Zusammenfassung: Drei Untersuchungen aus Österreich
zum Thema Sponsoring in der Medizin zeigen ein klares Muster: Sponsoring von Ärztefortbildungen,
Patienteninitiativen und Anwendungsbeobachtungen findet vor allem dort statt,
wo Verordnungen und Umsatz hochpreisiger Arzneimittel gesteigert werden sollen:
Hämatologie/Onkologie, Rheumatologie, Endokrinologie, Multiple Sklerose. Offensichtlich
wird dabei das Sponsoring unzureichend gemeldet und von öffentlichen Stellen
(Arztakademie, Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) nicht
kontrolliert, geschweige denn sanktioniert. Die Ergebnisse der hier
dargestellten Untersuchungen verstärken den Verdacht, dass durch finanzielle
Beziehungen zwischen Industrie und Ärzteschaft bzw. Patientenverbänden eine
objektive, evidenzbasierte und letztlich am Wohl der Patienten orientierte medizinische
Praxis unterminiert wird.
Im Jahr 2009 wurde in den USA von dem republikanischen Senator Grassley
ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht –
„Physician Payment Sunshine Act“ (PPSA) – der
pharmazeutische Unternehmer (pU) und Hersteller von Medizinprodukten (HMP)
verpflichtet, Zahlungen an Wissenschaftler, Ärzteschaft,
Patientenverbände sowie medizinische Aus- und Fortbildungsstätten vollständig
offenzulegen (1, 2). Dieses Gesetz wurde
2012 verabschiedet, und seit Ende September 2014 sind diese Zahlungen
öffentlich zugänglich. Eine Recherche von ProPublica (3), einem unabhängigen
(„non-profit“) digitalen Medium des investigativen Journalismus in den USA ergab,
dass im Zeitraum zwischen 2009 und 2013 Zahlungen von 1.630 pU oder HMP in
einer Höhe von insgesamt 3,53 Mrd. US-$ geleistet wurden an 681.432 Ärzte und
1.360 Lehrkrankenhäuser (4). Unter dem Titel „A pharma payment a day keeps
docs‘ finances okay“ finden sich detaillierte Auswertungen zu den Zahlungen in
2014, die neben Lizenzgebühren vorwiegend erfolgten für Vorträge anlässlich von
pU oder HMP gesponserten Veranstaltungen, Beratertätigkeiten und Übernahme von
Reise-/Übernachtungskosten (5).
In
Anlehnung an den US-amerikanischen PPSA (1, 2) hat die European Federation
of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) im Jahre 2013 den „Code on
Disclosure: Responsible Transparency“ (Transparenzkodex) beschlossen (6). Darin
verpflichten sich die Mitglieder freiwillig zur Veröffentlichung aller
geldwerten Zuwendungen an Ärzte und weitere Angehörige der Fachkreise, wohl auch
um einer gesetzlichen Regelung wie in den USA zuvorzukommen. Der Verband der
pharmazeutischen Industrie Österreichs (PHARMIG) hat die EFPIA-Empfehlungen in
einem nationalen Codex umgesetzt (7), und auch in Deutschland wurden inzwischen entsprechende
Transparenzkodices verabschiedet – sowohl von der „Freiwilligen
Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA) als auch vom Verein
„Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V.“ (AKG), der vom
Bundesverband der pharmazeutischen Industrie initiiert wurde (8, 9). Demnach
sollen ab 2016 alle „geldwerten“ Zuwendungen der pU an Ärzte, Angehörige
der Fachkreise und Organisationen des Gesundheitswesens (z.B. Patienten-Selbsthilfegruppen),
die im Jahr 2015 erfolgten, auf den jeweiligen Webseiten der pU offengelegt
werden. Im Jahr 2017 sollen diese Regelungen auch für HMP gelten (10). Auch für die nicht-interventionellen Studien (NIS) oder
Anwendungsbeobachtungen (AWB), mitunter auch „seeding trials“ genannt (11), besteht seit 2012 durch eine EU-Vorgabe eine
Meldeverpflichtung (12). Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im
Gesundheitswesen (BASG; 13) bzw. das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland (PEI; 14)
sind für die Führung dieser NIS-Register verantwortlich. Sie sind öffentlich
einsehbar.
Das Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology
Assessment (LBI-HTA) hat diese, in Österreich überwiegend freiwilligen
Offenlegungsverpflichtungen zum Anlass genommen, in einer Serie von drei
Publikationen zum übergreifenden Thema „Transparenz“ das derzeit vorliegende
Wissen zum
Sponsoring von Ärztefortbildungen, Patientenverbänden und von NIS in Österreich
unter die Lupe zu nehmen. Dadurch soll auch eine Ausgangsbasis der Methodik und
Daten für spätere Analysen geschaffen werden.
Ausmaß des Sponsorings ärztlicher Fortbildung (15): Zu dieser Frage wurden aus dem Diplom-Fortbildungs-Kalender
