Zusammenfassung:
Gegen die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus kann man sich durch gut
verträgliche Impfungen sehr wirksam schützen. In Deutschland leben geschätzt
70.000 Menschen mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion. Wenn auch die
Inzidenz der Hepatitis B in Deutschland zurückgegangen ist, unterstützten
wir die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), alle Säuglinge und
Kleinkinder gegen Hepatitis B zu impfen, um die Inzidenz weiter zu senken
und weil die Erkrankung in dieser Altersgruppe häufiger schwer verläuft
(1, 2). Bei den meisten Infizierten (> 90%) verläuft die Infektion
klinisch unauffällig und wird immunologisch kontrolliert durch Antikörper
(Anti-HBs), so dass –
ein intaktes Immunsystem vorausgesetzt – keine weitere Gefahr besteht. Bei einem
kleinen Teil (< 10%) der Patienten verläuft die Infektion jedoch
chronisch mit Virusreplikation (Nachweis von HBV-DNA und/oder HBsAg) und häufig
mit chronischen Entzündungsreaktionen in der Leber. Diese Patienten können eine
Leberzirrhose und/oder ein Leberzellkarzinom entwickeln. Deshalb werden
Patienten mit chronisch replikativer Hepatitis B heute in der Regel
behandelt. Zur Verfügung stehen Interferon alfa sowie mehrere direkt antivirale
Wirkstoffe aus der Gruppe der Nukleosid- und Nukleotid-Analoga. Gemäß den
Leitlinien sind unterschiedliche Indikationen und Vorgehensweisen zu beachten. Patienten
mit nicht-replikativer, immunologisch kontrollierter Infektion (Anti-HBs
positiv), die wegen einer malignen oder autoimmunen Erkrankung eine komplexe
immunsuppressive Therapie erhalten sollen, sollten präemptiv antiviral
therapiert werden, weil die Hepatitis B reaktiviert werden kann.
Einleitung:
Die Hepatitis B ist eine durch Blut und Geschlechtsverkehr übertragbare
Viruserkrankung (vgl. 1, 2). Der Erreger, 1970 entdeckt, ist ein
umhülltes DNA-Virus (HBV). Die Hülle enthält das lipidhaltige
HBV-Oberflächenantigen (HBsAg), dessen Nachweis im Serum für die Diagnose
wichtig ist und das auch zur Herstellung des Impfstoffs verwendet wird. Das
Genom des Virus wird im Verlauf der Infektion in das Wirtsgenom integriert und
verbleibt dort dauerhaft, auch wenn die Erkrankung klinisch ausheilt.
Die akute
HBV-Infektion verläuft bei ca. 0,5-1% der ungeimpften Erwachsenen fulminant bis
tödlich, wobei einige durch eine rechtzeitig durchgeführte Lebertransplantation
überleben können. 80-90% der Infizierten bilden Antikörper gegen das HBsAg
(Anti-HBs), wodurch die Infektion – immunologisch kontrolliert – ohne gravierende klinische Folgen verläuft, es sei
denn, das Immunsystem wird durch andere Einflüsse erheblich beeinträchtigt.
Viele dieser Patienten bemerken von der Infektion wenig oder gar nichts.
Ein kleiner Teil
der Patienten (10%) entwickelt nach der akuten Infektion eine chronisch
replikative Hepatitis B (HBsAg positiv und/oder HBV-DNA-Nachweis im Blut).
Man spricht von chronischer Hepatitis B, wenn die Replikation des HBV
sechs Monate nach der akuten Infektion noch besteht. Bei Patienten mit
chronisch replikativer Hepatitis B steigt mit zunehmender Dauer auch das
Risiko, eine Leberzirrhose und/oder ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) zu
entwickeln. Beide Folgeerkrankungen sind schwer zu behandeln und mit hoher Letalität
verbunden. Im Rahmen einer chronischen HBV-Infektion können auch
lebensbedrohliche Autoimmunerkrankungen durch zirkulierendes HBsAg auftreten,
häufig auch ohne erhöhte Leberenzyme. Eine der möglichen Autoimmunerkrankungen
bei chronischer Hepatitis B ist die Polyarteriitis nodosa.
