In mehreren
prospektiven Kohortenstudien und Metaanalysen wurde eine statistische Assoziation
zwischen dem Na-Konsum mit der Nahrung (als Maß für den Kochsalzkonsum;
Umrechnungsfaktor 1 g Natrium x 2,54 = 1 g NaCl) und der
Häufigkeit kardiovaskulärer Krankheiten bzw. der Letalität gefunden. Diese Beziehung
folgt einer U-förmigen Kurve, d.h. das Risiko ist höher bei niedrigem sowie bei
hohem Na-Konsum, verglichen mit dem Risiko bei moderatem. Diese Befunde gelten –
trotz einiger methodischer Einwände – als weitgehend gesichert, sowohl für die
Allgemeinbevölkerung (Männer und Frauen) als auch für Menschen verschiedener
Ethnien, für Diabetiker und Personen mit Gefäßkrankheiten (1-9). In Kohorten
mit hohem Na-Konsum ist statistisch auch der Blutdruck höher und diese Kurve steigt
bei Hypertonikern steiler an als bei Menschen ohne Hypertonie (z.B. 1). Ausgehend
von diesem Befund ist jetzt eine internationale Arbeitsgruppe unter
Koordination des Population Health Research Institute (Hamilton, Ontario,
Kanada) der Frage nachgegangen, ob es Unterschiede gibt zwischen Personen mit
und ohne Hypertonie hinsichtlich der bekannten Korrelation von Na-Konsum und
Inzidenz kardiovaskulärer Krankheiten bzw. Letalität (10). Dazu wurden die
Ergebnisse aus vier großen Studien zusammengefasst analysiert (PURE, EPIDREAM,
ONTARGET/TRANSCEND; vgl. 11).
Methodik: Die Ergebnisse dieser
(10) und anderer Studien basieren auf einem Surrogat, denn in den meisten
Studien wurde die Na-Ausscheidung in einer Probe Morgenurin (vor dem Frühstück)
als Maß für den täglichen Na-Konsum verwendet. Dieser Konsum ist direkt nur
sehr aufwändig (Nahrungsprotokolle etc.) und nur mit vielen Fehlermöglichkeiten
zu ermitteln. Außerdem müssen große Kohorten untersucht werden, um zu gültigen
Aussagen zu kommen. Den täglichen Na-Konsum aus einer einzelnen Urinprobe zu
berechnen, setzt aber Folgendes voraus: körperliche Steady-state-Bedingungen, keine
allzu großen Schwankungen der täglichen Na-Zufuhr und eine für epidemiologische
Fragen gute Korrelation zwischen diesen beiden Größen. Dass eine solche
Berechnung mit ausreichender Genauigkeit (Korrelationskoeffizienten 0,66-0,73) möglich
ist, wurde in mehreren Publikationen gezeigt, u.a. auch von dieser
Arbeitsgruppe (12, 13; Kawasaki-Formel). Der untersuchte Endpunkt der
Studie war zusammengesetzt aus Tod oder größerem kardiovaskulärem Ereignis
(s. Tab. 1). Als Definition der Hypertonie galten Blutdruckwerte
> 140 mmHg systolisch. Eine Na-Ausscheidung von 4,00-4,99 g (25%
aller Teilnehmer) wurde als Referenzwert 1,00 für die Berechnung der einzelnen
Hazard ratios angenommen.
Ergebnisse: Die wesentlichen
Ergebnisse sind in Tab. 1 zusammengefasst. Insgesamt gingen die Messwerte (Na-Ausscheidung,
Blutdruck u.a.) von 113.110 Teilnehmern ein. Das mittlere Alter betrug 58,6 Jahre
bei den Hypertonikern und 50,5 Jahre bei Nichthypertonikern. Sie kamen aus
49 Ländern, sechs Kontinenten und sehr unterschiedlichen Bevölkerungsschichten.
In der Gruppe der Hypertoniker waren mehr Männer, das Körpergewicht war höher,
die Teilnehmer waren weniger körperlich aktiv und hatten häufiger bereits
kardiovaskuläre Krankheiten oder Diabetes. Die mittlere Na-Ausscheidung war bei
den Hypertonikern mit 4,956 g/d etwas höher als bei den Teilnehmern ohne
Hypertonie (4,823 g/d; p < 0,001). 11% der Hypertoniker
hatten eine Na-Ausscheidung von < 3,0 g/d und 24% eine von > 6 g/d.
Die entsprechenden Werte bei Personen ohne Hypertonie waren 11% und 20%.
Höhere Na-Ausscheidung
war bei Hypertonikern mit einem höheren Anstieg des systolischen Blutdrucks
assoziiert als bei Nichthypertonikern (pro 1 g Na-Anstieg RR-Anstieg von
2,08 mmHg versus 1,22 mmHg; p < 0,0001). Bei sehr niedriger
Na-Ausscheidung (< 3 g/d) waren bei den Teilnehmern mit und ohne
Hypertonie kardiovaskuläre Krankheiten häufiger und die Letalität höher als im
Referenzbereich 4,00-4,99 g/d. Bei hoher Na-Ausscheidung
