Zusammenfassung: In der PIONEER-AF-PCI-Studie wurden Blutungskomplikationen
unter drei verschiedenen antithrombotischen Mehrfachtherapien nach
Koronarintervention bei Patienten mit Vorhofflimmern verglichen. Neben einigen
methodischen Einschränkungen – offenes Studiendesign, Gruppengröße lässt
verlässliche Aussagen nur zur Häufigkeit von Blutungen zu, nicht dagegen zu
Stent-Thrombosen und Schlaganfällen – ist besonders zu kritisieren, dass die
drei Regime in ihrer antithrombotischen Wirksamkeit nicht äquivalent waren.
Während Warfarin bis in den INR-Zielbereich von 2-3 dosiert wurde, wurde
Rivaroxaban (empfohlene Tagesdosis 20 mg) auf 15 bzw. 5 mg/d
reduziert. Daher verwundert es nicht, dass in den beiden Rivaroxaban-Armen
signifikant weniger Blutungen auftraten. Dem Sponsor ging es beim Studiendesign
wohl primär darum, Rivaroxaban bei dieser Indikation gut abschneiden zu lassen.
Etwa 5-10% der Patienten, die einen Koronar-Stent erhalten,
haben auch Vorhofflimmern. Damit sind zugleich eine duale Plättchenhemmung
(DAPT) und eine orale Antikoagulation indiziert. Orale Antikoagulanzien (OAK) bieten
keinen ausreichenden Schutz gegen Stent-Thrombosen und eine DAPT keinen
ausreichenden Schutz gegen kardioembolische Insulte (1). Deshalb wird bei
dieser Patientengruppe für eine begrenzte Zeit eine antithrombotische
Dreifachtherapie („Tripel-Therapie“) mit OAK plus ASS plus P2Y12-Inhibitor (Clopidogrel,
Prasugrel oder Ticagrelor) empfohlen (2). Diese Tripel-Therapie birgt jedoch
ein hohes Risiko für klinisch bedeutsame Blutungen (2,2% im ersten Monat, 4-12%
innerhalb eines Jahres; 3). Sie wird oft mit der Situation von Odysseus verglichen,
als er sein Schiff in der Meerenge von Messina vorbei an den zwei Ungeheuern
Skylla und Charybdis navigieren musste.
Wir haben bereits über zwei Studien berichtet, die Hinweise
geben, dass die Tripel-Therapie mit ausreichender Sicherheit reduziert werden
kann, beispielsweise durch Weglassen eines der beiden
Thrombozytenfunktionshemmer und/oder durch eine Reduktion der OAK-Dosis (1). Es
bestehen in diesem Kontext jedoch noch große Unsicherheiten, besonders auch im
Hinblick auf die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK), die Nutzen-/Risiko-Relation
der verschiedenen P2Y12-Inhibitoren und die optimale Dauer der Behandlung. Die
PIONEER-AF-PCI-Studie (Studiensponsor Fa. Janssen Scientific und Bayer)
untersuchte nun die Sicherheit des NOAK Rivaroxaban in Kombination mit einem
oder zwei Hemmern der Thrombozytenfunktion (4).
Hierzu wurden offen drei verschiedene antithrombotische
Regime bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (definiert als
Vorhofflimmern, das nicht durch ein Klappenvitium ausgelöst wird) und Koronarintervention
verglichen:
- Standard-Tripel-Therapie (STT) mit Warfarin (INR: 2-3) und DAPT (ASS 75-100 mg/d plus ein P2Y12-Inhibitor nach Wahl der behandelnden Ärzte) für eine prädefinierte Zeitdauer (1, 6 oder 12 Monate), ebenfalls nach eingeschätzter Notwendigkeit durch die behandelnden Ärzte. Patienten, bei denen eine Tripel-Therapie nur für einen oder sechs Monate verordnet wurde, erhielten bis zum Ablauf von 12 Monaten noch eine doppelte antithrombotische Therapie mit Warfarin plus ASS.