Die WHO schätzt
die Zahl der infizierten Menschen auf weltweit 240 Mio. (2). In Europa
geht man von ca. 13 Mio., in Deutschland von ca. 70.000 chronisch
Infizierten aus (ca. 1% der Bevölkerung). In Deutschland werden jährlich zwischen
1.000 und 6.000 Neuerkrankungen gemeldet (1997-2014), in den letzten Jahren
allerdings nur noch zwischen 1.000 und 2.000/Jahr. Es besteht eine namentliche
Meldepflicht für den Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie den Tod (1).
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass selbst bei Personen mit
immunologisch kontrollierter HBV-Infektion, also mit Antikörpern gegen das
HBsAg (Anti-HBs), eine Reaktivierung erfolgen kann, wenn das Immunsystem
supprimiert wird. Diese Patienten unterscheiden sich von Geimpften dadurch,
dass sie neben Anti-HBs auch Antikörper gegen das Kern-Antigen des HBV
(Anti-HBc) gebildet haben, was auf eine durchgemachte Infektion hinweist. Die
immunologisch kontrollierte, aber latente HBV-Infektion kann reaktiviert
werden, wenn diese Personen (aus unterschiedlicher Indikation) eine
immunsuppressive Therapie erhalten. Dies betrifft besonders Therapieformen, die
gegen die B-Zellen gerichtet sind (z.B. Rituximab). Die Reaktivierung verläuft
häufig fulminant und häufig sogar letal. Deshalb wurden in die S3-Leitlinie zur
Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion (3)
Empfehlungen für eine präemptive Therapie aufgenommen für Patienten mit
latenter chronischer HBV-Infektion und geplanter immunsuppressiver Therapie (s.u.).
Prävention:
Impfung und Impfschutz: Die Infektion mit dem HBV kann durch eine
komplette Impfung sehr wirksam verhindert werden. Die Impfung ist gut
verträglich.
Empfehlung
für Erwachsene: Die Ständige Impfkommission (STIKO; 1) empfiehlt die
Impfung gegen Hepatitis B für besonders gefährdete Personengruppen, also
auch für Personen mit erhöhtem beruflichem Expositionsrisiko, beispielsweise
Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger und Ersthelfer. Auch bestimmte
Patientengruppen wie HIV-Infizierte, Dialysepatienten, Kontaktpersonen zu an
Hepatitis B Erkrankten sowie Personen mit infektionsriskantem
Sexualverhalten sollen geimpft werden.
Empfehlung
für Kinder/Kleinkinder/Säuglinge: Das Erkrankungsrisiko für Säuglinge aus
Familien ohne HBV-Risiken ist relativ niedrig; trotzdem empfiehlt die STIKO
seit 1995 die Hepatitis-B-Impfung für alle Säuglinge und Kleinkinder. Dies hat
mehrere nachvollziehbare Gründe. Zum einen besteht bei Säuglingen und
Kleinkindern ein besonders hohes Risiko für einen chronischen Verlauf (bis zu
90%) mit der Gefahr, dass sich eine Leberzirrhose und/oder ein
Leberzellkarzinom entwickeln. Zum anderen hat diese Empfehlung das Ziel, die
Inzidenz der Hepatitis B in Deutschland zu senken, was in der einheimischen
Bevölkerung wohl auch erreicht wurde. In Deutschland stehen für Säuglinge
monovalente und gut akzeptierte Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung, so dass
eine große Zahl von Kindern erreicht wird. Die Impfung gegen Hepatitis-B wird
von der STIKO als
Standardimpfung für alle Kinder empfohlen. Bei Verwendung von
6-fach-Kombinationsimpfstoffen mit Pertussiskomponente werden zur
Grundimmunisierung vier Impfstoffdosen im Alter von 2, 3, 4 und 11 bis 14
Monaten empfohlen. Bei Verwendung eines Hepatitis-B-Einzelimpfstoffs kann die
Impfung im Alter von 3 Monaten entfallen, d.h. es reichen drei
Impfstoffdosen aus. Ist keine Grundimmunisierung im Säuglingsalter erfolgt,
sollte die Impfung vor dem 18. Geburtstag nachgeholt werden. Für Erwachsene
(Indikationsimpfung) wird die Impfung mit drei Dosen nach dem Schema 0-1-6
Monate durchgeführt (1).