(DFP) der Österreichischen Akademie der Ärzte 13 von 56 medizinischen Fächern
ausgewählt. Ziel war es, den Anteil der Veranstaltungen festzustellen, die von
pU oder anderen Organisationen im Untersuchungszeitraum vom 1.12.2013 bis
30.11.2014 finanziell unterstützt wurden. Insgesamt wurden 5.024 von 20.260
aller angebotenen Veranstaltungen (ca. 25%) hinsichtlich Sponsoring
ausgewertet. Es zeigte sich, dass der Sponsoringanteil sehr unterschiedlich war,
und zwar in Abhängigkeit von der medizinischen Fachdisziplin. In medizinischen
Fächern mit Arzneimitteln, die hohe Kosten und/oder Verordnungen erzielen, fand
sich der höchste Anteil an gesponserter Fortbildung: z.B. Rheumatologie
(67,2%); Endokrinologie (61%); Hämatologie/Onkologie (46%). Am geringsten war
das Sponsoring bei Fortbildungsveranstaltungen im Bereich der Angiologie
(14,3%), der Gynäkologie (15,2%) und HNO (17,9%). Es gibt allerdings deutliche Hinweise
dafür, dass der tatsächliche Anteil an Sponsoring in allen Fachdisziplinen weit
höher ist und dass auf Grund der für die Erfassung verwendeten Methodik und der
Meldepraxis die Ergebnisse verzerrt sind und bei weitem nicht alle gesponserten
Veranstaltungen erfasst wurden. So gingen in die Analyse nur Fortbildungen ein,
die im Diplom-Fortbildungs-Programm(DFP)-Kalender erfasst waren. Fortbildungen,
für die keine DFP-Punkte beantragt wurden, konnten also nicht berücksichtigt
werden. Darunter fielen auch einige große internationale Kongresse mit sehr
hoher finanzieller Unterstützung durch pU. Außerdem erfolgt die Meldung eines
Sponsorings durch den Veranstalter und unterliegt keiner systematischen
Kontrolle. In stichprobenartigen Überprüfungen zeigte sich, dass ein Sponsoring
oft erst im endgültigen Programm ausgewiesen wurde, jedoch noch nicht bei der
Ankündigung der Veranstaltung im DFP-Kalender. Schließlich werden bestimmte
Formen des Sponsorings, wie Vortragshonorare oder finanzielle Unterstützung von
Reise-/Übernachtungskosten, im DFP-Kalender praktisch nie ausgewiesen. Auch in
Deutschland ist es schwer, den Vorgaben zur „Produkt- und Interessenneutralität“
bei Online-Angeboten von Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen der
Zertifizierung und Vergabe von CME-Punkten nachzukommen, wie eine aktuelle,
leider lückenhafte Erhebung und ein kritischer Kommentar dazu zeigen (22, 23).
Ausmaß des Sponsorings von Patientenverbänden (16): Hierzu wurden die Webseiten aller 115
Mitgliedsunternehmen der PHARMIG (Stand: Juli 2015) untersucht auf
Informationen zu finanziellen Zuwendungen an Patientenorganisationen im Jahr
2014. Zum Vergleich wurden auch die Webseiten der von den pU genannten
Patientenorganisationen gesichtet. Danach wurden die Daten nach pU, Patienteninitiativen
und Krankheiten zusammengefasst. Nur bei 24 von 115
PHARMIG-Mitgliedsunternehmen (21%) wurden Angaben zum Jahr 2014 gefunden.
Insgesamt wurden von diesen pU Zuwendungen in Höhe von 1,1 Mio. €
deklariert. Die meisten Zuwendungen (63%) erhielten Initiativen aus den Gebieten
Hämatologie/Onkologie, Rheumatologie, Neurologie und Hämostaseologie. Die
höchsten deklarierten Zuwendungen erhielt 2014 die Österreichische Multiple
Sklerose Gesellschaft, gefolgt von der Österreichischen Hämophilie
Gesellschaft, der Hepatitis Hilfe Österreich sowie der Parkinson Selbsthilfe
Österreich. Der Vergleich auf den Webseiten von Patientenorganisationen war nur
begrenzt möglich, da nicht alle von ihnen eine aktuelle und funktionierende
Internetpräsenz haben. Wegen des erwähnten geringen Anteils der
PHARMIG-Mitgliedsunternehmen, die Zuwendungen an Patientenorganisationen auf
ihren Webseiten deklarieren, und weil auf den vorhandenen Webseiten der
Patienteninitiativen deutlich mehr Firmenlogos zu sehen sind, ist auch hier von
einem erheblichen „Underreporting“ auszugehen. Darüber hinaus konnten
verschleierte Zahlungen der pU an Patienteninitiativen, etwa über PR-Agenturen,
Verlage oder Stiftungen nicht erfasst werden.
Über die großzügige finanzielle
Unterstützung der Patientenorganisationen auch in Deutschland durch pU – gegenwärtig
in Höhe von ca. 5,6 Mio. €/Jahr – und wesentliche Ziele der
Zusammenarbeit von pU mit Patientenorganisationen hatten wir kürzlich berichtet
(17). Der Verband der Ersatzkassen (vdek) hatte anlässlich
