Selektive COX-2-Hemmer wurden mit dem Ziel entwickelt, Analgetika
mit geringerer gastrointestinaler und renaler Toxizität als die älteren
nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) zu erhalten. Sie wurden weltweit intensiv
vermarktet. Die kaum nachweisbare bessere gastrointestinale Verträglichkeit war
jedoch mit einer erhöhten kardiovaskulären Letalität assoziiert (1). Bis auf
Celecoxib und Etoricoxib wurden die oralen COX-2-Hemmer aus Sicherheitsgründen wieder
vom Markt genommen. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat im Jahr 2005 die
Hersteller der auf dem Markt verbliebenen COX-2-Hemmer aufgefordert, in einer
Langzeitstudie nachzuweisen, dass gegenüber anderen NSAID (genannt wird explizit
Naproxen) eine ausreichende kardiovaskuläre Sicherheit besteht (2).
Pfizer, der Inhaber des Patents für Celecoxib, kommt dieser Forderung
nun nach – mehr als zehn Jahre nach dem FDA-Auftrag und zwei Jahre nach Ablauf
des Patentschutzes im Jahr 2014. Somit wurde der größte Umsatz längst erzielt, und
ökonomisch ist es nicht mehr so entscheidend, welches Ergebnis die Studie hat.
In der randomisierten dreiarmigen Studie mit dem Akronym „PRECISION“ wurde
Celecoxib mit Naproxen und Ibuprofen bei Langzeitanwendung verglichen (3). Es
wurden > 24.000 Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA; 10% der Patienten)
oder Osteoarthrose (OA; 90% der Patienten) eingeschlossen. Die Patienten
mussten zusätzlich eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung (22,8% aller
Patienten) oder ein erhöhtes Risiko hierfür haben (77,2% aller Patienten).
Ausschlusskriterien waren u.a. ein unkontrollierter Bluthochdruck,
Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen III-IV, linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≤ 35%
und ein erhöhter Kreatininwert. Besonders hoch war das kardiovaskuläre Risiko
der eingeschlossenen Patienten aber insgesamt nicht. Das lässt sich auch daran
ablesen, dass nur 46% der Patienten niedrig dosiert ASS und nur 54% ein Statin
einnahmen.
Die Patienten erhielten doppelblind entweder Celecoxib (Cel),
Naproxen (Nap) oder Ibuprofen (Ibu). Die Zieldosen waren zweimal 100-200 mg/d
Cel, zweimal 375-500 mg/d Nap und dreimal 600-800 mg/d Ibu. Die
Dosisfindung erfolgte symptomgesteuert. Da Cel jedoch in vielen Ländern zur
Behandlung der OA nur bis zu einer Tagesdosis von 200 mg zugelassen ist,
lagen am Ende der Studie die tatsächlich angewendeten mittleren Dosen nicht im
gleichen Wirkungsbereich: Cel: 209 mg/d (entspr. 52% der zulässigen
Tageshöchstdosis) vs. Nap: 852 mg/d und Ibu: 2045 mg/d (entspr.
jeweils 85% der zulässigen Tageshöchstdosis). Diese unterschiedlichen Dosierungen
stellen letztlich die gesamte Studie und ihre Ergebnisse in Frage, besonders
hinsichtlich der Sicherheitsendpunkte. Zudem erhielten alle Patienten
Esomeprazol (20-40 mg/d) zur Ulkusprophylaxe. Der Studiensponsor hatte
wohl selbst kein großes Vertrauen in die gastrointestinale Sicherheit von
Celecoxib.
Die Statistik war auf Nichtunterlegenheit
von Cel gegenüber Nap und Ibu angelegt. Der primäre Endpunkt war
zusammengesetzt aus: kardiovaskulärem Tod, tödlichen Blutungen, nicht-tödlichem
Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Sekundäre Endpunkte waren u.a. klinisch
signifikante gastrointestinale Ereignisse (= CSGIE: gastroduodenale Blutung,
symptomatische Magen- oder Zwöffingerdarmgeschwüre, Magenausgangsstenose, gastrointestinale
Perforation, Darmblutungen inklusive okkulte Blutungen).
Ergebnisse: 27,4% der Patienten konnten im Verlauf der
Studie nicht ausgewertet werden (2,5% wegen Tod, 15,7% widerriefen ihre
Einwilligung, 7,2% kamen nicht mehr zu den Visiten) und 68,8% aller
