Zusammenfassung: Die Indikation für den Beginn einer medikamentösen
Therapie zur Androgendeprivation (AD) bei Patienten mit Prostatakarzinom hängt
vor allem ab von der Krankheitssituation, den vorhandenen Symptomen, der
Vorbehandlung und dem Risikoprofil. Sie sollte gemäß den aktuellen Leitlinien zurückhaltend
gestellt werden. Außerdem müssen die Patienten gründlich über Nutzen und
Risiken aufgeklärt werden. Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse randomisierter
kontrollierter Vergleichsstudien belegen, dass die intermittierende (iAD) der
kontinuierlichen AD (kAD) hinsichtlich der allgemeinen und
Prostata-spezifischen Letalität nicht unterlegen ist. Die iAD ist auch tendenziell
mit weniger Nebenwirkungen assoziiert, die durch den Androgenmangel verursacht
werden.
Die medikamentöse AD ist eine häufig eingesetzte Therapie,
vor allem bei Patienten mit lokal begrenztem/lokal fortgeschrittenem
Prostatakarzinom (PK) und bei Patienten mit metastasiertem PK. Sie kann
operativ (bilaterale Orchiektomie) oder medikamentös, z.B. mit Gonadorelin
(GnRH)-Agonisten oder -Antagonisten sowie mit steroidalen bzw. nichtsteroidalen
Antiandrogenen erfolgen. Dabei führen GnRH-Antagonisten zu einer ebenso guten Senkung
des Testosteronspiegels wie GnRH-Agonisten. Patienten mit PK in lokalisierten
Tumorstadien, die bisher keine medikamentöse AD erhalten haben, verhalten sich
bezüglich des Ansprechens auf eine AD nicht anders als solche mit metastasiertem
PK (1). Fast alle Patienten mit PK reagieren initial auf eine medikamentöse AD,
werden jedoch nach unterschiedlich langer Zeit meist „kastrationsresistent“,
d.h. es kommt trotz Weiterführung der AD zum klinischen Progress des PK und/oder
zum erneuten Anstieg des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum (2). Die
AD ist mit vielen die Morbidität fördernden und die Lebensqualität
beeinträchtigenden Nebenwirkungen verbunden, z.B. aufsteigende Hitze wie bei
Frauen in der frühen Postmenopause, Müdigkeit, Muskelschwäche, kognitive
Beeinträchtigung, Störungen der Sexualfunktion (2). Patienten müssen deshalb in
den unterschiedlichen Krankheitssituationen gründlich aufgeklärt werden über
den palliativen Charakter der AD, den Nutzen – bisher ist nur eine
Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch Studien überzeugend gesichert
– und die Nebenwirkungen (1). Es fehlt weiterhin gute Evidenz zu Art,
Zeitpunkt des Beginns und Dauer der medikamentösen AD beim lokal begrenzten PK.
Eine Monotherapie scheint in dieser Situation gegenüber einer maximalen
Androgenblockade (GnRH-Antagonisten oder -Agonisten plus Antiandrogen) nicht
unterlegen zu sein (1). Beim metastasierten Prostatakarzinom wird in der aktuellen
deutschen Leitlinie die Therapie mit einem nichtsteroidalen Antiandrogen (z.B.
Bicalutamid) als Monotherapie oder in Kombination mit GnRH-Antagonisten bzw. -Agonisten
empfohlen, nicht jedoch die Monotherapie mit einem steroidalen Antiandrogen (1).
Bereits vor ca. 20 Jahren wurde gezeigt, dass in einem
PK-Modell die intermittierende AD und Androgen-Stimulation den Zeitraum bis zum
Auftreten von Androgen-Resistenz verlängern kann (2). Das führte zu dem
klinischen Konzept der iAD, über die wir im Jahr 2012 erstmals berichtet haben
(3). In der damals referierten Studie von Crook et al. aus Kanada (4) wurde
eine klinisch relativ homogene Gruppe von Patienten mit Zustand nach
Prostatabestrahlung wegen lokalisiertem PK und PSA-Anstieg auf
> 3 ng/ml entweder kontinuierlich oder intermittierend
antiandrogen behandelt. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 6,9 Jahren
war die Gesamtletalität in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich,
obwohl sich die gesamte Dauer der antiandrogenen Therapie in den Gruppen
erheblich unterschied (43,9 versus 15,4 Monate). Auch die PK-spezifische
Letalität unterschied sich nur gering. Die Nebenwirkungen der Therapie waren
bei iAD seltener und weniger ausgeprägt.
In einem kürzlich erschienenen systematischen Review mit
Metaanalyse wurden die Ergebnisse von Crook et al. (4) im Wesentlichen