der Publikation seiner aktualisierten und erweiterten Broschüre „Ungleiche
Partner –Patientenselbsthilfe und Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitssektor“ (18) zu Recht Vorsicht bei der Finanzierung von
Patientenorganisationen angemahnt, da pU, aber auch HMP, bei der Unterstützung
von Selbsthilfegruppen oft eigene Zwecke verfolgen. Um zu vermeiden, dass die
Selbsthilfegruppen für die Interessen der Geldgeber benutzt werden und damit ihre
Unabhängigkeit verlieren, fordert der vdek vor allem Transparenz. Mindestens
einmal im Jahr sollten die Geldflüsse und Zuwendungen detailliert
veröffentlicht werden (18).
Sponsoring von nicht-interventionellen Studien (NIS)
in Österreich (19): Mit Stichtag 7. Aug. 2015 waren in der Datenbank der Österreichischen
Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) 251 NIS registriert. Diese wurden
auf die Erfüllung der gesetzlichen Auflagen (Ort, Zeit, Anzahl der Patienten
und Ziel der NIS sowie Abschlussberichterstattung 12 Monate nach Ende der
Datenerfassung) hin überprüft. Darüber hinaus wurden alle 251 Studienbetreiber
kontaktiert und alle Studienmedikamente nach ATC-Gruppen kategorisiert. In den
251 Studien werden 406.831 Patienten geführt. Wie viele davon tatsächlich
österreichische Patienten sind, ist nicht dokumentiert. Direkt von einem pU
werden/wurden 191 NIS (76%) durchgeführt, weitere durch vorgeschaltete
Forschungsgesellschaften wie die Arbeitsgemeinschaft medikamentöse
Tumortherapie (AGMT), die „Central European Society for Anticancer Drug
Research“ (CESAR) oder die „Clinical Research Services“ (CRS). Nur bei 33 NIS
sind im Register Kurzfassungen eines Abschlussberichts hinterlegt, wobei bloß acht
die in der betreffenden Verordnung festgelegten formalen Erfordernisse auch
tatsächlich erfüllen. Zu mindestens 14 NIS (und bis zu 31 weiteren) hätten
bereits Kurzfassungen des Abschlussberichts hinterlegt sein müssen, da diese
Studien mehr als 12 Monate zuvor beendet worden waren. Die häufigsten
„Forschungsfragen“ der NIS waren „Wirksamkeit unter Praxisbedingungen“ und „Arzneimittelsicherheit“.
Die am häufigsten „untersuchten“ Arzneimittel waren: onkologische Medikamente
(56), Immunsuppressiva (42) sowie Immunstimulanzien (15) bei onkologischen,
rheumatologischen und neurologischen Indikationen.
Auch in Deutschland sind seit 2015 Informationen zu
AWB, einer Untergruppe der NIS im Sinne von § 4 Absatz 23 des
Arzneimittelgesetzes (AMG), öffentlich zugänglich. Sowohl das PEI als auch das
BfArM haben gemäß den Transparenzregelungen des § 67 Absatz 6
des AMG jeweils eine Online-Datenbank zu AWB mit Arzneimitteln ihrer
Zuständigkeit eingerichtet (20). In diesen Online-Datenbanken finden sich u.a.
Angaben zum Auftraggeber der AWB, zur Institution, die die AWB durchgeführt
hat, zum Titel der AWB, zu den Zielen, zum Beginn bzw. Ende der AWB und zur
Patientenzahl bzw. Zahl der beteiligten Ärzte. Außerdem kann ein, allerdings in
Teilen geschwärzter Beobachtungsplan der AWB eingesehen werden. Momentan
(Stichtag: 28.2.2016) existieren in der Online-Datenbank beim BfArM insgesamt
Angaben zu 555 AWB und beim PEI zu 339 AWB. Wir sind gespannt – analog zu der
Untersuchung in Österreich (19) – auf die Ergebnisse einer detaillierten
Analyse in Deutschland zu den untersuchten Wirkstoffklassen, Zielen der AWB und
„wissenschaftlichen“ Ergebnissen. Erste derartige Auswertungen von Transparency
International legen – nicht ganz überraschend – nahe, dass AWB häufig Scheinforschung
sind und als mögliches Instrument für unzulässige Einflussnahme und Korruption
im Gesundheitswesen genutzt werden (21). Eine gerade eingerichtete Webseite eines
Gemeinschaftsprojekts von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (24) in
Zusammenarbeit mit der Redaktion „Correctiv“ (durch Stiftungsmittel finanziert)
gibt an Hand intensiver Recherchen erstmals Einblick in „Vergütungen“, die im
Rahmen von 1.300 AWB in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2014 gezahlt worden
sind und für welche Präparate: Es waren 100 Mio. € pro Jahr an insgesamt
17.000 Ärzte, davon waren nach Angaben der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung 12.000 niedergelassen. Dies sind Aufwendungen, die in
sinnvoller Forschung besser angelegt wären.
Literatur
- Javies, D., et al.: BMJ 2014, 349, g6003.

