Unkomplizierte Harnwegsinfektionen bei Frauen sind in
der ambulanten Praxis ein häufiger Grund für Antibiotikaverschreibungen. Sie
machen ca. 25% aller ambulanten Antibiotikatherapien aus (1). Die meisten
dieser Infektionen sind selbstlimitierend; deshalb könnte hier möglicherweise
der Verbrauch von Antibiotika gesenkt werden, u.a. um die derzeit steigenden
Resistenzen gram-negativer Erreger einschließlich der Extended-Spektrum
Betalaktamase bildenden Enterobakterien (ESBL) einzudämmen (2, 3). Trotz
dieser besorgniserregenden Entwicklung empfehlen die meisten Leitlinien zur Behandlung
unkomplizierter Harnwegsinfektionen bei Frauen primär eine Antibiotikatherapie
– derzeit meist Fosfomycin (4, 5).
Frühere Studien, die in dieser Indikation Plazebo
versus Antibiotika untersucht haben, fanden zwar eine verzögerte Abnahme der
Symptome in der Plazebo-Gruppe, aber auch keine schwerwiegenden Komplikationen
(6-8). Nun wurde in einer sehr sorgfältigen Studie bei Frauen mit unkomplizierten
Harnwegsinfektionen das schmerzlindernde und entzündungshemmende Ibuprofen
gegen Fosfomycin getestet mit der Frage, ob die Symptome ähnlich gut zu lindern
sind, ohne dass die Gefahr für Rezidive oder Komplikationen erhöht wird (9).
Methodik: In
diese multizentrische, randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Studie wurden
Frauen zwischen 18 und 65 Jahren mit den typischen Symptomen eines
unkomplizierten Harnwegsinfekts aus insgesamt 42 deutschen Praxen aufgenommen.
Alle Patientinnen bekamen einen Fragebogen, der unter anderem auch den
Schweregrad der Symptome erfasste. Patientinnen mit Schwangerschaft, Hinweise
auf einen komplizierten Harnwegsinfekt, bekannter Unverträglichkeit gegen Ibuprofen
oder Fosfomycin wurden ausgeschlossen. Die Patientinnen mussten außerdem einwilligen,
dass sie möglicherweise kein Antibiotikum erhalten werden. Bei allen wurde ein
Schwangerschaftstest sowie ein U-Stix durchgeführt und eine Urinkultur
angelegt.
Die eine Gruppe (n = 248; ausgewertet
n = 241) erhielt dreimal 400 mg Ibuprofen/d als Tabletten für
drei Tage und einmalig Plazebo-Granulat, die andere Gruppe (n = 246;
ausgewertet n = 241) dreimal eine Plazebo-Tablette/d für drei Tage und
einmalig 3 g Fosfomycin-Granulat. In beiden Gruppen konnte ein (weiteres)
Antibiotikum verschrieben werden, wenn sich die Symptome nicht besserten oder
verschlechterten oder wenn ein Rezidiv auftrat.
Die primären Endpunkte der Studie waren: Verbrauch von
Antibiotika innerhalb von 28 Tagen (wegen Harnwegsinfektion oder auch aus
anderen Gründen) nach Beginn der Studie und das Ausmaß der Symptome an den
Tagen 0-7. Der Score des Fragebogens erfasste Symptome wie: Dysurie, Häufigkeit
des Harndrangs und Schmerzen im Unterbauch.
Ergebnisse:
In der Ibuprofen-Gruppe wurden signifikant und deutlich weniger Antibiotika
verbraucht, aber 34% der Patientinnen erhielten schließlich doch ein
Antibiotikum. In der Fosfomycin-Gruppe wurde 14% der Patienten ein weiteres
Antibiotikum verordnet. Nach einer Woche waren in der Ibuprofen-Gruppe 70% der
Patientinnen beschwerdefrei, in der Fosfomycin-Gruppe 82%. Auch entwickelten
mehr Frauen, die Ibuprofen einnahmen, eine Pyelonephritis (5 vs. 1), was aber statistisch
nicht signifikant war (p = 0,12). Bei diesen Patientinnen war der
Score der Symptome zu Beginn überdurchschnittlich hoch. Rezidive nach 14 Tagen,
die eine antibiotische Therapie erforderten, waren in der Fosfomycin-Gruppe
signifikant häufiger (11% vs. 6%; p < 0,05).
Vier schwerwiegende Zwischenfälle traten auf, und die
Patientinnen wurden deswegen im Krankenhaus behandelt. Einer davon, eine
gastrointestinale Blutung, war wahrscheinlich mit Ibuprofen assoziiert. Die
Nebenwirkungen insgesamt waren in beiden Gruppen nicht unterschiedlich.
Die Autor(inn)en diskutieren ihre Ergebnisse sehr
eingehend und vorsichtig. Sie verwerfen die Hypothese, dass die symptomatische
Therapie mit Ibuprofen der Behandlung mit Fosfomycin nicht unterlegen ist und
empfehlen Ibuprofen deshalb generell nicht als Ersttherapie. Sie sehen aber
eine Möglichkeit, bei milden Symptomen und in enger Absprache mit der jeweiligen
Patientin zunächst mit Ibuprofen zu beginnen, wenn sie keine antibiotische
Behandlung wünscht.
Fazit: Unkomplizierte
Harnwegsinfektionen bei Frauen tragen zum hohen Antibiotikaverbrauch bei, der
eine wichtige Rolle bei der Entwicklung bakterieller Resistenzen spielt, vor
allem bei gram-negativen Erregern. Bei vielen Frauen mit unkomplizierter
Harnwegsinfektion ist eine antibiotische Therapie offenbar nicht notwendig. Ob
eine symptomatische Therapie, wie hier z.B. mit Ibuprofen, als Ersttherapie in
Frage kommt, muss nach eingehender Information – besonders über das weitere Vorgehen
– gut mit der Patientin abgesprochen werden. Auch ein zunächst abwartendes
Vorgehen vor der Verschreibung eines Antibiotikums (delayed prescription) ist, ähnlich
wie bei respiratorischen Infekten, eine Möglichkeit, die in weiteren Studien geprüft
werden sollte (vgl. 10, 11). Die Leitlinien sollten diese
Möglichkeiten diskutieren.
Literatur
- Hooton, T.M.: N. Engl. J. Med. 2012, 366, 1028
. AMB 2006, 40, 68a. 
- Centers for DiseaseControl and Prevention. Antibiotic Resistance Threats in the United States, 2013.

- World HealthOrganization. Antimicrobial resistance: Global Report on Surveillance 2014.
- Arbeitsgemeinschaft derWissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-044.html
- The Dutch College of General Practitioners. Urineweginfecties M05 2013.
- Christiaens,T.C.M., et al.: Br. J. Gen. Pract 2002, 52, 729.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1314413/pdf/12236276.pdf
- Bleidorn,J., et al.: BMCMed.2010, 8, 30.
- Little,P., et al.: BMJ 2010, 340, c199.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2817051/pdf/bmj.c199.pdf
- Gágyor, I., et al. (ICUTI = Immediate versus Conditional treatment of Urinary TractInfection): BMJ 2015, 351, h6644.

- Bjerrum, L., und Lindbӕk, M.: BMJ 2015, 351, h6888.

- Knottnerus, B.J., etal.: BMC Fam. Pract. 2013, 14, 71.

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