Im vergangenen Dezember haben wir über die SPRINT-Studie
berichtet. In dieser von der US-amerikanischen FDA finanzierten, offenen
randomisierten, kontrollierten Studie an 9.000 älteren Menschen mit Hypertonie
und mäßigem kardiovaskulären Risiko führte eine Senkung des systolischen
Blutdrucks mit dem Ziel < 120 mm Hg (im Vergleich mit dem
bisher empfohlenen Ziel < 140 mm Hg) über ca. drei Jahre zu
einer geringen, aber signifikanten Reduktion der kardiovaskulären und
Gesamtletalität. Unerwünschte Hypotensionen, Synkopen, Elektrolytentgleisungen
und akutes Nierenversagen waren in der intensiv behandelten Kohorte aber auch
signifikant erhöht (1). Patienten mit Diabetes, Herzinsuffizienz sowie mit kurz
zuvor erlittenem Herzinfarkt oder Schlaganfall waren von dieser Studie
ausgeschlossen.
Im Januar dieses Jahres haben wir eine sehr große, im Lancet
erschienene Metaanalyse von Ettehad et al. (2) referiert. Sie ergab Hinweise,
dass bei antihypertensiver Behandlung mit abnehmendem Zielblutdruck – bis in
den Bereich von systolisch < 130 mm Hg – die Inzidenz aller
wesentlichen kardiovaskulären Endpunkte bis auf Nierenversagen signifikant
abnimmt, tendenziell auch bei Diabetikern und bei Patienten mit Niereninsuffizienz.
Im Brit. Med. J. ist jetzt ein weiterer systematischer
Review mit Metaanalyse von M. Brunström und B. Carlberg aus Umea/Schweden
erschienen, der die gleiche Fragestellung ausschließlich bei Diabetikern (ganz
überwiegend Typ 2) untersucht hat und zu einem anderen Ergebnis kommt (3).
Es wurden randomisierte kontrollierte Studien mit mindestens einem Jahr
Laufzeit und mindestens 100 eingeschlossenen Patienten ausgewertet, wenn
entweder Antihypertensiva (AH) gegen Plazebo, zwei AH gegen ein AH oder
unterschiedliche Ziel-Blutdruckwerte im Hinblick auf Gesamt- und
kardiovaskuläre Letalität sowie kardiovaskuläre Ereignisse und Nierenversagen
miteinander verglichen wurden. Von insgesamt 1.305 als Abstract und 235
komplett gelesenen Artikeln entsprachen am Ende nur 49 Studien mit insgesamt
73.738 Patienten diesen Suchkriterien und gingen in die Auswertung ein.
Besonderer Wert wurde auf die Sortierung der Studien nach der Höhe des
mittleren Ausgangsblutdrucks gelegt.
Ergebnisse: War der Ausgangsblutdruck
> 150 mm Hg systolisch, dann reduzierte die antihypertensive
Therapie die Gesamt-Letalität (Relatives Risiko = RR: 0,89;
95%-Konfidenz-Intervall = CI: 0,80-0,99) und die kardiovaskuläre Letalität (RR:
0,75; CI: 0,57-0,99) signifikant. Auch die Risiken für Herzinfarkt (RR: 0,74;
CI: 0,63-0,87), Schlaganfall (RR: 0,77; CI: 0,65-0,91) und terminales
Nierenversagen (RR: 0,82; CI: 0,71-0,94) wurden signifikant reduziert.
War der Ausgangsblutdruck zwischen 140 und
150 mm Hg systolisch, dann war das Risiko für Gesamt- und
kardiovaskuläre Letalität, für Herzinfarkt und Herzinsuffizienz unter
antihypertensiver Therapie ebenfalls signifikant reduziert.
War der Ausgangsblutdruck < 140 mm Hg
systolisch und wurde trotzdem antihypertensiv behandelt, dann war die kardiovaskuläre
Letalität grenzwertig signifikant erhöht (RR: 1,15; CI: 1,0-1,32) mit einer
Tendenz zu erhöhter Gesamt-Letalität (RR: 1,05; CI: 0,95-1,16).
Die Merkmale der ausgewerteten 49 Studien sind umfangreich
dokumentiert, ebenso die Ereignisraten getrennt nach den Werten des
Ausgangsblutdrucks.
Die Autoren vergleichen ihre Ergebnisse mit denen anderer
Metaanalysen, besonders der ebenfalls auf Diabetiker beschränkten Studie von
Emdin et al. aus dem Jahr 2015 (4). Ein Teil der etwas unterschiedlichen Ergebnisse
wird von ihnen auf verschiedene statistische Analysemethoden, auf die
Berücksichtigung unterschiedlicher Studien und auf unterschiedliche Gewichtung
mancher Studien (z.B. ACCORD und ALTITUDE) zurückgeführt. Der Unterschied zu
der Einzelstudie SPRINT (1) ließe sich mit dem Ausschluss von Diabetikern
erklären, für die möglicherweise unterschiedliche Blutdruckwerte als Indikation
für Beginn oder Intensivierung einer antihypertensiven Therapie gelten. Das
Konzept einer J- oder U-förmigen Beziehung zwischen Blutdrucksenkung und Häufigkeit
kardiovaskulärer Ereignisse, wie es sich in der hier besprochenen Studie an
Diabetikern andeutet, sei nicht neu (5, 6). Die schlechteren Ergebnisse bei
sehr niedrigen Blutdruckwerten könnten mit einer Minderperfusion bereits
arteriosklerotisch veränderter Organkreisläufe erklärt werden.
Fazit: Diese Metaanalyse aus Schweden spricht dafür, dass bei
Diabetikern die Senkung des Blutdrucks unter einen bereits erreichten oder
einen Ausgangsblutdruck von 140 mm Hg systolisch die Letalität und
kardiovaskuläre Ereignisse nicht weiter reduziert, sondern tendenziell sogar
erhöht. Dies ist ein anderes Ergebnis als bei Hypertonikern ohne Diabetes
mellitus (SPRINT-Studie). Selbst bei hypertensiven Patienten ohne Diabetes
mellitus dürfte es schwierig sein, den geringen Vorteil einer weiteren
Blutdrucksenkung unter Alltagsbedingungen zu realisieren – bei „Number Needed
to Treat“ von > 100/Jahr, um kardiovaskuläre Ereignisse weiter zu
senken (1).
Literatur
- AMB 2015, 49, 89.

- Ettehad,D. et al.: Lancet 2015, 387, 957
. AMB 2016, 50, 04. 
- Brunström, M., undCarlberg, B.: Brit. Med. J. 2016, 352, i717.

- Emdin, C.A., et al.: JAMA 2015, 313,603.

- Sundström, J.,et al.: J. Hypertension 2013, 31, 1603.

- Zhao, W., et al. (LSUHLS = LouisianaState University Hospital-based Longitudinal Study): Diabetes Care 2013, 36,3287.

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