- Modifizierte Tripel-Therapie (MTT) mit sehr niedrig dosiertem Rivaroxaban (zweimal 2,5 mg/d) plus DAPT (Wirkstoff und Behandlungsdauer nach Wahl der behandelnden Ärzte, wie bei STT). Patienten, bei denen die Tripel-Therapie nur für einen oder sechs Monate verordnet wurde, erhielten bis zum Ablauf von 12 Monaten Rivaroxaban einmal 15 mg/d (bei einer Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min nur einmal 10 mg/d) plus ASS bis zum Ablauf eines Jahres.
- Duale Therapie (DT) mit Low-dose Rivaroxaban (einmal 15 mg/d bzw. einmal 10 mg bei Kreatinin-Clearance von 30-50 ml/min) plus einen P2Y12-Inhibitor nach Wahl für ein Jahr (kein ASS).
Die Randomisierung erfolgte drei Tage nach der
Koronarintervention. Primärer Studienendpunkt war das Auftreten klinisch
bedeutsamer Blutungen innerhalb von 12 Monaten (zusammengesetzt aus Major-
und Minor-Blutungen nach den sog. TIMI-Kriterien plus Blutungen, die eine „medizinische
Aufmerksamkeit“ benötigen). Die erwartete Inzidenz von Blutungen betrug
16%/Jahr. Um zwischen den drei Armen einen Unterschied von > 5%
statistisch nachweisen zu können, errechnete sich eine Fallzahl von 750 pro Arm.
Die Berechnung der Fallzahl zielte dabei allein auf die Blutungen ab. Zwar
wurden viele wichtige sekundäre Effektivitätsendpunkte definiert, beispielsweise
Stent-Thrombosen und Schlaganfälle, doch für Aussagen dazu hat die Studie keine
ausreichende statistische Power.
Ergebnisse: Ab Mai 2013 wurden über 26 Monate an
426 Zentren in 26 Ländern insgesamt 2.124 Patienten
(durchschnittlich fünf pro Zentrum) zu gleichen Teilen in die drei
Behandlungsarme randomisiert. Die Patientencharakteristika waren in den drei
Armen etwa gleich: 75% Männer, mittleres Alter 70 Jahre (34% ≥ 75 Jahre).
Einen akuten Myokardinfarkt hatten 30% der Teilnehmer (18% NSTEMI, 12% STEMI),
21% eine instabile Angina pectoris und 49% vermutlich eine elektive
Koronarintervention (die genaue Zahl wird nicht genannt). Bei 67% der Patienten
wurde ein beschichteter Stent implantiert. Der mittlere CHA2DS2-VASc-Score
wird ebenfalls nicht genannt. Bei 11% betrug dieser 0-1 (sehr geringes
Schlaganfallrisiko), bei 34% 2-3, bei 40% 4-5 und bei 16% ≥ 6 (sehr
hohes Schlaganfallrisiko; vgl. 5). Der HAS-BLED-Score betrug bei 4% 0-1
(geringes Blutungsrisiko), bei 68% 2-3, bei 28% ≥ 4 (hohes
Blutungsrisiko; vgl. 5). Die INR-Einstellung im STT-Arm war insgesamt
akzeptabel: 65% der Messungen lagen im therapeutischen Bereich, 12,8% lagen
ober- und 22,3% unterhalb des Zielbereichs. Clopidogrel war der mit Abstand am
häufigsten verordnete P2Y12-Inhibitor (95%), obwohl knapp ein Drittel der
Teilnehmer einen Myokardinfarkt hatte und eigentlich bevorzugt Prasugrel oder
Ticagrelor erhalten sollte.
Die Studie beendeten 23,5% der Patienten vorzeitig: 3,1%
wegen Tod, 11% wegen Nebenwirkungen, 4% auf eigenen Wunsch, 1,3% wegen
schlechter Therapieadhärenz, 4% aus anderen Gründen. Im STT-Arm war die
Abbruchquote am höchsten (29,4%), wobei hier die unverblindete Behandlung
berücksichtigt werden muss.
