Liraglutid gehört zu den Inkretinmimetika. Sie sind
strukturelle Analoge der Inkretine (Glucagon-like peptide-1 = GLP) und binden
an den GLP-1-Rezeptor. Dadurch werden verschiedene antidiabetische Effekte
induziert, u.a. eine Steigerung der glukoseabhängigen Insulinsekretion aus den Betazellen
des Pankreas, eine Verzögerung der Magenentleerung sowie eine Hemmung des
Appetits mit konsekutiver Gewichtsabnahme (1). Liraglutid (Victoza®)
wurde im Juli 2009 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zur Behandlung des
Typ-2-Diabetes in Kombination mit oralen Antidiabetika zugelassen. Es ist kein
orales Antidiabetikum, sondern wird einmal täglich s.c. injiziert.
Gastrointestinale Nebenwirkungen sind häufig: etwa 20% der Anwender klagen über
Übelkeit und etwa 10% über Durchfall. Der anfängliche Verdacht, dass vermehrt
Pankreasentzündungen und auch Pankreaskarzinome ausgelöst werden, gilt mittlerweile
als ausgeräumt (2). Bislang war nicht nachgewiesen, dass Liraglutid (Tagestherapiekosten
ca. 4 €) neben einer Senkung des Blutzuckers und Gewichts auch einen positiven
Effekt auf „harte klinische Endpunkte“ hat, beispielsweise kardiovaskuläre Ereignisse.
Jetzt wurde im N. Engl. J. Med. die LEADER-Studie publiziert,
bei der eine positive Wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte nachgewiesen werden
konnte (3). In diese vom Hersteller Novo Nordisk und den National Institutes of
Health finanzierte multizentrische, plazebokontrollierte Nichtunterlegenheitsstudie
wurden zwischen September 2010 bis April 2012 insgesamt 9.340 Patienten eingeschlossen
– an 410 Zentren in 32 Ländern. Die
durchschnittliche Zahl pro Zentrum betrug 22.
Eingeschlossen wurden Typ-2-Diabetiker mit einem HbA1c
≥ 7,0% mit und ohne antidiabetische Vorbehandlung. Außerdem musste
eine kardiovaskuläre Krankheit vorliegen (Hochrisikogruppe: ≥ 50 Jahre
plus Myokardinfarkt, Schlaganfall/TIA oder Gefäßintervention, bildgebend
nachgewiesene KHK, zerebrale oder periphere AVK, chronische Herzinsuffizienz NYHA-Klasse II-III)
oder chronische Niereninsuffizienz (eGFR: < 60 ml/min/1,73 m2
u.a.) oder mindestens ein kardiovaskulärer Risikofaktor (Risikogruppe:
≥ 60 Jahre plus Mikroalbuminurie oder Proteinurie, Hypertonie
und Linksherzhypertrophie, systolische oder diastolische linksventrikuläre
Dysfunktion, pathologischer Knöchel-Arm Index < 0,9).
Ausgeschlossen waren u.a. Patienten mit: Typ-1-Diabetes, Calcitoninspiegel
≥ 50 ng/l (um ein medulläres Schilddrüsenkarzinom auszuschließen),
Vorbehandlung mit einem GLP-1-Agonisten oder DPP-4-Hemmer, diabetische
Stoffwechselentgleisung oder akutes koronares oder neurologisches Ereignis
innerhalb von zwei Wochen zuvor, dekompensierte Herzinsuffizienz, Malignom,
(Familien-)Anamnese mit multipler endokriner Neoplasie Typ 2 oder
medullärem Schilddrüsenkarzinom.
Nach einer zweiwöchigen Plazebo-Run-in-Phase zur
individuellen Testung der Praktikabilität und Adhärenz zu dem Injektionssystem
erfolgte eine 1:1-Randomisierung zu Liraglutid oder Plazebo. Die vorbestehende
Basis-Diabetestherapie durfte beibehalten werden. In der Interventionsgruppe (n = 4.668)
erhielten die Patienten 1,8 mg Liraglutid (oder die maximal tolerierte
Dosis), in der Kontroll-Gruppe (n = 4.672) Plazebo als einmal
tägliche Injektion. Patienten, die im Studienverlauf über dem angestrebten
HbA1c-Wert von ≤ 7% lagen, durften nach Ermessen der behandelnden
Ärztinnen/Ärzte zusätzliche Antidiabetika erhalten mit Ausnahme von
GLP-1-Rezeptor-Agonisten, DPP-4-Inhibitoren oder Pramlintid (ein Analogon des
Amylins, das die postprandiale Glukagonsekretion hemmt). Die geplante
Exposition mit der Studienmedikation betrug minimal 42 Monate, maximal
60 Monate.
Primärer Studienendpunkt war der Zeitpunkt bis zum Auftreten
eines kombinierten Endpunkts, bestehend aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem
Myokardinfarkt oder Schlaganfall (Time-to-event analysis). Weitere
prädefinierte Endpunkte waren kombiniert aus verschiedenen kardiovaskulären
Ereignissen und Interventionen und aus renalen und retinalen Schädigungen,
sowie bösartige Neubildungen und Pankreatitis sowie Tod aus allen Ursachen.
