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Akuter Gichtanfall: Behandlung mit Prednisolon oral ebenso wirksam wie Indometacin

Die Therapierichtlinien der europäischen Rheumaliga und auch der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie empfehlen zur Behandlung des akuten Gichtanfalls in erster Linie ein nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAID) oder Colchicin und nur als Reservetherapie ein Glukokortikosteroid oral. Zwei kleinere Vergleichsstudien zwischen NSAID und Prednisolon (1, 2) zeigten günstige Ergebnisse und wenig Nebenwirkungen bei Behandlung mit Prednisolon, so dass das American College of Rheumatology (3) im Jahr 2012 die Steroidtherapie als gleichwertig mit NSAID und Colchicin beurteilt hat.

T.H. Rainer et al. untersuchten in einer größeren randomisierten kontrollierten Studie (RCT) in vier Akutkrankenhäusern von Hong Kong (finanziert durch den Health service der Regierung von Hong Kong) die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines NSAID (Indometacin) im Vergleich zu Prednisolon oral. An der Studie waren auch Autoren aus den Niederlanden beteiligt (4). Von 599 in Frage kommenden Patienten mit akutem Gichtanfall wurden schließlich im Zeitraum von Januar 2010 bis November 2012 insgesamt 416 (mittleres Alter ca. 65 Jahre, ca. 70% Männer) zur sofortigen Behandlung mit den beiden Prüfsubstanzen in zwei Gruppen zu je 208 Patienten randomisiert. Patienten mit früheren gastrointestinalen Blutungen waren ausgeschlossen. Bei allen Patienten begann die Behandlung in den Notfall-Ambulanzen der Krankenhäuser. Bei den meisten Patienten war eine Hyperurikämie bereits bekannt. Viele hatten eine positive Familienanamnese oder hatten früher bereits Gicht-Attacken gehabt. Auf eine Gelenkpunktion zum Nachweis von Uratkristallen wurde verzichtet. Etwa 85% der Studienpatienten hatten eine akute typische Monarthritis.

Die Patienten der Indometacin (Indo)-Gruppe erhielten am ersten Tag dreimal 50 mg Indo und an den nächsten drei Tagen je dreimal 25 mg Indo sowie Prednisolon (Pred)-Plazebo. Die Pred-Patienten erhielten sofort 30 mg Pred (einmal am Tag) und die gleiche Dosis in den nächsten drei Tagen sowie Indo-Plazebo. Die Einnahmedosen von Verum und Plazebo waren so bemessen und gestückelt, dass sich Tablettenzahl und Einnahmezeiten in den beiden Gruppen nicht wesentlich unterschieden. Vor Gabe der Erst-Medikation wurden Patientendaten und Gelenkbefunde in ein 36-Item-Formular eingetragen und die Schmerzintensität in Ruhe und bei passiver Gelenkbewegung mit Hilfe einer visuellen Analog-Skala von 0 bis 100 (100 = stärkster vorstellbarer Schmerz) ermittelt. Der Schmerz und eventuelle Nebenwirkungen wurden erneut nach zwei Stunden ermittelt. Danach wurden die meisten Patienten aus der Notaufnahme entlassen mit der Auflage, bis zum Tag 14 über die Lokalbefunde am/an Gelenk(en) sowie über Nebenwirkungen und Schmerzen in Ruhe und bei Bewegung Buch zu führen. Am Tag 5 wurde die Evaluierung durch eine Prüfperson vorgenommen und die Buchführung der Patienten überprüft. Die Ermittlungen am Tag 14 erfolgten per Telefon-Interview. Ab Behandlungsbeginn durften die Probanden je nach Beschwerden bis zu viermal am Tag je 1 g Paracetamol einnehmen.

