Der gerade erst in sein Amt eingeführte
neue Präsident der USA, Donald Trump, hat am 31. Januar 2017 seine Visionen zur
zukünftigen Arzneimittelpolitik in den USA verkündet. Eingeladen ins Weiße Haus
hatte er hierzu führende Vertreter pharmazeutischer Unternehmer (pU) von AMGEN,
Celgene, Eli Lilly, Johnson & Johnson, Merck und Novartis sowie den Leiter
des Branchenverbands der führenden biopharmazeutischen Unternehmer in den USA
(Pharmaceutical Research and Manufacturers of America = PhRMA; 1-4).
Als wesentliche Ziele nannte Trump neben
einer zunächst vernünftig klingenden Forderung, nämlich der Senkung der von ihm
als astronomisch bezeichneten Preise für neue Arzneimittel in den USA, vor
allem eine Erneuerung der FDA mit Abbau der aus seiner Sicht ärgerlichen
regulatorischen Vorgaben, die eine rasche Zulassung neuer Wirkstoffe verzögern.
Nach Einschätzung von Trump benötigen manche pU derzeit mehr Personal für die
Bewältigung dieser regulatorischen Vorgaben als für Forschung und Entwicklung
neuer Wirkstoffe. Der Umfang der für die Zulassung vorgelegten Unterlagen
sollte nach seiner Ansicht eher 100 als 9.000 Seiten betragen. In seinen
weiteren Aussagen zur Zulassung von neuen Arzneimitteln und dem Standort USA
als weltweit größtem Hersteller von Arzneimitteln hat sich Trump offenbar
erneut von seinem Slogan: „America first“ bzw. vom Postulat des
US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Milton Friedman leiten lassen:
„The business of business is business“. Das für Patienten, Ärzte und
Gesellschaft entscheidende Ziel: Patienten vor sehr teuren, nur marginal oder
nicht wirksamen und potenziell gefährlichen neuen Arzneimitteln zu schützen,
scheint ihn eher wenig zu interessieren.
Die Behauptungen von Trump wurden von
unabhängigen Journalisten einem Realitätscheck unterzogen, dessen wesentliche
Ergebnisse wir im Folgenden kurz darstellen wollen (1-4). Die von ihm genannten
2,5 Mrd. US-$, die durchschnittlich für Forschung und Entwicklung eines
neuen Wirkstoffs aufgebracht werden müssen – nach angeblich 15 Jahren
Entwicklungszeit – entstammen häufig zitierten, inzwischen aber durch
unabhängige Wissenschaftler eindeutig widerlegten Berechnungen (z.B. 5).
So werden beispielsweise Opportunitätskosten, Belastungen für Arzneimittel, die
während der (prä-)klinischen Entwicklung scheitern und Kosten für Marketing mit
eingerechnet. Trump macht für diese hohen Kosten vor allem die Überregulierung
bei der Zulassung neuer Wirkstoffe verantwortlich, übersieht dabei jedoch
völlig, dass seit 1987 – damals ausgelöst durch die HIV/AIDS-Epidemie –
inzwischen 4 Programme zur Förderung der Arzneimittelentwicklung und
beschleunigten Zulassung in den USA etabliert wurden (6, 7). Diese
Erleichterungen wurden und werden von pU jedoch nicht nur für Arzneimittel
beansprucht, die als erste in einer neuen Wirkstoffgruppe („first-in-class“)
die Zulassung anstreben, sondern häufig auch für wenig innovative Arzneimittel
mit fraglichem therapeutischem Stellenwert (8). Der Trend zu beschleunigten
Zulassungen hat sich in den USA in den letzten Jahren deutlich verstärkt, was
auch aktuelle Zahlen eindrucksvoll bestätigen. Im Jahr 2015 wurden in den USA
45 neue Arzneimittel von der FDA zugelassen, darunter 14 für onkologische
Anwendungsgebiete und 11 Orphan-Arzneimittel. Fast alle onkologischen
Arzneimittel (11 von 14) und 16 der übrigen Arzneimittel hatten ein
beschleunigtes Verfahren durchlaufen (9).
Auf die Unsicherheit bzw. geringe
Aussagekraft derartiger beschleunigter Verfahren hinsichtlich der Beurteilung
von Wirksamkeit und Sicherheit neuer Wirkstoffe haben Wissenschaftler in den
USA wiederholt hingewiesen (6, 8, 10). Insbesondere für onkologische
Wirkstoffe konnte gezeigt werden, dass bei sogenannten
„Breakthrough“-Arzneimitteln die Zulassung häufig bereits nach Phase-II-Studien
und meist nur nach etwa 5 Jahren klinischer Entwicklung erteilt wird (11).
Diese Ergebnisse sind Trump und seinen Beratern offensichtlich unbekannt.
Ebenso scheint dies zuzutreffen für die historische Entwicklung der
Gesetzgebung für die Arzneimittelzulassung, die – ausgelöst durch die
Thalidomid-Katastrophe – auf den Kefauver-Harris-Änderungen der
Arzneimittelgesetzgebung im Jahr 1962 basiert und unter anderem klare Vorgaben
beinhaltet sowohl für die Herstellung von Arzneimitteln als auch für die