Ergebnisse: Die beiden Gruppen unterscheiden sich
nicht in ihrem Grundrisiko: 64% waren Männer, das mittlere Alter betrug
64,2 Jahre, der BMI 32,5 kg/m2 und 72,4% hatten eine
eingeschränkte Nierenfunktion (Stadium ≥ 3). Bei 81,3% lag eine
manifeste kardiovaskuläre Erkrankung vor (Hochrisikogruppe). Die Diabetesdauer
betrug durchschnittlich 12,8 Jahre und der mittlere HbA1c-Wert zu
Studienbeginn 8,7%. Die Patienten waren also hinsichtlich des Diabetes nicht
sonderlich gut behandelt. 92% nahmen Antihypertensiva ein und 76% ein Statin.
96,8% der Studienteilnehmer absolvierten alle geplanten
Visiten oder erreichten einen primären Endpunkt. Die mediane Behandlungszeit
betrug 3,5 Jahre, die mediane Nachbeobachtungszeit 3,8 Jahre. Die
„Drop-Out-Rate“ war sehr gering (3% im Liraglutid- und 3,4% im Plazebo-Arm).
Den primären Endpunkt erreichten in der Liraglutid-Gruppe
608 (13%) und in der Plazebo-Gruppe 694 Patienten (14,9%). Dies entspricht
einer relativen Risikoreduktion von 13% (Hazard Ratio = HR: 0,87; 95%-Konfidenzintervall
= CI: 0,78-0,97; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit und p = 0,01
für Überlegenheit). In den Kaplan-Meier-Kurven nahm mit zunehmender Zeit der Unterschied
zwischen den beiden Behandlungsarmen zu. Die Number needed to treat (NNT), um
ein Ereignis in drei Jahren zu verhindern, beträgt 66 für den primären Endpunkt
und 98 für den Endpunkt Tod aus allen Ursachen. Der positive Effekt durch Liraglutid
kam überwiegend durch eine Reduktion kardiovaskulärer Todesfälle zustande (4,7%
vs. 6,0%; HR: 0,78; CI: 0,66-0,93). Die Häufigkeit von
Myokardinfarkten (6,3% vs. 7,3%) und Schlaganfällen (3,7% vs. 4,3%) war etwas,
aber nicht signifikant niedriger in der Liraglutid-Gruppe.
In den meisten Subgruppen zeigte sich ein ähnlicher Effekt.
Unerklärte und bedenkenswerte Ausnahmen waren jedoch die nordamerikanischen
Patienten (ein Drittel aller Patienten; HR: 1,0), Patienten mit einem BMI
≤ 30 (HR: 0,96), Patienten ohne manifeste Gefäßerkrankung (HR: 1,2),
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (HR: 0,94) und Patienten mit
mehr als einem oralem Antidiabetikum zu Beginn der Studie (HR: 0,95). Von
Liraglutid scheinen besonders Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min
(HR: 0,69) zu profitieren, während Patienten mit einer besseren
Nierenfunktion wenig Nutzen hatten (HR: 0,94). Da einige Antidiabetika bei
Herzinsuffizienz problematisch sind, erscheint auch die Beobachtung wichtig,
dass in der Liraglutid-Gruppe etwas weniger (nicht signifikant) Patienten wegen
einer Herzinsuffizienz im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Im Liraglutid-Arm nahm das Körpergewicht im Mittel um 2,3 kg
stärker ab als in der Kontroll-Gruppe (CI: 2,5-2,0), wobei dies in den
ersten 6 Monaten eintrat; danach liefen die Kurven parallel. Auch der
systolische Blutdruck wurde mit 1,2 mmHg (CI: 1,9-0,5) etwas stärker
reduziert. Der diastolische Blutdruck stieg in der Liraglutidgruppe leicht an
(+0,6 mmHg), ebenso die Herzfrequenz (+3/min).
