Zu diesem Thema haben wir zuletzt im Jahr 2013
eine große Metaanalyse ausführlich referiert (1, 4). Es ist vielfach
belegt, dass eine ausgeprägte Adipositas statistisch mit einer
verkürzten Lebensdauer assoziiert ist. In einer aktuellen Metaanalyse (2) wurde
jetzt unter Federführung von J. Danesh aus Cambridge, UK, der Body-Mass-Index (BMI)
von Populationen aus Asien, Australien, Neuseeland, Europa und den USA in
Beziehung gesetzt zur Mortalität in Langzeitstudien. Die Studie wurde vom UK
Medical Research Council, von den US National Institutes of Health und zwei
weiteren, nicht-privaten Institutionen finanziert. Aus 239 prospektiven Studien
mit > 10 Mio. Teilnehmern wurden die Daten von knapp 4 Mio. Nie-Rauchern
im Alter von 20-89 Jahren in die Berechnungen einbezogen. Diese Teilnehmer
sollten bei der Rekrutierung keine chronischen Krankheiten haben. Die minimale Zeit
der Nach-Beobachtung war 5 Jahre, meist aber deutlich länger. Todesfälle
innerhalb der ersten 5 Jahre nach Rekrutierung wurden nicht in die
Metaanalyse einbezogen, um dem Fehler der umgekehrten Kausalität (reverse
causality) zu entgehen, denn man war sich nicht sicher, ob schwere Krankheiten
zur Zeit der Rekrutierung wirklich nicht vorlagen. Während der
Nachbeobachtungen starben 385.879 Probanden. Bemerkenswert sind die Ergebnisse
der Analysen getrennt nach Altersgruppen zur Zeit der Rekrutierung und
für die genannten Weltregionen. Aufgrund der Angaben zu spezifischen
Todesursachen in vielen einbezogenen Studien konnte auch dieser Aspekt
wegen der großen statistischen „power“ dieser Metaanalyse als sekundärer Endpunkt
bearbeitet werden.
Wichtigste Ergebnisse: Gesamtmortalität:
Die allgemeine Mortalität war global in einem BMI-Bereich von 20-25 kg/m2
minimal. Bei sehr niedrigem BMI (15-18,4 kg/m2) war die
Mortalität global um ca. 50% erhöht (Hazard Ratio = HR: 1,51; 95%-Konfidenzbereich
= CI: 1,43-1,59). Bei einem BMI von 27,5 bis < 30 kg/m2
war die Mortalität mit einer HR von 1,2 gering erhöht. Mit zunehmender Adipositas
von Grad 1 (BMI 30-34,9 kg/m2) nach Grad 2 (35-39,9 kg/m2)
bis Grad 3 (≥ 40 kg/m2) stieg die Mortalität
mit HR von 1,45 bzw. 1,94 bzw. 2,76 fast linear an, wobei die CI sehr eng waren.
Im Vergleich mit der Studie, die wir 2013 referiert haben (1, 4) entsprach
die BMI-Grenze, ab welcher die Mortalität signifikant zunahm, am besten einer
europäischen Analyse aus dem Jahr 2008 (3; vgl. 1).
Weltregionen: Die
Unterschiede zwischen den europäischen und den USA-Kohorten waren gering. In den
Kohorten aus Asien, Neuseeland und Australien war die Tendenz zwar ähnlich,
jedoch waren wegen zum Teil kleinerer Sub-Kohorten die CI weiter als in Europa
und den USA.
Alter bei Rekrutierung: Am
größten war die relative Zunahme der Gesamtmortalität in Abhängigkeit vom BMI
bei den Personen, die im Alter von 35-49 Jahren rekrutiert worden waren. In
dieser Altersgruppe nahm ab einem BMI von ca. 30 kg/m2 die
Mortalität mit einer HR von 1,52 pro 5 kg/m2 Mehrgewicht zu und
erreichte bei Adipositas Grad 3 einen HR-Wert von 4-5. Waren die Personen initial
wesentlich älter (70-89 Jahre), dann war die Exzess-Mortalität mit einer
HR von 1,21 pro 5 kg/m2 Mehrgewicht eher moderat und erreichte
bei Grad-3-Adipositas ca. 1,8. Da in dieser Altersgruppe die Mortalität absolut
viel höher ist als bei den im jüngeren Alter Rekrutierten, war die Zunahme der
Mortalität bei Adipositas absolut größer als in der jüngeren Kohorte. In der
mittleren Altersgruppe waren die Befunde intermediär.
Frauen/Männer: Der
BMI-Bereich mit minimaler Mortalität war bei Frauen und Männern kaum verschieden.
Aber schon ab einem BMI von 27,5-30 kg/m2 nahm die BMI-bezogene
Gesamtmortalität bei Männern deutlich stärker zu als bei Frauen.
Todesursachen: Bei
insgesamt 54.872 Todesfällen durch KHK und 40.084 durch Schlaganfall war die
Abhängigkeit von der Höhe des BMI sehr ausgeprägt mit HR-Werten um ca. 4 bei
Adipositas Grad 3. Ähnlich stark nahm die HR bei Todesfällen durch Atemwegserkrankungen
