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Rezidivprophylaxe von Kammertachykardien bei ischämischer Kardiomyopathie

Noch viele Jahre nach einem Myokardinfarkt kann sich im Bereich der Myokardnarbe oder ihrer Randzone ein Fokus mit elektrischem Reentry-Mechanismus (kreisende Erregungen) entwickeln und bedrohliche ventrikuläre Tachyarrhythmien (VT) auslösen. Die Primär- und Sekundärprophylaxe besteht in der Implantation eines Cardioverter/Defibrillators (ICD). Nach einer ICD-Implantation immer wieder auftretende VT mit oder ohne Schockabgaben des Geräts können Patienten und Ärzte vor schwierige Probleme stellen und machen eine zusätzliche Behandlung mit speziellen Antiarrhythmika (AA) erforderlich, meist Klasse-III-AA (Amiodaron oder Sotalol).

Eine Möglichkeit, die VT-Episoden bei diesen Patienten zu verringern, ist die Ablationsbehandlung. Hierbei wird das Myokardareal, in dem der Reentry entsteht, katheterinterventionell mittels Radiofrequenz verödet. Ob dieser nicht ganz risikolose Eingriff Vorteile hat gegenüber einer Behandlung mit AA, hat jetzt eine kanadische Gruppe in Zusammenarbeit mit kardiologischen Zentren in Europa, den USA und Australien untersucht – insgesamt waren es 22 (1). Die multizentrische VANISH-Studie schloss randomisiert insgesamt 259 Patienten mit ICD ein, die trotz AA immer wieder VT erlitten. 93% waren Männer, das mittlere Alter betrug 69 Jahre und die mittlere linksventrikuläre Auswurffraktion 31%. Alle Patienten hatten einen Myokardinfarkt in der Anamnese, im Mittel 15 Jahre vor der Randomisierung, und waren antiarrhythmisch behandelt (65% Amiodaron, 34% Sotalol). Wie viele der Patienten den ICD ursprünglich zur Primär- oder zur Sekundärprophylaxe erhalten hatten, wird nicht angegeben.

Die Patienten konnten eingeschlossen werden, wenn sie innerhalb eines halben Jahres zuvor trotz AA-Behandlung mindestens eines der folgenden Ereignisse erlebt hatten: 1. ≥ 3 VT-Episoden, davon mindestens eine symptomatisch, auf die der ICD mit antitachykardem Pacing reagiert hat; 2. ≥ 1 adäquater ICD-Schock; 3. ≥ 3 VT-Episoden innerhalb von 24 h; 4. anhaltende VT mit einer Frequenz unterhalb der programmierten Interventionsschwelle. Alle qualifizierenden VT-Episoden mussten monomorph und langsamer als 250 Schläge/min sein, und sie durften nicht durch ein Akutes Koronarsyndrom oder in Folge einer Koronarintervention ausgelöst worden sein. Weitere Ausschlusskriterien waren u.a. eine fortgeschrittene Herz- oder Niereninsuffizienz (NYHA-Klasse IV; Kreatinin-Clearance < 15 ml/min) oder andere schwere Erkrankungen sowie Kontraindikationen gegen Amiodaron oder Katheterablation, z.B. mechanische Aorten- oder Mitralklappe.

Die Patienten wurden 1:1 einer Katheterablation (n = 132) oder einer sog. „eskalierenden AA-Behandlung“ (n = 127) zugelost. Hierbei wurde ein fixes Behandlungsschema angewendet. Wenn die qualifizierenden VT unter einem anderen AA als Amiodaron auftraten, wurden die Patienten auf Amiodaron umgestellt (Aufsättigung mit zweimal 400 mg/d über 2 Wochen, dann einmal 400 mg/d über 4 Wochen, dann einmal 200 mg/d als Erhaltungstherapie). Trat die Index-VT unter Amiodaron-Behandlung auf, erfolgte erneut eine Aufsättigung und Weiterbehandlung mit einer höheren Amiodaron-Dosis (300 mg/d). Patienten, die bereits mit 300 mg/d behandelt worden waren und die hierunter VT entwickelten, erhielten zusätzlich das Klasse-IIb-AA Mexiletin (dreimal 200 mg/d; in Deutschland und Österreich nicht mehr auf dem Markt). Patienten, die einer Ablation zugelost wurden, sollten diese innerhalb von 14 Tagen nach einem vordefinierten Standard erhalten. Die Studie war nicht verblindet, die Grundrisiken in den beiden Gruppen gleich verteilt.

Der primäre Studienendpunkt war eine Kombination aus Tod, „elektrischem Sturm“ (definiert als > 2 VT/24 h) oder adäquatem ICD-Schock > 30 Tage nach Umstellung der Therapie. Die Studienautoren erwarteten eine Ereignisrate von 35% innerhalb von 2 Jahren und eine absolute Risikoreduktion von 12,25% durch die Ablation. Hieraus errechnete sich eine statistisch aussagekräftige Zahl von 260 Patienten.