Auch der kombinierte Endpunkt mit mikrovaskulären
Ereignissen trat unter Liraglutid seltener auf (HR: 0,84; CI: 0,73-0,97),
besonders wegen selteneren Nierenkomplikationen (1,5 vs. 1,9 Ereignisse/100 Patientenjahre).
Die Inzidenz von Retinopathie war dagegen mit Liraglutid leicht erhöht (0,6 vs.
0,5 Ereignisse/100 Patientenjahre). In der Liraglutid-Gruppe musste
auch weniger häufig die Therapie gesteigert werden, sowohl die Antidiabetika
als auch die mit Lipidsenkern und mit Diuretika.
Unter Liraglutid wurde bei 62,3% der Patienten und Plazebo
bei 60,8% eine Nebenwirkung registriert, überwiegend Übelkeit, Erbrechen,
Durchfall. Bei 9,5% bzw. 7,3% musste wegen der Nebenwirkung die Studienmedikation
dauerhaft abgesetzt werden. Akute Pankreatitiden kamen in beiden Gruppen gleich
häufig vor (0,4% vs. 0,5%). Eine gesicherte Hypoglykämie trat bei 43,7% bzw.
45,6% auf, aber lebensbedrohliche Hypoglykämien waren selten (2,4% vs. 3,3%).
Auffällig ist allerdings die Beobachtung, dass benigne (3,6%
vs. 3,1%) und maligne (6,3% vs. 6,0%) Neubildungen in der Liraglutid-Gruppe
gering, aber nicht-signifikant häufiger waren. Erneut traten Pankreaskarzinome häufiger
auf (13 unter Liraglutid, 5 unter Plazebo). Dagegen wurde bei weniger Patienten
ein Prostatakarzinom (26 vs. 47) oder eine Leukämie (5 vs. 14) diagnostiziert.
Die Fallzahlen sind jedoch gering und die p-Werte > 0,05, sodass es
sich um Zufälle handeln kann.
In einem begleitenden Editorial weisen Ingelfinger und Rosen
(4) darauf hin, dass es sich bei LEADER um eine der größten
Nachbeobachtungsstudien in den letzten Jahren bei Typ-2-Diabetes handelt und
dass sich in dieser, wie in der EMPA-REG OUTCOME-Studie mit dem SGLT2-Inhibitor
Empagliflozin (5) positive Effekte auch auf harte klinische Endpunkte bei
Typ-2-Diabetes gezeigt haben. Sie diskutieren die Diskrepanz zu anderen neuen
oralen Antidiabetika – teilweise aus den gleichen Wirkstoffgruppen – bei denen
in Studien kein positiver Effekt auf die kardiovaskuläre Morbidität nachzuweisen
war. Die Selektion der Patienten (Ein- und Ausschlusskriterien) könnte eine
Rolle gespielt haben. So war der Ausgangswert des HbA1c mit im Mittel 8,7% in
der LEADER-Studie höher als in vielen ähnlichen Studien. Letztlich finden sie
jedoch keinen Bias oder verfälschende Faktoren (confounder), durch die die
positiven Ergebnisse erklärt werden könnten. Sie schließen ihre Bewertung mit
dem Satz: “We are left with differences that appear encouraging, yet are not a
“home run” (im Baseball ein großes, Punkte zählendes Ereignis, Anm. d. Red.) with
regard to the management of diabetes”.
Fazit: Nach dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin fand sich auch
bei Behandlung von Patienten mit Diabetes Typ 2 mit dem Inkretinmimetikum
Liraglutid eine etwas bessere kardiovaskuläre Prognose. Die NNT beträgt 66, um
ein kardiovaskuläres Ereignis in drei Jahren zu verhindern. Dieser positive Effekt
auf klinische Endpunkte ist bei anderen Wirkstoffen aus der Gruppe der Inkretinmimetika
bislang nicht nachgewiesen worden. Auch die diskrepanten Ergebnisse in einigen
Subgruppen, z.B. kein Nutzen in der nordamerikanischen Kohorte oder bei Patienten
mit einem BMI ≤ 30 kg/m2 sowie die erneut etwas häufiger
festgestellten Pankreaskarzinome zeigen, dass unser Wissen zu Wirksamkeit und Risiken
noch sehr begrenzt ist.
Literatur
- AMB 2007, 41, 50.

- AMB 2013, 47, 72.

- Marso, S.P., et al. (LEADER = Liraglutide Effect and Actionin Diabetes: Evaluation of cardiovascular outcome Results): N. Engl. J. Med. 2016,375, 311.

- Ingelfinger,J.R., und Rosen, C.J.: N. Engl. J. Med. 2016, 375, 380.
- AMB 2015, 49, 82.

|