- AmericanMedical Association.
. AMB 2014, 48, DB01 . AMB 2012, 46, 16b. 
- https://www.propublica.org/about/

- https://projects.propublica.org/docdollars/

- https://www.propublica.org/article/a-pharma-payment-a-day- keeps-docs-finances-ok#

- EuropeanFederation of Pharmaceutical Industries and Associations. The EFPIA Code:
- PHARMIG/Verbandder Pharmazeutischen Industrie Österreichs. Verhaltenscodex (nach Änderung1.7.2014).
- http://www.fsa-pharma.de/

- http://www.ak-gesundheitswesen.de/home/

- MedTech Europe. http://www.medtecheurope.org/node/715

- AMB 2009, 43, 30.

- BMG/Bundesministerum fürGesundheit. Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die Meldepflichtfür Nicht-interventionelle Studien - StF: BGBl. II Nr. 180/2010, geändert durchBGBl. II Nr. 484/2012.

- https://forms.ages.at/...

- http://www.pei.de/DE/infos/pu/genehmigung-klinische-pruefung/ anwendungsbeobachtungen/ awb-datenbank-pei/ awb-datenbank-inhalt.html

- Wild, C., et al.:

- Wild, C., et al.:

- AMB2015, 49, 56ÖB01.

- https://www.vdek.com/...

- Gregor-Patera, N., etal.:

- http://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/vigilanz/bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/2015/3-2015.pdf?__blob=publicationFile&v=6
- https://www.transparency.de/...

- Lenzen, L.M., et al.: Zeitschrift fürEvidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2016, 110-111, 60.

- Wille, H., und Mühlbauer, B.:
- https://correctiv.org/recherchen/euros-fuer-aerzte/

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