Ergebnisse: Die mittlere Dauer der Nachuntersuchung betrug 27,9 ± 17,1 Monate. In der AA-Gruppe zogen 4, in der Ablationsgruppe 5 Patienten im Verlauf der Studie ihre Einwilligung zurück. Die Ergebnisse werden nach der Intention-to-treat-Berechnung angegeben. Dabei wurden Patienten, die ihre Einwilligung zurückgezogen hatten, nicht berücksichtigt. In der AA-Gruppe (n = 127) wurde ein Patient herztransplantiert, und 11 erhielten mindestens eine Katheterablation (= Cross over vor Erreichen des primären Endpunkts). Dabei fällt auf, dass diese 11 Patienten insgesamt 66 Ablationsprozeduren unterzogen wurden, also überwiegend mehrfach abladiert werden mussten. Das weist darauf hin, dass es sich um sehr problematische Situationen gehandelt haben muss. Die Gründe für diese Mehfachinterventionen werden leider nicht explizit genannt. Es ist jedoch möglich, dass die exzessive Behandlung mit AA unkontrollierbare proarrhythmische Effekte ausgelöst hat. In der Ablationsgruppe (n = 132) wurden 3 Patienten nicht abladiert, 3 wurden herztransplantiert, und bei 4 Patienten wurde nach der Ablation die AA-Therapie eskaliert.

87 von 127 Patienten (68,5%) in der AA-Gruppe und 78 von 132 (59,1%) in der Ablationsgruppe erreichten den primären Endpunkt. Der Vorteil der Ablation war statistisch signifikant (Hazard Ratio = HR: 0,72; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,53-0,98; p = 0,04). Der Unterschied ergab sich hauptsächlich aus einer Verminderung adäquater ICD-Schockabgaben (37,9% vs. 42,5%) und VT-„Stürmen“ (24,2% vs. 33,1%). Ein häufigeres Überleben resultierte hieraus allerdings nicht: 35 von 127 Patienten (27,6%) in der AA-Gruppe und 36 von 132 (27,3%) in der Ablationsgruppe starben im Verlauf der Studie (HR: 0,96; CI: 0,60-1,53; p = 0,86).

In der AA-Gruppe gab es 21 schwerwiegende Nebenwirkungen, drei davon führten zum Tode: zwei Patienten mit pulmonaler und einer mit hepatischer Toxizität von Amiodaron. Weitere 18 Patienten erlitten Nebenwirkungen, darunter sechs hepatotoxische und sechs neurotoxische, die zu einer Änderung der Therapie zwangen. Bei den 11 Cross-over-Patienten kam es darüber hinaus durch die insgesamt 66 Kathetereingriffe zu einer Major-Blutung und bei einer Ablation zu einer kardialen Perforation. In der Ablationsgruppe traten bei insgesamt 158 Eingriffen drei Major-Blutungen, drei Gefäßverletzungen, zwei kardiale Perforationen sowie eine Reizleitungsblockade auf. Zudem wurden 13 AA-bezogene Nebenwirkungen gezählt. Insgesamt traten also signifikant mehr Nebenwirkungen in der AA-Gruppe auf: 51 vs. 22 (p = 0,002) bei 39 vs. 20 Patienten (p = 0,003).

Die Autoren folgern, dass die Ablation bei rhythmusinstabilen Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie hinsichtlich der Prophylaxe von ICD-Schocks und VT-„Stürmen“ wirksamer ist als eine eskalierende AA-Behandlung mit Amiodaron ± Mexiletin. Ein Vorteil beim Überleben ergibt sich hieraus jedoch nicht, weil die meisten Patienten an ihrer Herzinsuffizienz oder einer nicht-kardialen Erkrankung sterben. Die Studie war für eine verlässliche Aussage zur Letalität jedoch statistisch nicht ausreichend gepowert. Auffällig ist, dass der primäre Endpunkt insgesamt deutlich häufiger eintrat als beim Design der Studie erwartet wurde. Gründe hierfür werden nicht genannt. Möglicherweise ist dies durch die genaue Beobachtung zu erklären, denn alle Patienten trugen ja einen ICD, dessen Ereignisspeicher ausgelesen wurde. Eine andere Erklärung ist theoretisch, dass beide Behandlungsstrategien die Patienten geschädigt haben könnten und ein „watchful waiting“ ohne eine Therapieeskalation besser gewesen wäre.

Die Autoren eines begleitenden Editorials (2) gehen auf einige methodische Besonderheiten und Schwächen der Studie ein. So könnte die ICD-Programmierung mit den speziellen Grenzen zur Schockabgabe einen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben. Auch die Durchführung der Ablationen war nicht einheitlich, denn es wurden je nach Induzierbarkeit der VT teils Leitungsbahnen (wenn die VT induzierbar und stabil war) oder auch ganze Areale abnormer elektrischer Leitfähigkeit (wenn die VT nicht induzierbar oder instabil war) abladiert.

Fazit: Eine randomisierte Studie kommt zu dem Schluss, dass Patienten nach Myokardinfarkt mit ischämischer Kardiomyopathie und implantiertem ICD, die trotz antiarrhythmischer Therapie wiederholt eine monomorphe Kammertachykardie erleiden, eine palliative Ablationsbehandlung angeboten werden sollte. Diese ist hinsichtlich der Prophylaxe von Kammertachykardien wirksamer als eine eskalierende antiarrhythmische Behandlung mit Amiodaron ± Mexiletin, die auch mit erheblichen toxischen Effekten verbunden ist. Zu einem längeren Überleben führt die Ablationsbehandlung aber nicht.

Literatur

  1. Sapp,J.L., et al. (VANISH = Ventricular tachycardia ablation versus escalatedantiarrhythmic drug therapy in ischaemic heart disease): N.Engl. J. Med. 2016, 375, 111. Link zur Quelle
  2. Cain, M.E., und Curtis, A.B.: N.Engl. J. Med. 2016, 375, 173. Link zur Quelle