Schwangere:
Schwangere sollten auf jeden Fall auf HIV und HBV getestet werden. Bei beiden
Infektionen kann durch eine entsprechende antivirale Therapie die Übertragung
auf das Neugeborene sehr häufig verhindert werden. In einer aktuellen Studie
(4) wurden 200 Mütter, die in der 30. bis 32. Schwangerschaftswoche eine
HBV-DNA-Last > 200.000 IU/ml hatten, in zwei Gruppen randomisiert.
Eine Gruppe erhielt Plazebo, die andere 300 mg/d Tenofovirdisoproxil (als
Fumarat). Bei 5 von 97 behandelten Müttern kam es zur Übertragung des HBV auf
das Neugeborene, in der Plazebo-Gruppe bei 18 von 100 (p = 0,007).
Nebenwirkungen waren in den beiden Gruppen nicht unterschiedlich. Eine weitere
Möglichkeit besteht darin, Neugeborene HBs-Ag-positiver Mütter innerhalb von
12 Stunden nach der Geburt gegen das HBV zu immunisieren. Dabei wird die
erste Dosis HBV-Impfstoff simultan mit HBV-Immunglobulin injiziert. Die
begonnene Grundimmunisierung wird einen Monat später durch eine 2. Impfung
und frühestens fünf Monate nach der 2. Impfung durch eine 3. Impfung
vervollständigt. Nach Abschluss der Grundimmunisierung ist eine serologische
Kontrolle erforderlich.
Impfschutz:
Aufgrund vorliegender Daten kann man davon ausgehen, dass nach erfolgreicher
Hepatitis-B-Grundimmunisierung im Erwachsenenalter keine weiteren
Auffrischimpfungen oder Anti-HBs-Testungen erforderlich sind. Zum Nachweis des
Impferfolgs wird in der Regel ein Anti-HBs-Test durchgeführt. Man geht derzeit
davon aus, dass ein Anti-HBs-Titer von ≥ 100 IE/l als schützend
gilt. Bei akuter Exposition durch HBV wird daher bei Geimpften der
Anti-HBs-Titer kontrolliert und bei Werten < 100 IE/l eine
Auffrischimpfung empfohlen. Bei Personen mit Immundefizienz (z.B.
Dialysepatienten), werden jährliche Anti-HBs-Kontrollen empfohlen. Bei einem
Anti-HBs-Wert < 100 IE/l sollte eine Auffrischimpfung durchgeführt
werden.