Ergebnisse: Bei 40 Patienten waren die Daten unvollständig. In die per Protokoll-Analyse gingen 189 Indo- und 187 Pred-Patienten ein. Der Anteil der Männer war etwas unterschiedlich (81% bzw. 71%), und 91% versus 83% der Frauen waren postmenopausal. Die Stärke des initialen Ruheschmerzes war in der Indo-Gruppe 36, in der Predni-Gruppe 27. Der initiale Bewegungsschmerz war mit 81,6 bzw. 81,4 auf der visuellen Skala fast identisch. Die Abnahme des Ruhe- und Bewegungsschmerzes während der ersten zwei Stunden in der Notaufnahme war in beiden Gruppen fast identisch. Ebenso waren die Verläufe auf den Schmerz-Skalen von Tag 1 bis 14 nicht unterschiedlich. Der Ruheschmerz war in beiden Gruppen nach 14 Tagen ca. 10, der Bewegungsschmerz etwas weniger als 20 Skalenpunkte. Auch die Entwicklung der Entzündungszeichen an den Gelenken unterschied sich nicht wesentlich.

Bei 8 Patienten (davon 7 in der Indo-Gruppe) musste die Therapie auf Wunsch der Hausärzte wegen Bauchschmerzen bzw. Schwindel, Lethargie oder Hyperkaliämie abgesetzt werden. Diese Patienten wurden bei der Per-Protokoll-Analyse nicht berücksichtigt. Systematisch erfasste Nebenwirkungen waren in den ersten beiden Stunden mit 18% versus 6% bei den Indo-Pateinten häufiger, in der Folgezeit waren die Unterschiede bei den per Protokoll ausgewerteten Patienten gering. Schwere Nebenwirkungen wurden in keiner der beiden Gruppen festgestellt.

Die Autoren halten ihre Ergebnisse für einen Beleg der Nichtunterlegenheit von Pred im Vergleich mit Indo, wobei die Verträglichkeit von Pred eher besser war. Ob andere NSAID anders zu bewerten sind als Indo, muss offen bleiben. Auch ist unklar, ob Dosierung und Dauer der Therapie beim akuten Gichtanfall nicht anders gewählt werden könnten. Vermutlich ist Pred bei Patienten mit Niereninsuffizienz den Alternativen NSAID oder Colchicin vorzuziehen, während die Pred-Therapie bei Diabetikern einer genaueren Stoffwechselkontrolle bedarf. In der vorliegenden Studie waren 13% der Pred-Patienten Diabetiker.

Prednisolon sollte allerdings nur bei bereits vor dem akuten Gichtanfall gesicherter Diagnose Gicht angewandt werden, um bei differenzialdiagnostisch möglicher septischer Arthritis ungünstige Wirkungen zu vermeiden. Es sollte bis zur deutlichen Besserung der Beschwerden (meist 3-4 Tage) eingenommen und danach abgesetzt oder rasch reduziert werden.

Eine Ulkusprophylaxe mit einem Protonenpumpenhemmer ist bei Glukokortikosteroid-Monotherapie und bei Patienten ohne weitere ulzerogene Medikation nicht erforderlich, jedoch bei kombinierter Einnahme eines Glukokortikosteroids mit einem NSAID.

Fazit: In dieser Studie aus Hong Kong war die Linderung der Schmerzen unter Therapie mit Indometacin bzw. Prednisolon bei Patienten mit akutem Gichtanfall nahezu gleichwertig, wobei unter Prednisolon weniger Nebenwirkungen auftraten. Die Studie ist bedeutsam, weil sie erstmals an einer großen Patientenzahl Prednisolon mit einer der Standardtherapien (hier Indometacin) verglichen hat.

Literatur

  1. Man, C.Y., etal.: Ann. Emerg.Med. 2007, 49, 670. Link zur Quelle
  2. Janssens,H.J., et al.: Lancet 2008, 371, 1854. Link zur Quelle
  3. Khanna, D., et al.:Arthritis Care Res. (Hoboken) 2012, 64, 1447. Link zur Quelle
  4. Rainer, T.H., etal.: Ann. Intern. Med. 2016, 164, 464. Link zur Quelle