Die deutsche CLL-Studiengruppe hatte 2010
im Lancet die Ergebnisse einer offenen, randomisierten, kontrollierten Studie
(RCT) der Phase III veröffentlicht zum therapeutischen Stellenwert des
CD20-Antikörpers Rituximab (Mabthera®) in Kombination mit Fludarabin
und Cyclophosphamid (R-FC) als Erstlinientherapie bei Patienten mit CLL (1).
Einen Vorteil für die zusätzliche Gabe von Rituximab gegenüber einer alleinigen
Chemotherapie sahen wir damals vor allem für Patienten im Stadium Binet B
und/oder mit prognostisch ungünstiger, zytogenetischer 11q-Deletion (2).
Mitglieder der deutschen CLL-Studiengruppe stimmten in einem Leserbrief mit
einigen unserer Schlussfolgerungen nicht überein – so beispielsweise der
kritischen Beurteilung des progressionsfreien Überlebens (PFS) als primärem
Endpunkt der Studie und unserer Empfehlung, bei Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren
R-FC eher nicht einzusetzen (3).
Inzwischen hat die CLL-8-Studiengruppe
aktuelle Ergebnisse nach einer längeren medianen Beobachtungsdauer (5,9 Jahre,
gegenüber 3,1 Jahren in der Publikation 2010) veröffentlicht (4). In
unserer Kleinen Mitteilung aus dem Jahr 2011 finden sich genaue Angaben zu den
Merkmalen der in diese Studie eingeschlossenen Patienten, zum Studienprotokoll
sowie zu den Ergebnissen zum primären Endpunkt (PFS) und den sekundären Endpunkten
wie Gesamtüberleben (Overall survival = OS), OS in (molekular-)genetischen
Subgruppen und Sicherheit der Therapie (2). Kurz zusammengefasst: Insgesamt 817
zuvor unbehandelte Patienten mit CLL aus 190 hämatologischen Zentren in 11
Ländern erhielten nach Randomisierung sechs Therapiezyklen entweder mit R-FC
(alle 28 Tage) oder nur mit FC. Bei 5% der eingeschlossenen Patienten lag
ein Stadium Binet A, bei 64% ein Stadium B und bei 31% ein
Stadium C vor. Alle Patienten befanden sich in gutem Allgemeinzustand
(körperlich „fitte“ Patienten) und hatten nur wenige Begleiterkrankungen. Eine
antivirale Prophylaxe oder die prophylaktische Gabe von G-CSF wurde in dieser
Studie nicht generell empfohlen; eine medikamentöse Prophylaxe einer
Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie wurde nur bei länger anhaltender
(> 7 Tage) schwerer Neutropenie empfohlen. Die Untersuchungen im
Rahmen der Nachbeobachtung nach Beendigung der Therapie erfolgten in den ersten
drei Jahren alle drei Monate, in den Jahren 4 und 5 alle sechs Monate und dann
jährlich bis zum achten Jahr.
Das mediane PFS war in der mit R-FC
behandelten Patientengruppe signifikant länger als in der FC-Gruppe (56,8
versus 32,9 Monate; Hazard ratio: 0,59; 95%-Konfidenzintervall: 0,50-0,69;
p < 0,001). Bei den mit R-FC behandelten Patienten im Binet-Stadium B
war nach fünf Jahren bei 48% noch kein Progress aufgetreten gegenüber nur 25%
nach FC (p < 0,001). Das OS aller Patienten lag in der R-FC-Gruppe
nach fünf Jahren bei 79% und in der FC-Gruppe bei 67% (p = 0,001).
Wie bereits in unserem Artikel 2011 berichtet, konnte – auch nach jetzt
deutlich längerer Nachbeobachtung – weder für Patienten ≥ 65 Jahre
(n = 245) noch für Patienten im Stadium Binet C (n = 252)
ein signifikanter Überlebensvorteil durch die zusätzliche Gabe von Rituximab
erreicht werden. In den anhand (molekular-)genetischer Veränderungen charakterisierten
biologischen Subgruppen fand sich im PFS bei Patienten mit prognostisch
ungünstiger 17p-Deletion bzw. 11q-Deletion ein signifikanter Vorteil zugunsten
von R-FC, ebenso wie bei Patienten mit Trisomie 12 und 13q-Deletion. Demgegenüber