Therapie (in
Anlehnung an Leitlinien, z.B. 3): Akute HBV-Infektion
(< 6 Monate): Die akute Hepatitis B heilt bei den meisten
erwachsenen Patienten spontan aus (> 90%). Eine Verbesserung der
Ausheilungsquote durch eine antivirale Therapie ist nicht belegt. Eine
randomisierte plazebokontrollierte Studie aus Indien fand keinen Vorteil einer
Therapie mit Lamivudin gegenüber Plazebo (5). Daten aus Europa oder den USA zur
antiviralen Therapie der akuten Hepatitis B mit kompensierter
Leberfunktion liegen nicht vor. Eine prospektive nationale Studie aus
Deutschland konnte aufgrund mangelnder Rekrutierung von Patienten nicht wie
vorgesehen beendet werden (6). Mehrere Fallberichte haben jedoch gezeigt, dass
Patienten mit fulminanter Hepatitis B (0,1-0,5% bei Erwachsenen), die
frühzeitig mit Lamivudin behandelt wurden, nur in 20% eine Lebertransplantation
benötigten, im Vergleich zu 50-80% bei unbehandelten Patienten aus historischen
Kontrollen (7, 8). Somit erscheint bei Anzeichen einer eingeschränkten
Syntheseleistung der Leber (Verlängerung der Prothrombinzeit, Quick-Wert
< 50%) eine Therapie mit einem direkt antiviralen Wirkstoff gerechtfertigt,
um möglicherweise einem fulminanten Leberversagen vorzubeugen und die
Notwendigkeit einer Lebertransplantation zu vermeiden. In einer solchen
klinischen Situation sollte umgehend das weitere Vorgehen mit einem
Lebertransplantationszentrum abgestimmt werden. Für den Beginn einer
antiviralen Therapie bei ausreichender Leberfunktion (Quick-Wert > 50%)
gibt es keine Evidenz. Daher bedürfen die meisten Patienten mit akuter
Hepatitis B (> 98%) keiner antiviralen Therapie!
Chronisch
replikative HBV-Infektion (> 6 Monate): Gibt es bei chronisch
replikativer Hepatitis B (HbsAg positiv oder HBV-DNA im Blut nachweisbar,
häufig auch ohne erhöhte Leberwerte) extrahepatische Manifestationen, z.B. eine
Vaskulitis (Polyarteriitis nodosa) oder Arthritis, sollte eine Therapie mit
einem direkt antiviralen
Wirkstoffe eingeleitet werden (z.B. Tenofovir). Hierunter bessern sich
die Symptome meistens rasch.
Chronisch
replikative Hepatitis B „noch“ ohne Leberzirrhose: Wiederholt bzw.
dauerhaft erhöhte Leberwerte (z.B. ALT = SGPT > 2fach über dem
Normwert) oder entzündliche Aktivität im Leberbiopsat oder/und im Fibroscan und
HBV-DNA-Last > 2000 IU/ml werden als Indikation zur Behandlung
angesehen. Neuerdings wird eine Behandlung auch dann empfohlen, wenn keine
entzündliche Aktivität in der Leber nachweisbar ist (ALT oder/und Histologie
oder/und Fibroscan normal), jedoch die HBV-DNA-Last im Blut
> 2000 IU/ml ist.
Wirkstoffe:
Interferon alfa-2a oder -2b: Bei Indikation und fehlenden Kontraindikationen
sollte zunächst eine Behandlung mit pegyliertem Interferon alfa-2a versucht
werden (12 Monate), denn dadurch kann eine Serokonversion von HBs zu
Anti-HBs erreicht werden, und die Patienten bleiben nicht vom Wirkstoff
abhängig, wie es in der Regel bei Therapie mit einem direkt antiviral wirksamen
Arzneimittel der Fall ist. Patienten, bei denen die Injektion von pegyliertem
Interferon alfa erfolglos bleibt oder bei denen eine Kontraindikation dafür
besteht, sollten mit einem direkt
antiviralen Wirkstoff behandelt werden (z.B. Tenofovir).
Direkt antivirale Wirkstoffe
(Nukleosid- bzw. Nukleotid-Analoga; vgl. Tab. 1): Für die Wahl des
Wirkstoffs sollten gemäß den Leitlinien das Stadium der Lebererkrankung, die
Höhe der HB-Virämie sowie vorausgegangene Therapien berücksichtigt werden (3). Besteht
eine Leberzirrhose oder eine HBV-DNA-Last von > 106 IU/ml, sollte primär ein
Wirkstoff mit hoher genetischer Barriere gegen Resistenzentwicklung eingesetzt
werden (z.B. Tenofovir; vgl. Tab. 1). Entecavir wird in Leitlinien
zwar auch empfohlen, hat aber einen hohen Preis und viele Nebenwirkungen
(Tab. 1). Gegen Lamivudin entwickelte Resistenzen bestehen häufig dann
auch gegen Entecavir (Kreuzresistenz). Im Tierversuch war eine onkogene Potenz
von Entecavir nicht auszuschließen. Daher wird in der Regel (bei Patienten ohne
eingeschränkte Nierenfunktion) mit Tenefovir therapiert.