zu, dagegen war die Assoziation mit malignen Erkrankungen als Todesursache mit
steigendem BMI weniger ausgeprägt (HR: ca. 1,8 bei Adipositas Grad 3).
Diskussion: Die Autoren begründen
den hohen Aufwand für ihre Metaanalyse mit dem Bedürfnis, global anwendbare
Empfehlungen zu entwickeln, um Übergewicht und Adipositas als vermutliche
Ursache vieler vorzeitiger Todesfälle zu vermeiden. Sie bezweifeln, dass die
Ergebnisse der 2013 von uns referierten (1) Metaanalyse von Flegal et al. (4)
richtig sind. Sie hatte ergeben, dass ein BMI-Bereich von „Übergewicht“ und
Adipositas Grad 1 noch nicht mit einer erhöhten prospektiven Mortalität
assoziiert ist. Die aktuelle Analyse der Global BMI Mortality Cooperation (2)
unterscheidet sich von früheren Metaanalysen dadurch, dass Raucher ganz und
Personen mit chronischen Vorerkrankungen wahrscheinlich weitgehend bei der
Rekrutierung ausgeschlossen wurden. Hierdurch ist die Zahl der eingeschlossenen
Frauen dreimal so groß wie die der Männer, denn bei Rekrutierung waren noch
viele Frauen Nichtraucherinnen. Es kommen zudem Zweifel auf, ob es sinnvoll
ist, auch Personen bis 89 Jahre in die Analyse einzubeziehen, wenn
man plant, Todesfälle in den ersten 5 Jahren nach Rekrutierung bei der
Auswertung nicht zu berücksichtigen. Vermutlich ist der Befund richtig, dass
auch Grad-1-Adipositas bereits mit einem generellen Krankheitsrisiko assoziiert
ist. Da die Ursachen der starken Zunahme von Adipositas in allen Regionen der
Welt Fehl- und Überernährung sowie zu wenig körperliche Aktivität sind,
erscheinen die präventiven und therapeutischen Konsequenzen prinzipiell
einfach. De facto sind sie aus psychosozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Gründen nur mühevoll umzusetzen und in verschiedenen Regionen der Welt wahrscheinlich
auch nicht mit den gleichen Mitteln.
Im gleichen Heft von Lancet kommentieren D.
Berrigan et al. (5) die hier referierte Metaanalyse ausführlich. Sie halten den
Befund, dass bereits bei einem BMI im Bereich Übergewicht (BMI 27,5 bis
< 30 kg/m2) eine Assoziation mit erhöhter Mortalität besteht,
für das wichtigste Ergebnis. Sie haben jedoch Zweifel, dass die Ergebnisse
weitgehend verallgemeinert (generalisability) werden dürfen, wenn Probanden mit
Risikofaktoren wie Rauchen sowie bekannten oder latenten Erkrankungen bei der
Rekrutierung ausgeschlossen werden. Weiterhin zitieren sie mehrere
Publikationen zu Interventionen mit dem Ziel der langfristigen Gewichtsabnahme
bei Adipösen, die bisher nicht zu überzeugenden Ergebnissen geführt hätten, Sekundärerkrankungen
und die Mortalität zu senken. Umso wichtiger wird
wohl die Prävention der Adipositas
schon im jungen Lebensalter sein (6).
Fazit: Eine der bisher größten Metaanalysen
zur Assoziation des Body-Mass-Index (BMI) mit prospektiver Mortalität ergab bei
BMI-Werten von 20-25 kg/m2 die geringste Mortalität. Ab BMI
27,5 bis > 40 kg/m2 stieg die Mortalität fast linear
an. Der Anstieg war insgesamt bei Frauen geringer als bei Männern. Je jünger
die Kohorten der Probanden bei Einschluss in die analysierten Studien waren,
umso steiler war der Anstieg der Assoziation von BMI mit Mortalität.
Tendenziell war die Beziehung zwischen BMI und allgemeiner Mortalität in allen
untersuchten Erdteilen ähnlich. Das traf auch zu für Tod an Koronarer
Herzkrankheit, Schlaganfall und Atemwegserkrankungen. Wegen des Ausschlusses
von Rauchern und Probanden mit chronischen Vorerkrankungen bei der Rekrutierung
sind die Ergebnisse der Metaanalyse nicht vorbehaltlos zu verallgemeinern.
Literatur
- AMB 2013,47, 12.

- TheGlobal BMI Mortality Collaboration: Lancet 2016, 388, 776.

- Pischon,T., et al.: N. Engl. J. Med. 2008, 359, 2105.
http://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa0801891
- Flegal,K.M., et al.: JAMA 2013, 309, 71.

- Berrigan,D., et al.: Lancet 2016, 388, 734.

- Crump, C., et al.: JAMA Intern. Med. 2016, 176, 210
.Vgl. AMB 2016, 50, 40DB01. 
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