konnte im Gesamtüberleben nur für Patienten mit 11q-Deletion und 13q-Deletion,
nicht aber für 17p-Deletion, ein signifikanter Vorteil für R-FC gezeigt werden.
Patienten mit somatischen Mutationen im Gen, das die variable Region der
schweren Kette der Immunglobuline (IgHV) kodiert, zeigten insgesamt – wie in
zahlreichen anderen Studien – ein längeres PFS und Gesamtüberleben, wobei das
PFS durch Gabe von R-FC deutlich verbessert werden konnte (67% der Patienten
nach fünf Jahren ohne Progress versus 36% nach FC). Der Median für das OS war
für beide Gruppen noch nicht erreicht. Eine schwere Neutropenie (Grad III/IV)
trat im ersten Jahr nach Beendigung der Therapie signifikant häufiger (p = 0,007)
auf bei mit R-FC als mit FC behandelten Patienten (n = 67, 16,8%
versus n = 34, 8,8%). Angesichts des medianen Überlebens von
Patienten mit CLL im Binet-Stadium B von 8,6 Jahren (5) sind die
unter Therapie mit FC oder R-FC aufgetretenen sekundären Neoplasien beachtenswert,
über die jetzt nach längerer Nachbeobachtung berichtet wurde. Insgesamt wurden
136 Zweittumore bei 122 Patienten (15%) beobachtet in der gesamten,
retrospektiv hinsichtlich Therapiesicherheit analysierten Population (n = 800
erhielten ≥ eine Dosis der Studienmedikamente), darunter solide
Tumoren (einschließlich Melanome) bei 7% der Patienten, Richter-Transformationen
bei 5% und hämatologische Neoplasien bei 3%. Weder Häufigkeit noch Zeit bis zum
Auftreten der sekundären Neoplasien unterschieden sich signifikant zwischen den
beiden Therapiearmen. Im Widerspruch hierzu wurde jedoch in einer kürzlich
publizierten Übersichtsarbeit zu neuen Therapiekonzepten bei CLL über das
vermehrte Auftreten von myelodysplastischen Syndromen und sekundären akuten
myeloischen Leukämien nach Therapie mit R-FC berichtet (5).
Fazit: Auch nach einer längeren
Nachbeobachtung von fast sechs Jahren zeigen die Ergebnisse der CLL-8-Studie,
dass eine Chemo-/Immuntherapie mit R-FC der Chemotherapie mit FC sowohl im PFS
als auch im OS überlegen ist – vor allem bei Patienten im Stadium Binet B
und/oder mit mutiertem IgHV Status, 11q- bzw. 13q-Deletion oder Trisomie 12.
Bei Patienten im Stadium Binet C, älteren Patienten (≥ 65 Jahre)
und Patienten mit prognostisch ungünstiger 17p-Deletion bzw. unmutiertem IgHV-Status
war jedoch keine signifikante Verlängerung des OS durch R-FC erkennbar. Bei
diesen Patienten sollte sich deshalb die Therapieentscheidung auch in Zukunft
an individuellen Faktoren wie Allgemeinzustand, Begleiterkrankungen, Wünschen
des Patienten bzw. Möglichkeit der Teilnahme an Studien mit neuen Wirkstoffen orientieren.
Die Ergebnisse der bereits begonnenen Phase-III-Studien, in denen R-FC oder
andere Chemo-/Immuntherapien mit neuen Wirkstoffen/-prinzipien verglichen wird
(z.B. Inhibitoren der Signalübertragung über den B-Zell-Rezeptor oder des proapoptotisch
wirkenden Bcl-2 Proteins; 6-8) werden mit Spannung erwartet und hoffentlich die
Frage beantworten, ob eine Behandlung der CLL in Zukunft ohne Chemotherapie
möglich sein wird.
Literatur
- Hallek, M., et al. (CLL-8): Lancet 2010, 376,1164.

- AMB 2011, 45, 04.

- AMB 2011, 45, 55.

- Fischer, K., et al.(CLL-8): Blood 2016, 127, 208.

- Eichhorst, B.,und Hallek, M.: Der Onkologe 2016, 22, 283.
- Hallek, M.:Blood 2013, 122, 3723.
Vgl. AMB 2014, 48, 59 und AMB 2015, 49, 02 und AMB 2015, 49, 68b. 
- Roberts, A.W., et al.: N.Engl. J. Med. 2016, 374, 311.

- Byrd, J.C., et al.: N.Engl. J. Med. 2016, 374, 323.

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