Die Behandlung
mit einer Kombination antiviraler Wirkstoffe zu beginnen, hat bisher keine
Vorteile gezeigt und wird in den Leitlinien nicht mehr empfohlen. Die deutsche
Leitlinie (3) weist in ihren Erläuterungen darauf hin, dass das Risiko für eine
Resistenzbildung im weiteren Verlauf gering ist bei schnellem Ansprechen unter
Telbivudin oder Lamivudin (HBV-DNA < 200 IU/ml nach
6 Monaten) und einer initial niedrigen HBV-DNA (< 106 IU/ml).
Deshalb können diese Wirkstoffe bei Patienten mit niedriger Viruslast und ohne
Hinweise auf eine bereits fortgeschrittene Leberfibrose eingesetzt werden. Dies
ist allerdings eine sehr theoretische und nicht wirklich patientenorientierte
Strategie, so dass man Lamivudin oder Telbivudin bei chronisch replikativer
Hepatitis B heute nicht mehr einsetzt (s. Tab. 1). Lamivudin hat
allerdings einen festen Stellenwert in der präemptiven Behandlung, d.h. wenn
unter einer geplanten immunsuppressiven Therapie eine Reaktivierung der
HBV-Replikation verhindert werden soll.
Chronisch
replikative Hepatitis B mit Leberzirrhose: Patienten mit Leberzirrhose
und Nachweis einer HBV-DNA-Viruslast sollten therapiert werden. Ist die
Zirrhose noch kompensiert, kann versuchsweise zunächst mit pegyliertem
Interferon alfa-2a behandelt werden. Besteht eine Kontraindikation für
Interferon alfa oder ist diese Behandlung erfolglos oder ist die Leberzirrhose
bereits dekompensiert, sollte mit einem direkt antivalen Wirkstoff mit hoher
Resistenzbarriere begonnen werden (z.B. Tenofovir). Bei Patienten mit
Leberzirrhose und kontrollierter HBV-Infektion ist die Möglichkeit einer
Lebertransplantation zu prüfen.
Kontrolle des
Therapieerfolgs: Mit pegyliertem Interferon alfa-2a kann bei ca. 2-11% der
Patienten in einem Zeitraum von 3-6 Jahren eine HBsAg-Serokonversion
(Anti-HBs) erreicht werden. Die Rate steigt auch in der Zeit danach noch an. Es
empfiehlt sich also eine Kontrolle alle 6 Monate, und es ist individuell
zu entscheiden, wann bei ausbleibender Serokonversion auf die Therapie mit
einem direkt antiviralen Wirkstoff übergegangen wird.
Unter laufender
Therapie sollte die Replikation des HBV regelmäßig alle 6 Monate gemessen
werden. Während der Behandlung mit direkt antiviralen Wirkstoffen können
Resistenzen auftreten, die ihre Wirksamkeit aufheben, wie z.B. bei Lamivudin,
etwas seltener bei Telebuvir und noch etwas seltener bei Entecavir. Von
Telebuvir und Entecavir sind Kreuzresistenzen mit Lamivudin bekannt
(s. Tab. 1). Bei Behandlung der chronisch replikativen
Hepatitis B mit Lamivudin ist dies nach fünf Jahren bei ca. 50% der
Patienten der Fall. Daher wird Lamivudin heute fast nur noch als präemptive
Behandlung eingesetzt (siehe dort). Sind die Patienten unter einem direkt antiviralen
Wirkstoff (s. Tab. 1) therapieadhärent, sollte die HBV-DNA spätestens
nach 6 Monaten nicht mehr im Blut nachzuweisen sein. Eine Therapie Drogen-
und/oder Alkohol-abhängiger Patienten sollte nur dann erwogen werden, wenn
Adhärenz wahrscheinlich ist.