(> 7 g/d) traf dies jedoch nur für die Gruppe der Hypertoniker zu
und nicht für Personen ohne Hypertonie. Die U-förmige Kurve der Assoziation
zwischen Höhe der Na-Ausscheidung und der kardiovaskulären Morbidität fand sich
nur bei Analyse des Gesamtkollektivs und bei Hypertonikern; bei den Teilnehmern
ohne Hypertonie war sie eher L-förmig. Im Gesamtkollektiv, das hinsichtlich der
Teilnehmerzahl etwa 1:1 zusammengesetzt war, hat also die Gruppe der
Hypertoniker das Ergebnis des Gesamtkollektivs ganz wesentlich beeinflusst.
Insgesamt hatten die Hypertoniker in allen Gruppen der täglichen
Na-Ausscheidung eine höhere Morbidität.
Die Autoren
versuchen, ihre statistischen Befunde pathophysiologisch zu erklären. Es ist
naheliegend, zu vermuten, dass sich unter den untersuchten Hypertonikern
salzsensitive Personen befinden, bei denen also der Blutdruck genetisch bedingt
bei hohem Salzkonsum stärker steigt als bei nicht salzsensitiven (hier
> 7 g Na/d). Da es sich hier ja nur um Assoziationen handelt und
nicht um eine Intervention, wird sehr vorsichtig postuliert, dass Hypertoniker
mit hohem Salzkonsum möglicherweise die Gruppe sind, die von einer diätetischen
Salzrestriktion am meisten profitieren.
Auffällig ist, dass
in dieser Studie der tägliche Na-Konsum insgesamt hoch war. Die Referenzgruppe
für das kardiovaskuläre Risiko (HR: 1,00) wurde mit 4,00-4,99 g Na/d bestimmt,
entsprechend 10,16-12,67 g/d Kochsalz, möglicherweise, weil ein großer
Teil der Teilnehmer Asiaten (Zentralasien, China) waren, denn diese haben
traditionell einen höheren Konsum. Der durchschnittliche Salzkonsum in
Deutschland liegt bei Frauen um 8,4 g/d und bei Männern um 10,00 g/d
(14). Wegen der auch aus anderen Studien bekannten Beziehung zwischen höherem
Salzkonsum und Hypertonie bzw. kardiovaskulärer Morbidität haben große
Organisationen Empfehlungen für optimale Obergrenzen für die Gesamtbevölkerung veröffentlicht:
die American Heart Association < 6 g NaCl/d (15) und die WHO < 5 g
NaCl/d. Es laufen weltweit mehrere Initiativen, durch Änderungen der Ernährung
(Bekämpfung von Übergewicht etc.), speziell auch durch Senken des Salzgehalts
in Nahrungsmitteln, den täglichen NaCl-Konsum zu senken. Dabei wurden deutliche
Erfolge bei der Senkung des Blutdrucks u.a. vom North Karelia Project
(Finnland) publiziert (16).
Fazit: Eine weltweite, große,
epidemiologische Studie hat – basierend auf vier Einzelstudien – gefunden, dass
bei hohem täglichem Salzkonsum (> 15 g NaCl/d) die
kardiovaskuläre Morbidität und Letalität bei Hypertonikern höher ist als bei
moderatem Konsum (hier 10-12,7 g NaCl/d). Dies traf aber nicht zu bei
Personen ohne Hypertonie. Möglicherweise sind also Hypertoniker mit sehr hohem
Kochsalzkonsum eine Gruppe, die von einer diätetischen Restriktion besonders profitiert.
Literatur
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- Saulnier, P.J., et al. (SURDIAGENE = SURvie,DIAbete de type 2 et GENEtique): N. Engl. J. Med. 2014, 371, 2135.

- Pfister, R., et al.:(EPIC-Norfolk= European ProspectiveInvestigation into Cancer and nutrition-Norfolk): Eur. J. HeartFail. 2014, 16,394.
- Graudal, N., et al.: Am. J.Hypertens. 2014, 27, 1129.

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- Ekinci, E.I., et al.: DiabetesCare 2011, 34, 703.

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- Mente, A., et al. (PURE, EPIDREAM,ONTARGET/TRANSCEND): Lancet 2016.

- AMB 2012, 46, 23.

- Kawasaki, T., et al.: Clin. Exp. Pharmacol.Physiol. 1993, 20,7
. Erratum: Clin. Exp.Pharmacol. Physiol. 1993,20, 199.
- Mente, A., et al.: J. Hypertens. 2014, 32, 1005.

- http://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/ GesundeErnaehrung/_Texte/DEGS_Salzstudie.html

- http://www.heart.org/...

- http://www.who.int/mediacentre/news/...

- Lastikainen, T., et al. (NKP = North Karelia Project): Glob. Heart 2016, 11, 191.

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