Prüfung ihrer Wirksamkeit und Sicherheit. Die Huffington Post empfiehlt Trump
deshalb vor einer für Patienten sehr gefährlichen Demontage der FDA den Besuch
eines Schulungskurses über die Thalidomid-Krise (12). Vielleicht sollten Donald
Trump und seine Ratgeber auch zunächst das Buch zur Entwicklung der
Arzneimittelgesetzgebung in den USA (und Deutschland) gründlich studieren (13).
Auch weitere Behauptungen von Trump haben
den Faktencheck nicht überstanden. So beklagt er beispielsweise, dass Patienten
am Lebensende nicht mit neuen, noch nicht zugelassenen und in der Regel
unzureichend geprüften Arzneimitteln behandelt werden können. Er übersieht
dabei sowohl bereits existierende Möglichkeiten des „compassionate use“ als auch
die geringe Bereitschaft bei den pU, noch als experimentell zu bezeichnende
Wirkstoffe Patienten vor der Zulassung zur Verfügung zu stellen – vor allen
Dingen aus Furcht vor der negativen Publizität aufgrund möglicherweise schwerer
Nebenwirkungen.
Schließlich beklagt er auch, dass viele
große pU die USA verlassen und die Fertigung ihrer Arzneimittel in andere
Länder verlagert hätten. Die Ursache hierfür sieht er zumindest teilweise in
der angeblichen Überregulierung der Arzneimittelzulassung in den USA. Experten
machen hierfür jedoch eher die bürokratischen Vorgaben für die
Herstellungsbetriebe in den USA und – neben den abgewerteten Währungen in
anderen Ländern – steuerliche Anreize, geringere Personalkosten sowie günstige
Rahmenbedingungen für Herstellungsbetriebe außerhalb der USA verantwortlich. In
diesem Zusammenhang kritisiert Trump auch andere Industrienationen, vor allem
in Europa, die aufgrund ihrer Preisregulierung für neue Arzneimittel die
Gewinne US-amerikanischer pU verringern und dadurch die Finanzierung von
Innovationen bzw. Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe in den USA
beeinträchtigen. Er bezeichnet dieses Verhalten als unfair gegenüber den USA
und verlangt von diesen Ländern, dass sie als Nutznießer einen angemessenen
Anteil der Entwicklungskosten für neue Wirkstoffe übernehmen.
Während seines Gesprächs mit den Vertretern
der pU bzw. von PhRMA erwähnte Trump auch, dass ihm eine „phantastische Person“
vorschwebt als zukünftiger Leiter (Commissioner) der FDA. Angesichts seiner
abstrusen Vorstellungen zur Beschleunigung von Zulassungsverfahren und Abbau
von Regulierung bei Arzneimitteln droht hier sicherlich neue Gefahr, vor allem,
da bereits Kandidaten ohne langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der
Arzneimittelentwicklung und -zulassung ins Spiel gebracht werden (4).
Es ist bemerkenswert, dass Donald Trump
seine Visionen zur Arzneimittelpolitik nur knapp 6 Wochen nach
Verabschiedung des „21st Century Cures Act“ (auch bekannt unter H.R. 34)
verkündete – einem Gesetz, das noch von Präsident Barack Obama auf den Weg
gebracht und von ihm am 13.12.2016 unterzeichnet wurde (14). Dieses Gesetz, das
im Mai 2015 erstmals dem US-amerikanischen Repräsentantenhaus vorgelegt wurde,
verfolgt ausdrücklich als übergeordnetes Ziel, die Erforschung, Entwicklung und
Verfügbarkeit neuer Therapien zu beschleunigen. Neben einem Abbau
bürokratischer Hürden bei der Durchführung klinischer Forschung und
Organisation wissenschaftlicher Tagungen sowie dem verstärkten Austausch von
wissenschaftlichen Daten unter strenger Beachtung des Datenschutzes und der
Vertraulichkeit derartiger Ergebnisse sollen durch dieses Gesetz 4 innovative
wissenschaftliche Initiativen finanziell mit mehr als 4,8 Mrd. US-$ über
insgesamt 10 Jahre gefördert werden. Dies sind neben Initiativen auf dem Gebiet
der regenerativen Medizin (Nutzung adulter Stammzellen) die „Brain Research
through Advancing Innovative Neurotechnologies“ (BRAIN), die „Precision
Medicine Initiative“ (PMI) und der sogenannte „Beau Biden Cancer Moonshot“.
Diese Entwicklungen wurden kürzlich im N. Engl. J. Med. von renommierten
Vertretern der National Institutes of Health (NIH) ausdrücklich begrüßt (15).
Von unabhängigen Pharmakologen bereits 2015 weniger positiv beurteilt wurden
allerdings die in diesem Gesetz auch erwähnten neuen Studiendesigns (z.B.
„adaptive pathways“), die zunehmende Akzeptanz von Biomarkern und anderen
Surrogatparametern als Endpunkte klinischer Studien und die weitere
Beschleunigung der Zulassung neuer Wirkstoffe und Medizinprodukte (16).
Literatur
- http://www.realclearpolitics.com/...