Studienteilnehmer beendeten die Therapie vorzeitig. Die durchschnittliche
Expositionszeit mit dem NSAID betrug 20,3 ± 16,0 Monate, die mittlere
Beobachtungszeit 34,1 ± 13,4 Monate. Der
primäre Endpunkt wurde von insgesamt 2,5% der Patienten erreicht (ca. 1% pro
Jahr). Dabei konnte kein Nachteil von Cel gegenüber Nap und Ibu nachgewiesen
werden (2,3% vs. 2,5% vs. 2,7%; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit
von Cel in beiden Vergleichen). Auch bei den sekundären Endpunkten, inklusive
den CSGIE, fanden sich keine statistisch signifikanten
Unterschiede zwischen den drei NSAID: Cel: 0,7%, Nap: 0,7%, Ibu: 0,9%. Durch einen
Trick wird in der Publikation der Eindruck eines Vorteils von Cel bei der
gastrointestinalen Verträglichkeit erweckt. Die Autoren führen einen neuen,
nicht prädefinierten zusammengesetzten Endpunkt ein, bei dem zum CSGIE noch der
„gastrointestinal bedingte Eisenmangel“ (ein tertiärer Endpunkt) hinzugerechnet
wird. Erst hierdurch ergibt sich ein signifikanter Vorteil von Cel gegenüber Nap
und Ibu (Cel: 1,1% vs. Nap:1,5% vs. Ibu:1,6%; p = 0,01 bzw. 0,002). Erwähnt
werden muss noch eine grenzwertig signifikant erhöhte Letalität unter Nap
gegenüber Cel (2,0% vs. 1,6%; p = 0,05), nicht jedoch gegenüber Ibu
(1,8%), sowie eine geringfügig bessere Schmerzlinderung mit Nap vs. Cel und Ibu
(-10,2 mm vs. -9,3 bzw. -9,5 mm auf einer visuellen Analogskala mit
100 mm; Ausgangswert in allen drei Gruppen 54 mm). Dieser
enttäuschende analgetische Effekt spricht nach unserer Meinung auch prinzipiell
gegen eine Langzeittherapie mit einem NSAID bei diesen Indikationen und
verlangt nach einer Plazebo-Gruppe bei künftigen Studien mit ähnlicher
Fragestellung.
Somit kann nicht
wirklich von einem „Freispruch für Celecoxib“ gesprochen werden, wie dies ein
Kommentator geschrieben hat (4). Vielmehr stellen sich aus unserer Sicht
mehrere wichtige Fragen: Weshalb wurde ein derartiges Studiendesign mit
absehbar so unterschiedlichen Dosierungen von der Studienleitung, der
Ethikkommission und dem N. Engl. J. Med. akzeptiert? Wie werden die regulatorischen
Behörden zukünftig auf derartige zeitliche Verzögerungen bei mit Auflagen (Postmarketingstudien)
verbundener Zulassung reagieren? Ist Nap wirklich das sicherste NSAID für
herzkranke Patienten? Und wer benötigt eigentlich ein nachweislich schwach
wirksames NSAID wie Cel, wenn dies bei Bedarf nicht höher dosiert werden darf
und im Vergleich zu den klassischen NSAID keine größere gastrointestinale
Sicherheit bietet?
Fazit: In der PRECISION-Studie wurden insgesamt > 24.000 Patienten
mit arthritischen Beschwerden und erhöhten kardiovaskulären Risiken dauerhaft –
durchschnittlich 20 Monate (!) – in drei Studienarmen mit dem COX-2-Hemmer
Celecoxib oder Naproxen oder Ibuprofen behandelt. Die Häufigkeit
kardiovaskulärer Komplikationen war etwa gleich und betrug ca. 1-2%/Jahr.
Celecoxib war also Naproxen und Ibuprofen nicht unterlegen. Da jedoch Celecoxib
vergleichsweise niedriger dosiert war als Naproxen und Ibuprofen, ist der Wert
dieser Studie für die klinische Praxis gering. Der vielleicht wichtigste klinische
Befund der Studie: Eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit des COX-2-Hemmers
gegenüber den beiden klassischen NSAID war trotz seiner vergleichsweise niedrigeren
Dosierung und konsequenter Vorbeugung mit Esomeprazol nicht festzustellen.
Literatur
- AMB 2004, 38, 73a
. AMB 2005, 39, 38b . AMB 2006, 40, 15 . 
- http://www.fda.gov/...

- Nissen, S.E., et al. (PRECISION= Prospective Randomized Evaluation of Celecoxib IntegratedSafety vs. Ibuprofen Or Naproxen): N. Engl. J. Med.2016, 375, 2519.

- Einecke,D.: MMW Fortschr. Med. 2016, 158, 12.

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