In unserer Dezember-Ausgabe 2015 haben wir über den
günstigen Effekt eines ausreichenden Konsums von langkettigen, mehrfach
ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (PUFA; enthalten besonders in Seefisch) auf die Inzidenz kardiovaskulär verursachter Todesfälle
berichtet (1). Im N. Engl. J. Med. erschien jetzt ein bemerkenswerter Artikel,
in dem genetische Risikofaktoren für Koronare Herzkrankheit (KHK) zu mehreren
Faktoren des Lebensstils in Beziehung gesetzt werden (2; viele Autoren aus den
USA, eine Gruppe aus Malmö/Schweden). Zugrunde liegen dieser Analyse vier
Studien: Die Atherosclerosis Risk in Communities Study (ARIC; 3), die Women’s
Genome Health Study (WGHS; 4), die Malmö Diet and Cancer Study (MDCS; 5)
und die BioImage Study (6). Bis auf BioImage handelte es sich um prospektive
Studien; BioImage ist eine Querschnittsstudie. In den prospektiven Studien
wurden bei insgesamt 51.452 Personen polygenetische Scores aus bis zu 50
Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) von Genen erstellt, die positiv mit KHK
assoziiert sind und potenziell pathogen wirken. Das Abfragen von
Lebensstil-Faktoren war zwischen den Studien etwas unterschiedlich. Folgende
vier Faktoren wurden aber in allen Studien erfragt und als „günstig“ gewertet: Nichtraucher-Status,
BMI < 30 kg/m2, regelmäßige körperliche
Aktivität und gesunde Ernährung. Da die prospektiven Studien deutlich
früher begonnen wurden, d.h. bevor genomweite Assoziationen mit KHK bekannt
wurden (ca. seit 2007), ist nicht klar, ab wann der genetische Score bei den
Probanden erhoben wurde. In der BioImage Study mit 4.260 asymptomatischen
Probanden (im Mittel 69 Jahre alt, 44% Männer), wurde ab 2008 mittels
Computertomographie ein standardisierter Koronarkalk-Score (multivariat
adjustiert) erhoben und zu den genetischen Befunden und dem Lebensstil in
Beziehung gesetzt. Das mittlere Alter der Probanden der drei prospektiven
Studien lag zwischen 54 und 58 Jahren. Der Anteil der Patienten mit
Hypertonie, Diabetes mellitus und positiver Familienanamnese für KHK war in den
Studien unterschiedlich. Die Beobachtungsdauer nach der Genotypisierung und
Erhebung der Lebensstil-Anamnese geht aus der Studie nicht genau hervor.
Vermutlich hat die Erhebung des primären, zusammengesetzten Endpunkts
(aus Herzinfarkt, koronarer Revaskularisation und Tod infolge KHK) nicht lange
vor Veröffentlichung der Studie (2) stattgefunden.
Ergebnisse: Die Dauer der maximalen Nachbeobachtung
ist in einer Abbildung mit bis zu 20 Jahren angegeben. Das genetische
KHK-Risiko wird in drei Stufen (hoch-mittel-niedrig) und das des Lebensstils
ebenfalls in drei Kategorien (ungünstig-mittel-günstig) angegeben. Beide
Risiken (höchstes Drittel im Bereich Genetik und „ungünstiger“ Lebensstil) sind
prospektiv fast gleich ungünstig mit der Zahl koronarer Ereignisse assoziiert.
Eine Auswertung nach Quintilen (höchstes versus niedrigstes Fünftel) im genetischen
Risiko-Score ergab für das höchste Fünftel eine um 91% höhere Inzidenz von
KHK-Ereignissen als im niedrigsten Fünftel. Ein „günstiger“ Lebensstil
(mindestens drei von vier der oben genannten Kriterien erfüllt) war in allen
genetischen Risikokategorien mit einer erheblich besseren Prognose hinsichtlich
KHK assoziiert. Bei Probanden mit dem höchsten genetischen Risiko war ein günstiger
Lebensstil mit einer um 46% niedrigeren Zahl koronarer Ereignisse assoziiert als
bei ungünstigem Lebensstil. Das 10-Jahres-Risiko von KHK-Ereignissen reduzierte
sich bei günstigem versus ungünstigem Lebensstil in ARIC (3) von 10,7% auf
5,1%, in WGHS (4) von 4,6% auf 2,0% und in MDCS (5) von 8,2% auf 5,3%.
In der BioImage-Studie fand sich ebenfalls eine („positive“)
Beziehung des Koronarkalk-Scores mit dem genetischen Risiko-Score. Doch in
jeder der drei genetischen Risiko-Kategorien wirkte sich ein günstiger
Lebensstil erheblich mindernd auf den Koronarkalk aus. Im höchsten Drittel des
genetischen KHK-Risiko-Scores verminderte ein günstiger versus ungünstiger
Lebensstil den Koronarkalk-Score von 64 auf 32 „Agatston-Einheiten“.
Fazit: Eine mit KHK belastete Familienanamnese und ein als
hoch ermitteltes genetisches Risiko für KHK sind individuelles „Schicksal“.
Jedoch zeigt die hier referierte Analyse von vier Einzelstudien, dass auch bei
genetisch belasteten Menschen ein günstiger Lebensstil (nicht rauchen, Übergewicht
vermeiden, gesund ernähren und viel bewegen) prospektiv mit einer erheblich
reduzierten Inzidenz von KHK-Ereignissen assoziiert ist.
Literatur
- AMB 2016, 50, 94.

- Khera, A.V., et al.: N.Engl. J Med. 2016, 375, 2349.

- TheARIC Study (Atherosclerosis Risk In Communities):Am. J. Epidemiol. 1989, 129, 687.

- Ridker, P.M., et al. (WGHS= Women's Genome Health Study): Clin. Chem. 2008, 54, 249.

- Berglund,G., et al. (MDCS = Malmö Diet and Cancer Study): J.Intern. Med. 1993, 233, 45.

- Baber, U., etal. (BioImage): J. Am. Coll. Cardiol. 2015, 65, 1065.

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