Die wichtigsten Ergebnisse der Intention-to-treat-Analyse
sind in Tab. 1 aufgeführt. Es zeigte sich, dass klinisch bedeutsame
Blutungen innerhalb eines Jahres sowohl bei der modifizierten Tripel-Therapie
(18%) als auch bei der dualen Therapie (16,8%) signifikant seltener waren als
bei der Standard-Tripel-Therapie (26,7%): Hazard Ratio (HR) für modifizierte
Tripel-Therapie 0,63 (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,5-0,8; p < 0,0011)
und für die duale Therapie 0,59 (CI: 0,47-0,76; p < 0,001). Der
Vorteil für die beiden Rivaroxaban-Regime entsteht schon in den ersten Behandlungswochen,
und die Kaplan-Maier-Kurven laufen auch danach weiter auseinander. Der
Unterschied zwischen den beiden Rivaroxaban-Armen war nicht signifikant. Der
Vorteil der Rivaroxaban-Behandlung hinsichtlich der Blutungskomplikationen war
in allen Subgruppen (Alter, Geschlecht, Stent-Typ, CHA2DS2-VASc-
und HAS-BLED-Score) konsistent, wobei die Konfidenzintervalle der HR jedoch überwiegend
zu weit waren, um hieraus sichere Informationen abzuleiten.
Hinsichtlich der Effektivität der antithrombotischen
Therapie schnitten die drei Arme etwa gleich ab (s. Tab. 1), wobei
die Studie für verlässliche Aussagen dazu statistisch nicht ausreichend
gepowert war, was sich auch in sehr weiten Konfidenzintervallen widerspiegelt.
Die Autoren analysierten noch viele weitere Ergebnisse, insbesondere zur Dauer
der DAPT (1 vs. 6 vs. 12 Monate). Hierbei zeigen sich kaum Unterschiede
zwischen den zwei Armen, in denen die Dauer freigestellt war (s. Tab. 2).
Da diese Subgruppen jedoch sehr klein waren und sich auch teilweise in ihren
basalen Risiken unterschieden, geben diese Ergebnisse allenfalls Hinweise für
künftige Studien.
Generell muss die hohe Drop-Out-Rate und in diesem
Zusammenhang die fehlende Verblindung der Studie als Mangel angesehen werden.
Außerdem stellt sich die Frage, warum nicht äquipotente Regime miteinander
verglichen wurden. Ein Leser weist in der Online-Version des N. Engl. J. Med.
u.E. zu Recht darauf hin, dass man auch in der Standard-Tripel-Gruppe die Antikoagulation
mit Warfarin weniger streng hätte handhaben können (z.B. INR um 1,8). Es sei
beim Vergleich der Regime nicht korrekt, die Dosis von Rivaroxaban um 25 bzw.
75% zu reduzieren und Warfarin in der üblichen Dosis weiterzugeben. Möglicherweise
hätte sich bei den Blutungskomplikationen kein Unterschied ergeben, hätte man
auch die Dosis von Warfarin verringert. Künftige Studien sollten diesen Aspekt
berücksichtigen. Außerdem sollten sie ausreichend groß sein, um auch die Effektivität
der antithrombotischen Behandlung bewerten zu können. Sonst endet die
vermeintlich sichere Distanz zu Skylla im tödlichen Sog von Charybdis.
Literatur
- AMB 2013, 47, 60
. AMB 2013, 47, 36. 
- Windecker, S., et al.: Eur. Heart J. 2014, 35,2541.

- Paikin, J.S., et al.:Circulation 2010, 121, 2067.

- Gibson, M.C., et al.(PIONEER AF-PCI = Open-label, randomized, controlled, multicenter study exploring twotreatment strategies of rivaroxaban and dose-adjusted oral vitamin K antagonisttreatment strategy in subjects with atrial fibrillation who undergopercutaneous coronary intervention): N. Engl. J. Med. 2016, 375, 2423.
- AMB 2012, 46, 17.

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