bestätigt (1). Dieser Review stützt sich auf 15 auswertbare randomisierte
Einzelstudien (iAD versus kAD), wobei allerdings die Arbeiten von Crook et al.
(1.386 Patienten) und von zwei weiteren Autorengruppen mit 1.749 (5) bzw.
918 Patienten (6) aufgrund ihrer großen Patientenzahl das Ergebnis am
stärksten beeinflussen. Ein Nachteil dieser Übersicht ist die Inhomogenität der
eingeschlossenen Studien: Patienten allein mit PSA-Anstieg auf
> 4 ng/ml über lokal fortgeschrittene bis hin zu metastasierten PK.
Die Durchführung der AD unterschied sich erheblich. In den iAD-Gruppen war das
Kriterium für eine Therapiepause meist ein Abfall des PSA auf < 4 ng/ml
und für den erneuten Therapiebeginn ein klinischer Progress oder ein
PSA-Anstieg auf z.B. > 10 oder > 20 ng/ml. Auch waren die therapiefreien
Intervalle unterschiedlich lang.
Ergebnisse: Trotz des Einschlusses von Patienten mit
klinisch fortgeschrittenem PK war das Ergebnis ähnlich wie in der Studie von
Crook et al. (4): Das Gesamtüberleben war bei iAD versus kAD mit einer Hazard
Ratio (HR) von 1,02 (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,93-1,11; insgesamt 5.352 Patienten)
kaum unterschiedlich. Auch die HR für PK-spezifisches Überleben war mit 1,02
(CI: 0,87-1,19; 3.613 Patienten) nicht unterschiedlich. Das progressionsfreie
Überleben war, gestützt auf 1.774 Patienten, mit einer HR von 0,94 (CI: 0,84-1,05)
tendenziell günstiger bei iAD. Nur in vier Studien konnte die Zeit bis zum
Eintreten einer „Kastrationsresistenz“ (klinischer Progress oder deutlicher
PSA-Anstieg trotz fortgesetzter kAD) ermittelt werden. Zwei Studien fanden einen
Hinweis zugunsten der iAD, zwei andere jedoch nicht. Die Methoden zur
Ermittlung der Lebensqualität waren in den Studien sehr verschieden. Ein
deutlicher Unterschied in den Ergebnissen fand sich insgesamt nicht, jedoch
ergab sich in den meisten Studien hinsichtlich Körperkraft und Sexualfunktion
ein Trend zugunsten der iAD.
Beurteilung: Wird eine AD unterbrochen, z.B. mit
GnRH-Antagonisten, dann dauert es meist einige Monate bis das Serum-Testosteron
wieder in den Normbereich angestiegen ist. In dieser Zeit kann nicht mit einer
deutlichen Besserung der durch AD verursachten Nebenwirkungen gerechnet werden.
Immerhin zeigen dieser systematische Review mit Metaanalyse und die meisten der
ausgewerteten Einzelstudien, dass die iAD eine echte Option ist, die zwischen
dem behandelnden Urologen und dem Patienten – abhängig vom Stadium der
Erkrankung – diskutiert und individuell entschieden werden sollte. Grundsätzlich
sollte die medikamentöse AD nicht zu früh begonnen werden (1, 4). Unseren
Artikel im AMB 2012 (4) haben wir mit der Frage überschrieben: Ist weniger
besser? Die Antwort hierauf kann auch heute nur individuell gegeben und dabei
dieses Motto als Option beachtet werden.
Der Begriff „Kastrationsresistenz“ bedarf
generell der Relativierung. Die neueren Antiandrogene für Patienten mit
metastasiertem, kastrationsresistentem PK unter medikamentöser AD, Abirateron (8)
und Enzalutamid (9), sind auch bei mit konventioneller AD behandelten „kastrationsresistenten“
Patienten oft noch gut wirksam. Abirateron (Zytiga®), ein
steroidaler Wirkstoff, wird zudem immer zusammen mit Prednisolon angewandt, um
auch die geringe adrenale Androgensekretion zu supprimieren. Enzalutamid (Xtandi®),
ein nichtsteroidales Antiandrogen, hat eine sehr hohe Affinität zum
Androgenrezeptor, hemmt seine Translokation in den Zellkern und zusätzlich die
Bindung des Rezeptors an die DNS.
Literatur
- http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-022OLl_S3_Prostatakarzinom_2014-12.pdf

- Magnan,S., et al.: JAMA Oncol. doi:10.1001/jamaoncol.2015.2895.

- Sato, N.: J. SteroidBiochem. Mol. Biol. 1996, 58, 139.

- AMB 2012, 46, 82.

- Crook, J.M., et al.: N.Engl. J. Med 2012, 367, 895.
Erratum: N. Engl. J. Med 2012, 367, 2262.
- Hussain, M., et al.: N.Engl. J. Med. 2013, 368, 1314.

- Calais da Silva, F., et al.: Eur. Urol. 2014, 66,232.

- AMB 2013, 47, 63b.

- AMB 2013, 47, 73
. AMB 2014, 48, 38b. 
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