- https://www.statnews.com/2017/02/01/trump-blow-up-fda/

- http://www.nbcnews.com/...

- https://www.statnews.com/2017/01/23/trump-fda-gulfo/

- Morgan, S., et al.: Health Policy2011, 100, 4.

- Darrow,J.J., et al.: N. Engl. J. Med. 2014, 370, 1252. Erratum: N. Engl. J. Med. 2014, 371,94.
- Ludwig, W.-D.:Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa. In: Schwabe, U., undPaffrath, D. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2016. Springer-Verlag, Berlin,Heidelberg, 2016. S.29.
- Kesselheim, A.S.,et al.: BMJ 2015, 351, h4633.

- Mullard,A.: Nature Rev. Drug. Discov. 2016, 15, 73.

- Carpenter, D.: JAMA Intern. Med.2014, 174, 95.

- Shea, M., et al.: Nat.Rev. Drug Discov. 2016,15, 152.

- http://www.huffingtonpost.com/...

- Daemmrich, A.A.:Pharmacopolitics. Drug Regulation in the United States and Germany. The University of North Carolina Press Chapel Hill and London, 2004.
- https://energycommerce.house.gov/...

- Hudson, K.L., und Collins, F.S.: N. Engl.J. Med. 2017, 376, 111.
- Avorn, J., und Kesselheim, A.S.: N.Engl. J. Med. 2015, 372, 2473.

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