Die Therapie mit
einem direkt antiviralen Wirkstoff muss in der Regel lebenslang (!) fortgesetzt
werden. Nur selten (bei < 0,1%) kommt es zu einer HBs-Serokonversion
(Anti-HBs). In dieser seltenen Situation kann ein Absetzen diskutiert werden.
Schwere Nebenwirkungen
sind bei den direkt antiviralen Wirkstoffen relativ selten. Tenofovir ist
potenziell nephrotoxisch, deshalb sind Kontrollen der Nierenfunktion notwendig.
Eine neue Formulierung, Tenofoviralafenamid
(Vemlidy®), soll weniger nephrotoxisch sein und ist
seit Januar 2017 von der FDA zur Behandlung der chronischen Hepatitis B
mit kompensierter Lebererkrankung zugelassen. Für die Dosierung der
verschiedenen direkt antiviralen Wirkstoffe sei auf die Leitlinien der
Fachgesellschaften verwiesen, besonders bei Niereninsuffizienz (vgl. 3).
Hepatitis-B-Reaktivierung
unter Immunsuppression und präepmtive Therapie: Patienten, die wegen
Autoimmun- oder malignen Erkrankungen immunsuppressiv behandelt werden müssen,
sollten zuvor auf Antikörper gegen HBc-Ag (Anti-HBc) untersucht werden, da ihr
Nachweis eine durchgemachte HBV-Infektion anzeigt. Ist Anti-HBc nachweisbar,
sollte zusätzlich nach HBV-DNA im Blut gesucht werden. Sind beide Tests
positiv, sollte vor der immunsuppressiven Therapie eine Behandlung mit einem
direkt antiviralen Wirkstoff mit hoher Resistenzbarriere eingeleitet werden
(z.B. Tenofovir). Ist nur Anti-HBc nachweisbar und HBV-DNA im Blut negativ, ist
zunächst eine engmaschige Kontrolle der HBV-DNA während der Immunsuppression
ausreichend. Ist aber vorgesehen, mit einem Antikörper (z.B. Rituximab) oder
anderen, die Funktion von B-Zellen/Plasmazellen beeinträchtigenden Wirkstoffen
zu behandeln, ist auch bei Patienten, die Anti-HBc positiv sind und bei denen
HBV-DNA im Blut nicht nachweisbar ist, unbedingt eine präemptive Therapie mit
einem direkt antiviralen Wirkstoff erforderlich (z.B. Lamivudin; nur diese
Behandlung wird als präemptiv bezeichnet!). Dieses Vorgehen gilt auch für
Patienten mit geplanter Stammzelltransplantation (9). Wir würden aber auf Grund
der schwerwiegenden, nicht selten fatalen Verläufe bei einer solchen
Reaktivierung die präemptive Therapie auf alle Patienten ausweiten, die eine
intensive bzw. kombinierte Immunsuppression erhalten sollen (eigene Erfahrung
sowie 9-12). Es gibt Fallberichte über eine Reaktivierung der HBV-Infektion
unter Behandlung mit BCR-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitoren (Imatinib, Dasatinib, Nilotinib,
Bosutinib, Ponatinib; 13, 14). Auch bei Patienten, die mit
Hepatitis B und Hepatitis C koinfiziert sind, kann unter Behandlung
der chronischen Hepatitis C mit direkten antiviralen Wirkstoffen (Daclatasvir, Dasabuvir, Sofosbuvir/Ledipasvir, Simeprivir,
Sofosbuvir, Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir) das HBV reaktiviert
werden (15-17). Das gleiche gilt für die Behandlung mit Thalidomid (18) und Pomalidomid (19).
Deshalb ist es wahrscheinlich sinnvoll und in Studien zu prüfen, ob auch solche
Patienten bei Beginn der Behandlung einer Hepatitis C eine präemptive
Therapie gegen Hepatitis B erhalten sollten.
Literatur
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