei
Patienten zu verfahren ist, die ein hohes Thromboembolierisiko haben (z.B.
CHADS2-Score ≥ 5, künstliche Herzklappe oder thromboseträchtige
Operation), muss dringend geklärt werden.
Literatur
- AMB 2010, 44, 17.

- Douketis, J.D., et al.:Chest 2008, 133, 299S.

- AMB 2009, 43, 60.

- Douketis, J.D., et al.(BRIDGE): N. Engl. J. Med. 2015, 373, 823.

- AMB 2011, 45, 73
. AMB 2012, 46, 17. 
- Douketis, J.D., et al.(RE-LY = Randomized Evaluationof Long-term anticoagulation therapY): Thromb. Haemost. 2015, 113,625.

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